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Israels diplomatische Beziehungen im Fußball
Wahlkampf auf der Ehrentribüne

Historisch: Israel hat Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain aufgenommen. Gut möglich, dass der jüdische Staat solche Normalisierungsabkommen auch mit anderen Staaten in der Region eingehen wird. Welche Folgen hat das für den Fußball, den beliebtesten Sport im Nahen Osten?

Von Ronny Blaschke | 04.10.2020
Dia Saba flankt den Ball
Dia Saba ist der erste israelische Fußballspieler, der in eine LIga am Persischen Golf wechselt (imago images / ChinaImages)
Dia Saba ist eine historische Figur – obwohl er nicht mal 28 Jahre alt ist. Der israelische Fußball-Nationalspieler ist vor wenigen Tagen aus dem chinesischen Guangzhou zum Verein Al Nasr nach Dubai gewechselt, in die größte Stadt der Emirate. Dia Saba ist der erste israelische Spieler in einer Liga am Persischen Golf – ihm dürften weitere folgen. Zudem bahnen sich wirtschaftliche Kooperationen an, auch im Fußball: Der Klub Hapoel Tel Aviv signalisiert Interesse an Investitionen aus den Emiraten, berichtet der Publizist James M. Dorsey, der seit langem den Fußball im Nahen Osten beobachtet:
"Es könnte bald auch Freundschaftsspiele zwischen beiden Ländern geben. Ohne die Aufnahme diplomatischer Beziehungen wäre das nicht möglich. Ich glaube, dass die Emirate im Fußball eher ein politisches als ein wirtschaftliches Ziel verfolgen: Sie wollen mit der Soft Power in Israel offenbar antiarabische Einstellungen aufweichen, auch im komplizierten Verhältnis mit den Palästinensern."
Ohne arabische Spieler, aber mit arabischen Investoren?
Wie weit dieser Wandel tatsächlich reicht, dürfte ein anderer Verein deutlich machen: Beitar Jerusalem, gegründet 1936, hat als einziger israelischer Profiklub noch keinen arabisch-muslimischen Spieler verpflichtet. Doch Moshe Hogeg will das Image des Vereins ändern. Der israelische IT-Unternehmer ist seit 2018 Eigentümer von Beitar, er möchte nun auch in den Emiraten nach Investoren suchen. Damit stützt Hogeg den außenpolitischen Kurs der Regierungspartei Likud, die seit langem mit Beitar verbunden ist, sagt der israelische Journalist und Fan-Experte Felix Tamsut.
Fans von Beitar Jerusalem mit Pyrotechnik auf der Tribüne
Die Fanszene vo Beitar Jerusalem ist für ihre anti-arabische Haltung bekannt (Quique Kierszenbaum/imago images / ZUMA Press)
"In rechten Kreisen in der Politik in Israel benutzt man sehr, sehr häufig Beitar Jerusalem. Das ist sehr üblich, dass mitten im Wahlkampf die ganze Reihe von rechten Politikerinnen und Politikern in Israel zu einem Beitar-Jerusalem-Spiel gehen. Sei es Miri Regev, heutzutage die Verkehrsministerin, früher Sport- und Kulturministerin. Und auch Netanjahu selbst identifiziert sich seit Jahren mit diesem Verein."
Rechtsextreme Gruppe gegen muslimische Spieler
Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat politische Mitstreiter regelmäßig auf der Ehrentribüne von Beitar Jerusalem getroffen. Der aktuelle Staatspräsident Reuven Rivlin war früher Präsident des Klubs. Doch nicht alle Anhänger von Beitar folgen dem Kurs der politischen Elite. Die Grenze zwischen Nationalismus und Rechtsextremismus ist fließend, sagt Felix Tamsut, und nennt die größte Fangruppe von Beitar - "La Familia":
"Die sind eine der bekanntesten extrem rechten Strukturen der israelischen Gesellschaft, nicht nur im Fußball, sondern im Allgemeinen. Die sind auch in den Straßen aktiv, in Protesten. Zum Beispiel früher auch mit Spruchbändern, auf denen stand: Beitar wird ,für immer rein von Arabern‘ bleiben."
Mit ihrer Aggressivität hat "La Familia" mehrfach den Wechsel muslimischer Spieler zu Beitar verhindert. Im vergangenen Jahr verpflichtet der Klub den Nigerianer Ali Mohamed. "La Familia" fordert von dem christlichen Spieler, seinen muslimisch klingenden Namen abzulegen. Beitars Eigentümer Moshe Hogeg droht rassistischen Fans mit Strafanzeigen. Nun mit der Öffnung für arabische Investoren möchte er scheinbar moderate und weniger sichtbare Strömungen in der Fanszene stärken. Doch "La Familia" positioniert sich auf Facebook gegen diese Öffnung:
"Für uns spielt Geld keine Rolle, Prinzipien schon. Wir möchten alle daran erinnern, dass Jerusalem eine heilige Stadt für Juden ist und dass Beitar das einzige Team der Welt ist, das die jüdische Menora als Symbol hat."
Erste Anzeichen der Annäherung beim Sport
Die kommenden Wochen dürften kompliziert werden, doch daran ist der israelische Sport gewöhnt. Auf Druck einiger arabischer Staaten hatte der Asiatische Fußballverband 1974 den jüdischen Staat ausgeschlossen. Auch in anderen Sportarten wurden Israelis vielfach boykottiert und ausgeladen, berichtet der Politikwissenschaftler Danyel Reiche, der seit Jahren den Sport in der arabischen Welt erforscht.
"Erst durch das Ende des Kalten Krieges und die Änderung der Haltung Russlands, die bis dahin in Form der früheren Sowjetunion einen Beitritt Israels zu europäischen Sportorganisationen abgelehnt hatten, konnte Israel Mitglied des Europäischen Olympischen Komitees und der Uefa werden. Und ist jetzt ja ein Dauergast in Wettbewerben wie Champions League und Europa League."
Israel war 2013 Gastgeber der U-21-EM. Doch auch danach haben mehrere israelische Fußballer kein Visum für Trainingslager ihrer Klubs in den Vereinigten Arabischen Emiraten erhalten. Im Sport lassen sich aber auch Anzeichen einer Annäherung erkennen: Im Oktober 2018 gewinnt der israelische Judoka Sagi Muki ein Turnier in Abu Dhabi. Erstmals erlauben die Emirate das Abspielen der israelischen Hymne. Es gibt noch immer etliche Staaten in Asien, die Israel klar ablehnen: Iran, Libanon oder Malaysia. Doch immer mehr Regierungen folgen einem pragmatischen Kurs, sagt der Blogger James M. Dorsey:
"Wenn es im Asiatischen Fußballverband eine Abstimmung zur erneuten Aufnahme von Israel geben würde, und wenn eine einfache Mehrheit dafür reichen würde, dann könnte Israel diese Wahl gewinnen. In den asiatischen Strukturen hätte Israel vermutlich größere Chancen auf eine WM-Teilnahme. In Europa muss sich die Mannschaft mit den Besten der Besten messen."
Dehnt Abu Dhabi das Fußball-Netzwerk nach Israel aus?
Vorerst bleibt Israel in der Uefa. So könnten sich Spieler aus den Emiraten mit einem Wechsel nach Tel Aviv oder Jerusalem für europäische Wettbewerbe empfehlen. Eine zentrale Rolle dürfte bei der "City Football Group" liegen, mehrheitlich im Besitz von Abu Dhabi. Diese Gruppe ist für Investitionen bei Manchester City bekannt, doch das Netzwerk reicht weiter, sagt der Experte für Sportökonomie Simon Chadwick:
"Bei einer Säule der ,City Football Group’ geht es um Talentförderung, mit ihren Standorten Lommel in Belgien oder Girona in Spanien. Eine andere Säule ist Unterhaltung, mit den Standorten New York und Mumbai. Die dritte Säule zielt auf politische Annäherungen, deutlich wird das am chinesischen Standort der ,City Football Group’ in Chengdu. Und es ist durchaus möglich, dass in zwei oder drei Jahren ein weiterer Standort in Israel hinzukommt."
Israel wirbt als Standort für technologische Innovationen. Das Land wird im kommenden Jahr auch bei der Weltausstellung Expo in Dubai zu Gast sein, dem Sitz von Emirates. Die größte staatliche Fluglinie der Emirate zählt zu den einflussreichsten Sponsoren im Fußball, vielleicht irgendwann auch mit einem Engagement in Israel.