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Israels Verteidigungsminister
Neue Rolle für Ultranationalist Lieberman

Der neue israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hat wenig Zeit, um sich vom National-Populisten in einen Staatsmann zu verwandeln. Seine Anhänger erwarten nach der Terror-Attacke in Tel Aviv radikale Antworten von ihm. Die Militärs dagegen drängen die Regierung zu Erleichterungen für die Palästinenser, um den Druck im Westjordanland zu verringern.

Von Christian Wagner | 11.06.2016
    Liebermann spricht an einem Redepult vor einer braunen Wand in zwei Mikrofone.
    Der neue israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman bei einer Pressekonferenz nach seiner Vereidigung am 30.5.2016 in der Knesset in Jerusalem. (DPA / EPA / ABIR SULTAN)
    In der israelischen Regierung gibt es durchaus einen Minister für innere Sicherheit. Aber nach dem Anschlag mit vier Toten in Tel Aviv war vor allem der Verteidigungsminister gefragt, Avigdor Lieberman:
    "Wir werden alles unternehmen, was ein solcher Anschlag erfordert. Wir haben nicht vor, uns damit abzufinden. Wir werden alles Erforderliche tun und werden ganz besonders hart gegen die Beteiligten vorgehen."
    Lieberman, Chef der rechts-nationalistischen Partei "Unser Haus Israel", hält sich hörbar zurück. Vor gerade mal drei Monaten hatte er Ministerpräsident Netanjahu noch zum Rücktritt aufgefordert: Der sei erfolglos im Kampf gegen die Gewaltserie junger Palästinenser.
    Jetzt, eine Woche nach Eintritt in die Regierung Netanjahu, untersteht Lieberman die Armee und er trägt an mehreren Stellen Konflikte aus. Beispiel Israels Justiz: Lieberman verlangt, dass die Wohnhäuser der Familien von Attentätern umgehend von Armee-Bulldozern eingerissen werden. Der Generalstaatsanwalt widerspricht, rechtsstaatliche Verfahren müssten auch im Militärrecht eingehalten werden.
    Außerdem steht ein junger Soldat vor Gericht, der in Hebron einen verletzten palästinensischen Attentäter mit einem Kopfschuss getötet hatte. Lieberman war zum Prozess-Auftakt im Gerichts-Saal, erklärte sich solidarisch mit dem angeklagten Soldaten und kritisierte den damals noch zuständigen Minister Yaalon, der das Verfahren unterstützt hatte:
    "Ich traue dem Verteidigungsminister nicht. Er mischt sich in die Militärjustiz ein. Er sollte über dieses Verfahren auch nicht im Parlament reden." Jetzt ist Lieberman selbst Verteidigungsminister und ein Abbruch des Verfahrens gegen den Todesschützen würde ihm in Israel viele Sympathiepunkte bringen.
    "Vergesst die Zwei-Staaten-Lösung, das bringt nichts"
    Beispiel Israels Armee: Lieberman kehrt die Politik seines Vorgängers Yaalon um und ordnet an, dass die Leichen palästinensischer Attentäter generell nicht an die Familien herausgegeben werden. Die Toten sollen anonym auf einem eigenen Friedhof in Israel bestattet werden. Yaalon hatte noch davor gewarnt, damit die Wut auf Israel bei den Palästinensern weiter anzuheizen.
    Beispiel Israels Außenpolitik: Lieberman sagte noch vor einem Jahr im israelischen Radio unmissverständlich:
    "Vergesst die Zwei-Staaten-Lösung, das bringt nichts. Wer denkt, dass eine Rückkehr zu den Grenzen von 1967 und eine Teilung Jerusalems zu Frieden und Sicherheit führen, der ist ein Autist, der verweigert sich der Realität."
    Das könnte Avigdor Lieberman so momentan nicht wiederholen, trotz des tödlichen Anschlags der beiden jungen Palästinenser. Denn beim Eintritt in die Regierung sagte er vergangene Woche zu Netanjahu, er stimme ihm voll und ganz zu - er unterstütze Netanjahu auch bei der Formel: Zwei Staaten für zwei Völker.
    "Herr Haniyeh kann sich schon mal ein Grab reservieren"
    Ein Bekenntnis zum Ziel eines Staats Palästina neben Israel, zu einem Ende der Besatzung fordern vor allem die Amerikaner ein. Hintergrund: Mit der US-Regierung muss Lieberman sehr bald über ein geplantes langfristiges Milliarden-Dollar-Rüstungsprogramm verhandeln. Was also können oder müssen die internationalen Partner für bare Münze nehmen, etwa Liebermans Drohung gegen den Hamas-Führer im Gaza-Streifen, Ismail Haniyeh?
    "Wenn ich Verteidigungsminister wäre, würde ich Herrn Haniyeh 48 Stunden Zeit geben, entweder die Leichen unserer beiden Soldaten aus Gaza zurückzugeben oder selbst zu sterben. Er kann sich schon einmal ein Grab im nächstgelegenen Friedhof reservieren."
    Eine Rückkehr zur Politik der gezielten Tötungen hat es mit Lieberman bisher nicht gegeben. Und die Diskussion, ob Lieberman Israel bei den Verbündeten in Verruf bringt oder ob er sich - mit der Aussicht, selbst Ministerpräsident zu werden - einfach zurückhalten wird, diese Diskussion wird Israels Verteidigungsminister weiter begleiten.