Guckeisen: Ist das denn im Uni-Alltag zu spüren?
Saalfeld: Auf jeden Fall. Wir haben völlig überfüllte Seminare. Viele Studierende schaffen nicht einmal rechtzeitig ihre Scheine, und zum Vordiplom müssen eben irgendwann alle Scheine da sein, sonst wird auch das Bafög nicht weiterbezahlt. Wir haben völlig überlastete Praktika, also auch nicht das, was die Landesregierung die ganze Zeit über ihre Denkfabrik in die Welt setzt.
Guckeisen: Weniger Geld für Personal und Sachmittel, Sie haben es angedeutet, das trifft ja auch den Lehrkörper. Wird der Protest denn von den Professoren mitgetragen?
Saalfeld: Ich denke, es werden heute in Jena auch Professoren dabei sein. Wer aber auf jeden Fall dabei sein wird, das sind die wissenschaftlichen Mitarbeiter, die ja im Endeffekt auch zur Lehre beitragen. Die Personalräte haben mit uns aufgerufen, sind also auch alle dabei. Denn gerade sie sind betroffen: Die Haushaltssperre kürzt auch noch mal den Personalkostenbereich um ein Prozent. Vom letzten Nachtragshaushalt wurden auch schon drei Prozent gekürzt. Auch die Personalräte werden vor Ort sein, denn das geht ihnen so langsam regelrecht auf den Geist.
Guckeisen: Die Aktionen in Jena fangen heute Nachmittag erst an, deshalb sagen Sie 'werden wohl kommen'. Läuft in den anderen beiden Universitätsstädten schon etwas?
Saalfeld: In Weimar sind etwa 100 Studierende den ganzen Tag unterwegs. Das ist also keine klassische Demonstration. Sie laufen quer durch Weimar, sprechen sämtliche Leute, die sie treffen, an und erklären ihnen die Lage. Das ist ja auch unser Hauptziel: die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, zu sagen: Unsere Bildung, unsere Denkfabrik, läuft nicht mehr so, wie sie von der Landesregierung angepriesen wird. Das in Weimar wird noch den ganzen Tag laufen. In Ilmenau läuft gerade etwas, wir haben aber keine Informationen, wie viele da mitmachen.
Guckeisen: Wie ist denn die Resonanz und Stimmung bei den Studierenden, haben Sie das Gefühl, dass Sie da ankommen und dass die auch mitziehen?
Saalfeld: Auf jeden Fall, das haben wir heute gesehen. Wir sind mit dem Megaphon durch die Mensen gegangen und haben gesagt, dass heute Demo ist. Nach jeder Ansprache haben die Leute auf die Tische geklopft.
Guckeisen: Sind unter den Aktionen, die jetzt angelaufen sind, auch spektakuläre Aktionen, wo man aufmerksam wird? Hier in Nordrhein-Westfalen war man ja sehr kreativ beim Protest gegen Studiengebühren.
Saalfeld: In Weimar laufen die Studierenden mit einer Schablone herum und haben Textilsprays, die mit den Schablonen auf die Hemden von Passanten und Studenten Sprüche sprühen wie 'Denkfabrik abgebrannt', 'Bildung jetzt 20 Prozent teurer', 'Man spart sich unsere Bildung' und so weiter. Es wird vorher selbstverständlich gefragt, wer das will, doch da haben erstaunlicherweise sehr viele Leute mitgemacht, das hätte ich nicht gedacht.
Guckeisen: In Nordrhein-Westfalen, das habe ich eben gesagt, war man sehr kreativ. Gestern allerdings haben die Studierenden auch für Negativschlagzeilen gesorgt: Da hat man aus Protest gegen die geplanten Studiengebühren den Landtag besetzt, also die Bannmeile verletzt. Was sagen Sie zu solchen Protestformen?
Saalfeld: In Nordrhein-Westfalen, das muss man sagen, ist die Lage viel zugespitzter als in Thüringen. Da steht diese Verwaltungskostenpauschale vor der Tür oder eher schon dahinter. So aggressiv wird das in Thüringen nicht sein. Ich muss sagen, ich kann die Studierenden verstehen, denn da ist einiges schief gegangen. Die Intention dieser Studiengebühren beziehungsweise dieser Verwaltungskostenpauschale, die dort erhoben werden soll, ist eigentlich nicht zu erklären. Verständnis einerseits, aber andererseits muss man auch überlegen inwieweit man die rechtlichen Grenzen einhält oder nicht.
Guckeisen: Heute Protesttag in Thüringen, aber morgen gilt die Haushaltssperre deswegen trotzdem noch. Haben Sie weitere Aktionen geplant?
Saalfeld: Momentan haben wir in den Thüringer Landtag eine Petition eingereicht, darauf muss man uns antworten und dann werden über die vorlesungsfreie Zeit - Ilmenau hat das schon einmal vorgegeben - Plakate geklebt, um die Öffentlichkeit noch einmal anzusprechen, denn es gilt vor allem auch der normalen Bevölkerung zu zeigen, dass in die Bildung investiert werden muss. Diese Haushaltssperre ist aus dem einfachen Grund erlassen worden: um Geld zu sparen. Ich sage ganz deutlich, indem man bei der Bildung Gelder streicht, spart man ja kein Geld. Das kann man auch mal hochrechnen: Wenn man zwei Semester Studiendauerverlängerung hat, kostet das Geld. Man bindet die Studierenden an die Hochschulen, und nimmt Studienplätze weg, im Übrigen stehen 23.000 Studienplätze flächenbezogen 43.000 Studierenden gegenüber. Und wenn die Studierenden nicht aus der Uni kommen, hat man in der Wirtschaft Steuerausfälle.
Guckeisen: Und auf all das werden Sie heute aufmerksam machen. In Thüringen demonstrieren Studierende, Hochschulmitarbeiter und Gewerkschafter gegen die Bildungspolitik des Landes.