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Ist die Integration von andersgläubigen Minderheiten gescheitert?

Ein ermordeter Regisseur, Schießereien zwischen Polizei und radikalen Islamisten, zwei Dutzend Brandanschläge auf katholische Schulen und auf Moscheen. Ist das, was wir in den Niederlanden sehen, der Anfang eines blutigen Kulturkampfes? Müssen wir damit rechnen, dass wir solche Hassausbrüche wie in Den Haag, Amsterdam oder Eindhoven künftig überall in Europa erleben? Was muss die Europäische Union tun, um die wachsenden Spannungen zwischen europäischen Bürgern und muslimischen Einwanderern abzubauen?

Von Alois Berger |
    Die bittere Wahrheit ist vermutlich, dass wir uns an solche hässlichen Bilder gewöhnen müssen. Die Wahrheit ist aber auch, dass es ähnliche Ausschreitungen immer gegeben hat. Wie war das doch, vor gut zwölf Jahren in Rostock, als ein durchgeknallter Mob Ausländerwohnungen anzündete und biedere Bürger Beifall klatschten? Ober in Südspanien, wo marokkanische Landarbeiter durch die Dörfer gejagt wurden? In den Vororten von Straßburg werden jedes Jahr zu Silvester Dutzende von Autos abgefackelt, von jungen Einwandererkindern, die sich von der französischen Gesellschaft ausgespuckt fühlen.

    So unterschiedlich die Übergriffe sind, sie haben allesamt damit zu tun, dass die Integration von Ausländern schief gelaufen ist. Nur: Wie sieht eine gelungene Integration aus - und gibt es die überhaupt?
    Die Vorfälle, gerade die jüngsten in den Niederlanden, machen Angst. Kein Wunder, dass jetzt erst mal wieder viele "Ausländer raus" denken. Aber eine offene Gesellschaft wie die unsere hat diese Option gar nicht: Wer die Grenzen zumacht, sperrt sich selbst ein.
    Deshalb führt kein Weg daran vorbei, die Integration der Zuwanderer zu verbessern. Integration, das hört sich genauso schwammig an wie es ist. Es gibt kein Idealrezept und keinen Königsweg. Integration ist ein mühsamer Prozess mit vielen kleinen Schritten und vielen Rückschlägen - aber ohne Alternative.

    Die EU-Kommission hat jetzt ein Handbuch herausgegeben, in dem sie praktische Beispiele von gelungener Integration auflistet, Beispiele aus den Mitgliedsländern. Schauen, was die Nachbarn machen und daraus zu lernen, das ist nie schlecht. Weniger gut ist die Idee des Justizkommissars, daraus die Forderung nach einer europäischen Integrationspolitik abzuleiten. Eine europäische Asylpolitik, das macht Sinn, auch eine europäische Einwanderungspolitik, und bei der Verfolgung von islamistischen Terroristen arbeitet Europa ohnehin zusammen. Aber eine europäische Integrationspolitik ist nicht sinnvoll.

    Denn die Probleme in Frankreich zum Beispiel sind nicht dieselben wie die in Italien, in den Niederlanden oder in Deutschland. Die unsäglich tristen Vorstadt-Ghettos von Paris oder Lyon sind mit unseren Ausländervierteln wirklich nicht zu vergleichen. Doch dass Ausländerkinder wie in Deutschland mit sechs Jahren in die Schule kommen, ohne die Landessprache zu beherrschen, das wiederum ist in Frankreich unvorstellbar. Das ist ein typisch deutsches Problem, es fehlen Kindergartenplätze und die Gebühren sind zu hoch.
    Die Brandbomben in den Niederlanden dagegen haben viel damit zu tun, dass die schwelenden Konflikte dort allzu lange totgeschwiegen wurden. Allein in den letzten 12 Monaten wurden in den Niederlanden genau 108 Fußballspiele wegen rassistischer Ausschreitungen der Zuschauer abgebrochen. Trotzdem halten die meisten Niederländer ihre Gesellschaft für besonders tolerant.

    Es gibt Probleme, die kann die EU besser lösen als die Nationalstaaten. Die Eingliederung von Zuwanderern gehört nicht dazu. Da sollte die Europäische Union erst gar nicht so tun, als könnte sie das den Mitgliedsländern abnehmen.