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Israels "Zurückhaltung ist vorbei"

Die Angriffe der Hamas werde man nicht dulden, Israel habe die Pflicht, seine Staatsbürger zu verteidigen, sagt der Botschafter des Landes in Berlin, Yakov Hadas-Handelsman. Man sei aber bereit, die Friedensverhandlungen mit der palästinensischen Autonomiebehörde zu erneuern.

Das Gespräch führte Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Wir blicken noch einmal auf die aktuellen Spannungen in Israel. Die israelische Armee hat gestern den Militärchef der Hamas im Gaza-Streifen mit einem gezielten Luftangriff getötet, außerdem eine Luftoffensive gegen Ziele im Gaza-Streifen gestartet. Vorausgegangen waren tagelange Granatenangriffe von Hamas-Kämpfern auf Ziele im Süden Israels. In der Nacht hat sich nun auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der Eskalation in der Region befasst.
    Am Telefon ist jetzt der israelische Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman. Schönen guten Morgen, Herr Botschafter.

    Yakov Hadas-Handelsman: Schönen guten Morgen.

    Armbrüster: Herr Botschafter, können Sie sich dieser Forderung von Ban Ki-moon anschließen, beide Seiten, Israel und die Hamas, sollen Zurückhaltung üben?

    Hadas-Handelsman: Schauen Sie, jeder Staat auf dieser Welt hat die Pflicht, seine Bürger zu verteidigen. Israel ist keine Ausnahme. Wenn die Hamas uns nicht mit Raketen angreift, dann gibt es keinen Grund für Eskalation und gibt es keinen Grund für Krieg.

    Armbrüster: Das heißt, Israel ist berechtigt, so gegen die Hamas jetzt vorzugehen?

    Hadas-Handelsman: Israel hat eine Entscheidung getroffen: Unsere Zurückhaltung ist vorbei. Wir haben jetzt schon fast zehn Jahre beziehungsweise seit 2005, als sich Israel aus Gaza zurückgezogen hat, versucht, immer unsere Bürger zu verteidigen. Es ist untragbar, dass fast eine Million Leute in Israel ihr Leben seit sieben oder zehn Jahren nicht nach dem gregorianischen Kalender führen dürfen, sondern nach dem Hamas-Kalender. Wenn jemand Lust hat, die Israelis anzugreifen mit Raketen, dann greift man an und man greift Zivilisten an. Das werden wir nicht mehr dulden.

    Armbrüster: Herr Botschafter, haben Sie den Eindruck, dass Ban Ki-moon das auch so versteht?

    Hadas-Handelsman: Schauen Sie, ich habe diese Berichte über diese Sondersitzung im Sicherheitsrat gehört. Die haben alle sich geäußert, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen, dass israelische Zivilisten wie deutsche Zivilisten oder amerikanische Zivilisten oder auch palästinensische Zivilisten nicht in der Lage sein sollen, diese Raketen auf den Kopf tagtäglich zu bekommen.

    Armbrüster: Herr Botschafter, kann die israelische Armee einen Krieg gegen die Hamas gewinnen?

    Hadas-Handelsman: Schauen Sie, es handelt sich nicht jetzt um einen Krieg mit Hamas und ob man diesen Krieg entweder gewinnen kann oder nicht. Meiner Meinung nach ist die Antwort "Ja". Es handelt sich um etwas sehr Grundsätzliches und einfaches, dass die israelischen Leute ihr ganz normales Leben auf einem normalen Weg führen können. Wenn das geht, dann wird es ruhig und stabil in der ganzen Gegend sein. Aber wenn es nicht so geht, dann werden wir uns und unsere Leute verteidigen. Das ist unsere Pflicht. Es ist nicht nur unser Recht, aber mehr als Recht ist das unsere Pflicht. Und wir reagieren! Das heißt, es ist nicht so, dass Israel morgens Früh die Entscheidung getroffen hat, Hamas anzugreifen. Wir reagieren. Schauen Sie, seit fast einer Woche wurden mehrere Raketen, mehr als 200 Raketen, auf Israel abgeschossen. Ist das duldbar? – Nein!

    Armbrüster: Viele Menschen haben jetzt den Eindruck, dass sich da eher eine Spirale dreht, eine Spirale der Gewalt, dass sich sozusagen alles immer wiederholt. Der letzte israelische Großangriff auf den Gaza-Streifen liegt ja gerade mal vier Jahre zurück und eigentlich hat sich danach nicht viel geändert. Die Hamas ist nach wie vor schlagkräftig. Deshalb noch mal die Frage: Kann die israelische Armee einen Krieg gegen die Hamas tatsächlich gewinnen, oder ist die Hamas, diese doch Armee, die ja keine richtige Armee ist, eigentlich kein schlagbarer Gegner?

    Hadas-Handelsman: Schauen Sie, etwas hat sich geändert seit vier Jahren. Seit zwei Jahren oder mehr als zwei Jahren gab es kaum Raketen aus Gaza, weil die Hamas diese Lehre ganz gut erfasst hat. Heutzutage haben sie eine Idee, dass vielleicht Israel mit anderen Dingen sich beschäftigt und so weiter, und deswegen versuchen sie es. Es ist sehr klar: Diese Abschreckungspolitik wird erneut eingesetzt werden. Und wie gesagt, es geht um diese Pflicht, die israelischen Staatsbürger zu verteidigen, damit sie ihr normales Leben führen können wie in Deutschland, wie in Amerika, wie in Großbritannien, wie in der ganzen Welt eigentlich.

    Armbrüster: Herr Botschafter, was hat die israelische Regierung in den vergangenen Jahren getan, um die Situation der Palästinenser im Gaza-Streifen zu verbessern?

    Hadas-Handelsman: Schauen Sie, seit sieben Jahren sind wir nicht mehr in Gaza. Okay? Wir haben uns einseitig zurückgezogen, beispiellos, um den Palästinensern die Chance zu geben, etwas Neues zu schaffen, anzufangen, ohne dass die Israelis dort sind.

    Armbrüster: Aber Sie riegeln den Gaza-Streifen nach wie vor ab?

    Hadas-Handelsman: Nein, überhaupt nicht! Heutzutage fast alles, was die Palästinenser brauchen, kommt herein durch Israel. Und außerdem: Seit fast zwei Jahren gibt es eine Revolution in Ägypten und heutzutage ist der der Rafah Crossing Point geöffnet und der befindet sich zwischen Hamas und Ägypten und wir haben damit nichts zu tun. Also was die Palästinenser brauchen, können sie haben, und das, was wir nicht erlauben, das ist sehr wenig. Dann können sie das erreichen durch Ägypten. Also gibt es schon keine Belagerung.

    Armbrüster: Also es soll sich alles abspielen über den Grenzübergang in Rafah?

    Hadas-Handelsman: Ja, das kann schon sein. Es passiert schon! Und bitte: Wir sollten diese Tatsachen ein bisschen klarstellen. Okay? Die Belagerung ist ein Ergebnis oder war ein Ergebnis dieser Raketenangriffe auf Israel und nicht umgekehrt.

    Armbrüster: Herr Botschafter, viele Menschen haben jetzt den Eindruck, dass diese Belagerung sozusagen ein Dauerzustand ist und dass keine von beiden Seiten, nicht die israelische und auch nicht die Hamas, irgendein Zugeständnis macht, irgendeinen Schritt in Richtung Frieden. Was könnte Israel denn tun, um diese Spirale der Gewalt zu durchbrechen?

    Hadas-Handelsman: Schauen Sie, Belagerung gibt es nicht, so wie gesagt, und Sie müssen nicht mir glauben, fragen Sie die UNO. Der Generalsekretär hat sich darüber geäußert. Um diese Spirale zu beenden, das ist sehr einfach: Ruhe, Ruhe gegen Ruhe. Okay? Die israelische Regierung hat in den letzten vier Jahren tagtäglich gerufen, diese Friedensverhandlungen zu erneuern. Okay? Die Palästinenser haben eine Bedingung nach der anderen gestellt, alles getan, um diese Verhandlungen zu vermeiden. Schauen Sie, wir sind bereit, heute, morgen, übermorgen die Friedensverhandlungen zu erneuern, aber das ist nur ein Teil dieses Problems, weil auch wenn wir das machen, dann stellt sich die Frage, was wird mit Gaza. Herrscht Abu Masen über das, was in Gaza passiert, obwohl seine Gebeine dort nicht niedergelegt wurden in den letzten fünf Jahren? Also es ist kompliziert, aber eines muss klar sein, oder zwei Dinge müssen klar sein. Wir sind bereit, mit der palästinensischen Autonomiebehörde Friedensverhandlungen zu erneuern. Und zweitens: Wenn die israelische Bevölkerung im Südwesten Israels ihr Leben nicht normalerweise führen kann, dann wird keine Ruhe sein.

    Armbrüster: ... , sagt der israelische Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman. Besten Dank, Herr Botschafter, für dieses Gespräch heute Morgen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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