Donnerstag, 25. April 2024

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Israels Blick auf den USA-Iran-Konflikt
Sorge vor Stellvertreterkrieg

Angesichts der wachsenden Spannungen am Persischen Golf fürchtet man in Israel, als engster US-Verbündeter im Nahen Osten in einen Stellvertreterkrieg hineingezogen zu werden. Denn auch wenn Benjamin Netanjahu die Iran-Politik der USA unterstützt - an einem Flächenbrand in der Region hat auch die israelische Regierung kein Interesse.

Von Tim Aßmann | 22.06.2019
Ein israelisches Artillerie-Geschütz feuert am 2. August 2014 eine 155-Millimeter-Granate nahe der Grenze zum Gaza-Streifen ab.
Der Konflikt zwischen Iran und USA könnte einen Flächenbrand in der Region auslösen – mit unkalkulierbaren Risiken auch für Israel. (AFP PHOTO/DAVID BUIMOVITCH)
Der große Transporthubschrauber landet nur kurz. Eine Spezialeinheit stürmt heraus, holt einen verletzten Soldaten. Dann hebt die Maschine wieder ab.
Ort der Übung: Eine Wiese im Norden Israels – nicht weit von der libanesischen Grenze entfernt und um das Nachbarland ging es auch fünf Tage lang im Großmanöver mit dem Namen "Frühe Ernte", erklärt der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus.
"Nachgestellt wurde ein großangelegter Kampfeinsatz im Libanon – in bewohntem Umfeld, gegen einen verschanzten, modern bewaffneten Gegner."
Hamas, Hisbollah und syrische Milizen
Gemeint ist, auch wenn die Armee das offiziell nicht sagt, die libanesische Hisbollah-Miliz. Trainiert wurden unter anderem die Abwehr von großangelegten Raketenangriffen und von Attacken aus Tunneln sowie der Häuserkampf – alles Szenarien, die bei einem Krieg Israels gegen die hochgerüstete Schiitenmiliz im Südlibanon wahrscheinlich erscheinen. Israels Regierungschef Netanjahu nutzte den Besuch bei der Militärübung, um Feinde seines Landes zu warnen. Netanjahu wandte sich indirekt an die palästinensische Hamas im Gaza-Streifen, die Hisbollah im Libanon und pro-iranische Milizen in Syrien:
"Ich bin beeindruckt von der Einsatzbereitschaft, dem Kampfgeist und vor allem von der Zerstörungskraft unserer Armee. Ich höre unsere Nachbarn im Norden, Süden und Osten drohen, uns zu vernichten. Ich sage Ihnen: Testet uns nicht."
Sorge vor einer bevorstehenden Konfrontation
Das israelische Großmanöver war lange geplant, fand jetzt aber zu einem Zeitpunkt statt, zu dem die Sorge vor einer bevorstehenden Konfrontation vor allem mit der Hisbollah groß ist. Angesichts der wachsenden Spannungen zwischen den USA und dem Iran fürchten israelische Politiker und Sicherheitsexperten einen Stellvertreterkrieg. Israel ist der engste US-Verbündete in der Region. Die Hisbollah wird vom Iran unterstützt. Der US-Diplomat Dan Shapiro war Botschafter seines Landes in Israel und ist nun Wissenschaftler an der Universität von Tel Aviv. Shapiro sagte im Interview mit dem Israel-Radio:
"Es kann hier eskalieren. Israel will keinen Krieg gegen Hisbollah – eigentlich möchte momentan noch niemand wirklich einen Krieg – ausgenommen vielleicht Teile des engen Umfelds des US-Präsidenten. Aber wenn jetzt nicht Überlegung und Vorsicht greifen, können wir schnell in einen Krieg stolpern."
Flächenbrand mit unkalkulierbaren Risiken
Grundsätzlich steht die israelische Regierung weiter hinter der Iran-Politik der USA. Den Rückzug aus dem Nuklear-Abkommen und Washingtons Sanktionen gegen Teheran, wünschte sich Israels Premier lange und findet beides nun weiterhin richtig. An einem Flächenbrand in der Region mit unkalkulierbaren Risiken für sein Land kann Benjamin Netanjahu, der außerdem vor Neuwahlen im September steht, aber kein Interesse haben.
Israel habe die USA in die Konfrontation mit dem Iran hinein getrieben und sei nun in Gefahr zum Ziel zu werden, kommentierte die israelische Tageszeitung "Yedioth Ahronoth" die aktuelle Lage. Der Kommentator warnte davor, den Iran zu unterschätzen. Die Führung in Teheran, so "Yedioth Ahronoth" habe eine Strategie und sei bereit zu kämpfen. Darin unterscheide sie sich von US-Präsident Trump. Über die möglichen Folgen einer Eskalation für Israel wird Regierungschef Netanjahu bald mit dem US-Sicherheitsberater Bolton sprechen. Er kommt am Sonntag zu Gesprächen nach Israel. Bolton gilt in der Iran-Frage als Hardliner.