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Ist die Zeit wirklich noch nicht reif?

    Die Szenen muten an wie im Kasperle-Theater. Vorgeführt wird ein Streit, wie er für die Augen von Kinder nicht komischer sein könnte: "Er spricht!" "Nein, er spricht nicht!" Doch weit gefehlt, nicht auf der Bühne, sondern an der Universität Rostock fand das Hin und Her um das ehemalige SED-Politbüro-Mitglied Werner Eberlein statt. Der Rektor der Hochschule, Professor Günther Wildenhain, wollte sich nicht von seiner Entscheidung abbringen lassen, eine Gesprächsrunde mit Eberlein in den Räumen der Universität zu verbieten. Eingeladen hatte das Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer deutscher Diktatoren. Das schloss nach der Entscheidung des Rektors nicht aus, die freie wissenschaftliche Auseinandersetzung notfalls mit einer Einstweiligen Verfügung zu erwirken. Keine wissenschaftliche Auseinandersetzung werde behindert, sondern es sei einfach unzumutbar, einem ehemaligen Politbüro-Mitglied ein öffentliches Forum an der Universität zu bieten, so die Widerrede des Rektors.

    Nach Auffassung von Rektor Günther Wildenhain sei die Zeit für solche Veranstaltungen einfach noch nicht reif. Die Veranstalter wiederum betonen, dass ihnen die Sensibilität des Themas durchaus bewusst sei. Deshalb sei der Vortrag Eberleins auch als eine Einführung vom Thema "Täter und Opfer" gedacht. Der Leiter des Dokumentationszentrums, Professor Werner Müller: "Ich muss Diktaturen aufarbeiten, ich muss die Mechanismen von Verfolgung und Unterdrückung ergründen. Ich muss diese Verhältnisse erklären und das kann ich nicht nur aus der einen Sicht der Opfer". Gerade auch in der Biographie Eberleins spiegeln sich beide Aspekte wieder. Nach Meinung des Dokumentationszentrums sei Eberlein zwar zweifelsfrei den Tätern in der DDR zuzurechnen. Eingeladen sei er aber, weil seine Familie auch Opfer war. Sein Vater Hugo Eberlein hatte 1918 die KPD mitgegründet und wurde später Opfer der stalinistischen Säuberungen. Er starb 1944 in einem Lager. Nach langem Hin und Her wurde jetzt doch ein Kompromiss zwischen den Streithähnen erreicht. Die Veranstaltung findet statt, aber uniintern. Ein Uni-Sprecher gab bekannt: "Es handelt sich um eine rein wissenschaftliche Runde, ohne Gäste, Presse und Signierstunde".

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    Von Werner Eberlein ist im Verlag Neues Berlin seine Autobiographie Geboren am 9. November erschienen

    Universität Rostock