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Ist die Frauenbewegung museumsreif?

Frauenmuseen gibt es, seit die feministische Bewegung sich etabliert hat. So hat seit 27 Jahren Bonn ein Frauenmuseum, das 1997 in einer Ausstellung mit dem Titel "Ruhm" Auskunft darüber gab, wie viele Werke von Frauen die nordrhein-westfälischen Museen angeschafft hatten - mit teils erschütternden Einblicken in die Ankaufspolitik der Museen. Das erste Museum für feministische Kunst hat sich nun aber in Brooklyn gegründet.

Von Sacha Verna |
    Maura Reilly rattert die Statistiken herunter wie ein Kellner das Tagesmenü: In New Yorks Galerienviertel Chelsea seien achtmal mehr Einzelausstellungen von Männern zu sehen als Einzelausstellungen von Frauen. Nur vier Prozent der ausgestellten Sammlungsobjekte im Museum of Modern Art stammten von Frauen. Und eine Malerin wie Elizabeth Peyton verdiene gerade mal 18 Cent auf jeden Dollar, den ihr Kollege John Currin für seine Bilder kriege.

    Es sei ungeheuerlich.

    Maura Reilly ist die Kuratorin des ersten ausschließlich feministischer Kunst gewidmeten Museums der Vereinigten Staaten. Statistiken zur Illustration der Benachteiligung von Frauen in der Kunstwelt scheinen ein Hobby von ihr zu sein. Auf acht Seiten zitiert sie daraus in dem Essay, den sie für den Katalog zur Eröffnungsausstellung im vergangenen Mai verfasst hat. Die Schau trug den Titel "Global Feminisms" und versammelte über hundert Werke von zeitgenössischen Künstlerinnen aus fünfzig Ländern. Dass man darin auf Namen wie Ghada Amer, Tracey Moffatt, Tracey Emin und Pipilotti Rist stieß, überrascht nicht. Doch benötigen so bekannte Künstlerinnen wie diese heute wirklich noch ein eigenes Museum, um sich durchzusetzen? Maura Reilly:

    " Frauen werden solange einen besonderen Raum brauchen, um sich Gehör zu verschaffen, bis in der in der Kunstwelt Gleichberechtigung herrscht. "

    In "Global Feminisms" dominierten Photographie und Video die Ausstellungsräume, die wie einen heiligen Gral die raffiniert ausgeleuchtete begehbare Riesenvitrine umgeben, in der sich das Prunkstück des Sackler Centers befindet, Judy Chicagos legendäre Installation "Dinner Party", jenes zwischen 1974 und 1979 entstandene Tribut an 1038 mythische und historische Frauenfrauenfiguren, das zu einem zentralen Werk in der Geschichte der feministischen Kunst geworden ist: Drei lange zu einem Dreieck aufgestellte Tafeln, die mit kunstvoll bestickten Tischtüchern, glitzerndem Besteck und handgemachtem Porzellan für Damen von Sappho bis Virginia Woolf gedeckt sind. "Dinner Party" ist ein Augenschmaus, der in krassem Gegensatz steht zu den meisten Arbeiten von Judy Chicagos Nachfahrinnen, die mit Vorliebe auf Schockeffekte setzen, um die Aufmerksamkeit des Betrachters zu fesseln. Blut, Selbstkasteiung und generell unappetitliche Szenen sind Trumpf - als ließe sich dadurch kaschieren, dass es hierbei noch um denselben schwerfällige Symbolismus handelt, mit dem bereits Judy Chicago aufwartete. Statt Vulva-Reliefs auf Tellern, Brüste Verkleben vor laufender Kamera.

    Natürlich haben Kategorien wie "gut" und "schlecht", "schön" und "hässlich" im Bereich der Gegenwartskunst ohnehin längst ihre Gültigkeit verloren. Dennoch: Eine feministische Botschaft und weibliche Autorschaft verleihen einem Objekt nicht automatisch künstlerischen Wert. Feminismus ist eine Ideologie, eine Weltsicht, ein politisches Instrument, kein ästhetisches Programm. Ein Museum für feministische Kunst, das wie das Sackler Center eine Sammlung plant, muss also über klare Auswahlkriterien verfügen, wenn es nicht Mittelmass und Beliebigkeit riskieren will nach dem Motto "alles kommt rein, bloß feministisch muss es sein". Darauf hin angesprochen, wird Maura Reilly jedoch vage:

    " Was in die Sammlung aufgenommen werden wird, wird mein Auge bestimmen und meine Definition von Qualität. "

    Ihre Definition von Qualität mag sie allerdings nicht preisgeben.

    Die Ziele des Elizabeth A. Sackler Center for Feminist Art sind auch in anderer Hinsicht unklar, um nicht zu sagen fragwürdig. Durch das Beharren auf einem separaten Raum und durch die Dominanz von Inhalt und Botschaft, betont ein Museum wie dieses die Randstellung von feministischer Kunst, anstatt sie zu einem akzeptierten Teil des Kunstgeschehens insgesamt werden zu lassen. Es ist, als gälte es den eigenen Minderheiten- und Benachteiligtenstatus um jeden Preis zu bewahren.