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Ist für die Welt gut, was für Amerika gut ist?

Wissenschaftler definieren den Begriff Anti-Amerikanismus professionell und das heißt leidenschaftslos. Anti-Amerikanismus meint danach Haltungen, Einstellungen und Bewegungen, die sich gegen das richten, was als "typisch amerikanisch" definiert oder empfunden wird. Zielscheibe des Anti-Amerikanismus sind das politische, wirtschaftliche gesellschaftliche und kulturelle Verhalten der Vereinigten Staaten gegenüber anderen Kulturen, Ländern und Völkern.

Sten Martenson |
    In der Lebenswirklichkeit kommt man mit dieser starren Begriffsbestimmung allerdings nicht weiter. Pro und Contra, Lob und Kritik überschneiden sich. Gefühle und Stimmungen streiten mit kühler Rationalität:

    Die erste Schokolade nach dem Weltkrieg bekam ich von einem amerikanischen Soldaten. Dann kamen die Bikinis und Petticoats, vorher noch die Schulspeisung. Positive Gefühle hatte ich für Amerika. Ja, die Amerikaner waren für mich sympathisch und ich habe sie als Freunde empfunden. Allerdings mit der Politik der Amerikaner bin ich nicht immer einverstanden. Vietnam kann ich nicht vergessen und auch die Hintergründe in Afghanistan , bei den Kriegen in den letzten Jahren.


    Amerika ist für mich ein Urlaubsland in erster Linie, was auch auf meinen Freundeskreis zutrifft.



    Was mich an Amerika stört, ist dieser übersteigerte Patriotismus. Was eigentlich für mich schon in die Richtung Nationalismus geht. Das ist das, was wir hier gar nicht kennen, in meiner Altersgruppe schon gar nicht. Womit wir auch sehr gut klarkommen.


    Auch ich konsumiere amerikanisches Kulturgut in Form von Filmen und Musik zum Beispiel. Was aber nicht heißt, dass ich ein uneingeschränkter Fan von amerikanischen Verhaltensweisen bin. Also zum Beispiel mit Fastfood kann auch ich relativ wenig anfangen. Mit der Politik habe ich auch meine Probleme.

    Wenn der Kabarettist Mathias Deutschmann sich über die Unbedarftheit des amerikanischen Präsidenten scharfzüngig lustig macht, dann klopft sich das Publikum vor Vergnügen auf die Schenkel. Das von Deutschmann unter den Zuhörern ausgeguckte so genannte Komitee gegen antiamerikanische Umtriebe erhebt keine Einwände. Kein Schock kann so tief sitzen, kein solidarisches Mitgefühl so weit gehen, als dass nicht der Spott über die säbelrasselnde Provinzialität des mächtigsten Mannes Amerikas hämische Lacher auslöst. Politiker wie der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Karl Lamers können in Zeiten "uneingeschränkter Solidarität" mit den Vereinigten Staaten ein solches Verhalten normaler Bürger natürlich nicht billigen:

    Ich kann es erklären, aber ich kann es nicht verzeihen gewissermaßen, entschuldigen. Weil in jedem Falle solche Äußerungen dumm sind.


    Aber Lamers quält sich mit seinem Urteil. Wie viele andere Menschen in diesen Monaten nach dem 11.September auch. Wonach verlangt denn uneingeschränkte Solidarität, wie sie der Bundeskanzler ausgerufen hat ? Ist es ganz und gar unmöglich, an den Vereinigten Staaten Kritik zu üben? Ist alles, was sich nicht nach Verständnis und Mitgefühl, nach Lob und Bewunderung anhört, sogleich verachtenswerter Antiamerikanismus? Günter Grass spricht vom "Schlagetotwort Antiamerikanismus". Und die grüne Bundestagsabgeordnete Katrin Göring-Eckardt, deren Zuneigung für das Land und seine Menschen über jeden Zweifel erhaben zu sein scheint, fühlt sich in einer ärgerlichen Zwickmühle:

    Dass das Wort von der uneingeschränkten Solidarität nicht Kadavergehorsam heißt, dass das Wort von der uneingeschränkten Solidarität heißt, dass man immer noch selber denkt, noch selber Fragen stellt, wichtige Fragen stellt. Das ist in Deutschland sehr , sehr schwer zu kommunizieren.

    Die Fähigkeit oder vielleicht auch nur die Bereitschaft zu differenzieren ist unterentwickelt. Antiamerikanismus ist ein Kampfbegriff. Seit dem 11. September mehr denn je. Kampfbegriffe verzichten auf jede fein ziselierte Ausgestaltung. Sie sind plump und grobschlächtig. Man muss es sich ja bewusst machen: Im Zusammenhang mit keinem anderen Land auf dieser Erde wird mit der Vorsilbe "Anti" eine distanzierte oder bisweilen sogar feindselige Grundhaltung umschrieben. Wen kann es also verwundern, dass der Begriff des Antiamerikanismus wie früher vielleicht nur noch der "Antikommunismus" als Etikett taugt, das allem politisch oder emotional Missliebigem aufgeklebt wird.

    Es gibt ihn natürlich, den dumpfen, den muffigen Antiamerikanismus. Und nicht nur in Deutschland. Hierzulande mag er mehr auffallen, weil die Deutschen den Amerikanern doch dankbar sein sollten, weil sie ihnen geholfen haben, wie Phönix aus dem Schutt des Zweiten Weltkrieges aufzustehen. Christoph Bertram, Chef der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, bekräftigt:

    Natürlich gibt es diesen wohlfeilen europäischen Antiamerikanismus, der nun durch die Bush-Administration auch noch verstärkt worden ist. Denn der Präsident passte doch sehr schön in die Karikatur hinein, wenigstens mit seinen frühen Andeutungen und Erklärungen. Wir neigen dazu, was es bei den Europäern schon immer gegeben hat, einer völlig unberechtigten kulturellen Hoffart anzuhängen. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass es bei vielen in Europa, unter den gebildeten Ständen, das Gefühl gibt, wir werden hier zugemüllt mit allen möglichem Fernsehzeugs, das in Amerika produziert wird.

    Das löst Ressentiments aus. Sie schlagen sich in hochnäsigen Kommentaren über amerikanische Lebensweisen nieder. In deutschen Zeitschriften werden Ikonen amerikanischer Lebensart wie etwa Donald Trump in Interviews vorgeführt. Die Leser der "Süddeutschen Zeitung" dürfen sich an erschreckend ahnungslosen Fragen weiden, mit denen deutsche Austauschschüler in Amerika konfrontiert werden: "Gibt es bei Euch Berge und Bäume? Ist Hitler immer noch euer Präsident ? Gibt es Probleme am deutsch-chinesischen Grenzübergang ?".

    Die Amerikaner ernten allenthalben moralisches Unverständnis, weil sie nicht von der Todesstrafe lassen wollen. Ihre hemmungslose Liebe zu Handfeuerwaffen kann durch keine noch so entsetzliche Schießorgie in öffentlichen Schulen nachhaltig enttäuscht werden. Amerikaner gelten als spießig, als anfällig für religiösen Fundamentalismus, als oberflächlich.

    Das alles umschreibt den dumpfen Antiamerikanismus, der als Bodensatz immer existiert, in politischen Krisenzeiten dann auch noch Beistand von einem massiven politischen Antiamerikanismus erhält. Karsten Voigt, einstmals Chef der Jungsozialisten, ist im Auswärtigen Amt zuständig für das deutsch-amerikanische Verhältnis. Er zeichnet die Entwicklungsgeschichte dieser bilateralen Beziehungen nach, die immer mehr waren als nur Beziehungen zwischen zwei Staaten:

    Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Ost-West-Konflikt in starkem Masse die Diskussion über Amerika geprägt. Die Kommunisten waren natürlich antiamerikanisch. Die deutsche Rechte hatte kulturelle und zivilisatorische Vorbehalte gegenüber den Amerikanern , sie war aber politisch aus Sorge vor dem Bolschewismus proamerikanisch. Aber es gab auch viele Leute auf der gemäßigten Rechten und auf der gemäßigten Linken, wie Brandt, aber auch in Teilen der CDU, die waren politisch und kulturell eher auf Amerika orientiert. Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre war die Lage etwas anders. Da gab es immer noch die alten rechten Vorurteile kulturell gegenüber den Amerikanern. Aber dann kam die junge Linke, die politisch gegen die Amerikaner war, aber die im kulturellen Bereich von den Amerikanern geprägt war.

    Dieses Wechselspiel ist Geschichte. Karsten Voigt:

    Heute haben wir eine Situation, wo die damals junge Linke ihre politischen Vorbehalte gegenüber den USA sozusagen revidiert hat, so dass sie heute nicht nur kulturell, sondern auch politisch pro-amerikanisch ist und wo die alte Rechte nicht mehr existiert und wo die Rechte, die früher schon politisch immer proamerikanisch war auch ihre kulturellen Vorbehalte weitgehend aufgegeben hat.

    Voigts Analyse wirkt schlüssig, und dennoch ist sie unbefriedigend: Das Problem des Antiamerikanismus in Deutschland ist komplexer. Der Blick zurück hilft nur begrenzt weiter, weil sich Vorurteile jenseits kluger Analysen über die Generationsgrenzen hinweg in die Gegenwart gerettet haben. Und: In das Urteil über den Ist-Zustand des Amerikabildes in Deutschland muss auch die Tatsache der jahrzehntelangen Trennung des Landes einbezogen werden. In der DDR sind die Jugendlichen mit zwei Amerikabildern aufgewachsen. Katrin Göring -Eckardt erinnert sich:

    Das eine war so das offizielle, was ich in der Schule gelernt habe. Da war Amerika immer so der Inbegriff des Kapitalismus , des Imperialismus eigentlich. Da war Amerika immer die Inkarnation von allem möglichen, was es durch den Sozialismus zu verhindern galt. Amerika war verantwortlich für Kriege in der Welt, Amerika war verantwortlich für Ungerechtigkeit. Auf der anderen Seite war Amerika für mich immer das, wo ich nie hinkommen würde. Nach Amerika zu kommen konnte man sich nicht vorstellen, selbst wenn man nach Westdeutschland könnte, ja nie Geld haben würde das Flugticket zu bezahlen.

    Den älteren Ostdeutschen fehlen die Erfahrungen der westdeutschen Generation, die auf die Strasse gezogen war, weil sie mit Amerikas militärischem Engagement in Vietnam ebenso wenig einverstanden war wie mit der Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen zu Beginn der achtziger Jahre. Die junge ostdeutsche Abgeordnete versteht, dass solche Erfahrungen nicht einfach abgestreift werden können und dass sie mit vielen politischen Mitstreitern aus dieser Zeit nun in ein und derselben Partei agiert. In ihr wirkt aber nach, was sie einfach fühlte, als sie vor drei Jahren das erste Mal in New York amerikanischen Boden betrat:

    Da bin ich angekommen am Flughafen. Da war noch alles normal. Und bin dann in die Stadt gekommen, ausgestiegen aus dem Auto und hab dann gedacht: So, hier bist du jetzt richtig. Das ist die Stadt , die dir gefällt.

    New York aber ist nicht Amerika. Und auch Washington ist es nicht, wenngleich dort die Politik projektiert wird, die Amerika eben nicht nur zu Freunden in der Welt verholfen hat. Diese Politik zu kritisieren ist legitim. Wer solche Kritik mit dem Schlagwort Antiamerikanismus belegt, handelt entweder böswillig oder hat ein absurdes Verständnis von Partnerschaft.

    Es ist intellektuell unredlich, Nicht-Amerikanern wegen kritischer Anmerkungen Antiamerikanismus vorzuwerfen, obgleich Amerikaner sie völlig unbefangen aussprechen. Das gilt jederzeit, auch wenn man der Meinung sein kann, dass es Momente gibt, in denen solche Kritik von verantwortlichen Politikern nicht auf offenem Markte vorgetragen werden sollte. Jacob Heilbrunn, Kolumnist der "Los Angeles Times", hielt seinem Land schon vor dem 11.September den Spiegel vor:

    Ob es um das Verbot von Landminen geht, den Internationalen Gerichtshof, die Weltklimakonferenz - Amerika geht mit Hochmut über diese Initiativen hinweg. Das größte Problem aber ist möglicherweise, dass Bushs Desinteresse an der Außenpolitik ein Ausdruck der öffentlichen Meinung ist. Globale Erwärmung ? Wen interessiert das schon. Je schlimmer alles wird, desto mehr geben sich die Amerikaner dem Konsum hin, suhlen sich in ihrer intellektuellen und moralischen Liederlichkeit.

    Starke Worte, die ein deutscher Kolumnist wohl kaum ungerügt zu Papier hätte bringen können. Ist Heilbrunn also Antiamerikaner ? Der langjährige Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Washington, Jürgen Chrobog, jetzt Staatsekretär des Auswärtigen Amtes, ahnt nach sechs Jahren Aufenthalt in den USA, woran es krankt:

    Ich glaube es fehlt manchmal am gegenseitigen Verständnis für unterschiedliche gesellschaftliche, historische Entwicklungen in beiden Ländern . Wir müssen einfach lernen, dass sich Dinge anders entwickelt haben in unseren Gesellschaften .Jede Seite muss eben die Haltung des anderen Staates, der anderen Gesellschaft auch tolerieren und man muss darüber reden und darf sich nicht verurteilen.

    Kein Zweifel: Es hapert sowohl an der Toleranz als auch an der Einsicht, offen darüber reden zu müssen. Immer wieder hat es im deutsch-amerikanischen Verhältnis zu viel Rücksichtnahme gegeben. Vorwiegend in einer Richtung, weil es aus deutscher Perspektive stets politische Situationen gab, die es nicht opportun erscheinen ließen, mit erhobenem Zeigefinger und wohlfeilem Rat aufzubegehren. Und schon wieder kann man zweifeln, ob es nun nach dem 11.September richtig ist, die Amerikaner gönnerhaft an die Hand nehmen zu wollen, wie Karl Lamers es fordert:

    Was wir jetzt tun müssen - und zwar in unserem Interesse tun müssen -, ist zu versuchen, den Amerikanern zu helfen diese Erfahrung zu verarbeiten und die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

    Ein solcher Pflegeappell ist charakteristisch für die schwierigen deutsch-amerikanischen Beziehungen. Einerseits lässt sich aus solcher Bemerkung, die von vielen anderen Berliner Politikern ebenso hätte fallen können, eine gewisse Überheblichkeit heraushören nach der Devise: ihr seid zwar größer und stärker, wir aber erfahrener und politisch klüger. Lamers Kommentar verbirgt aber darüber hinaus nur unvollkommen das Eingeständnis, in der Vergangenheit gegenüber den amerikanischen Verbündeten in allzu gehorsamer Habt-Acht-Stellung verharrt zu haben. Es ist richtig, was Lamers konstatiert:

    Die Amerikaner denken, was gut ist für Amerika ist auch gut für die Welt. Sie sind ja ohne Zweifel die erfolgreichste Gesellschaft der Gegenwart, so dass es fast eine psychologisch zwangsläufige Haltung ist. Ihnen zu helfen, zu sehen, dass es nicht zwangsläufig so ist, dass die anderen es anders sehen, müsste beispielsweise eine europäische Aufgabe sein.

    Dieser Fehleinschätzung konnten die Vereinigten Staaten Jahrzehnte lang aufsitzen, weil es an Freunden fehlte, die den Mut und die Überzeugungskraft aufgebracht hätten, sie von dieser Haltung abzubringen. Karl Lamers kommt ins Grübeln:

    Sie haben ohnehin eine schwierige Mentalität, insofern, als sie groß und mächtig sind und auch geliebt werden möchten. Mir ist es ja sympathisch, dass sie geliebt werden möchten. Sie müssen sich aber fragen , wie viel Übermacht, wie viel Vormacht erträgt die Welt. Und es scheint so, als wenn es zu viel in den Augen der anderen Vormacht und Übermacht ist.


    Jedediah Purdy, ein junger amerikanischer Intellektueller, analysiert in der Zeitschrift "Berliner Republik" die Gefühle seiner Landsleute:

    Kritik an ihrer imperialen Macht kommt den Amerikanern unverständlich oder komisch vor. Voll naiver Ratlosigkeit weisen sie darauf hin, dass sich schließlich die ganze Welt nach amerikanischem Wohlstand sehne, nach amerikanischem Entertainment und amerikanischer Mode.

    Dieses Problem, Vormacht und Übermacht zu sein, hat sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts verschärft. Das hochgerüstete Gegenüber der Sowjetunion und ihrer Vasallen ist weggefallen. Weggefallen ist damit auch ein relativierender Korrektor für die amerikanische Außenpolitik. Europa mag auf dem Wege zu einer solchen Rolle sein, aber noch besitzt es nicht die Stärke, die den Amerikanern wirklich imponieren könnte. Lamers jedenfalls sieht noch erheblichen Nachholbedarf auf europäischer Seite. Staatssekretär Chrobog hingegen wertet die Situation zuversichtlicher:

    Ich glaube, die Amerikaner haben es inzwischen akzeptiert, dass sich Europa selbst findet und seine eigene Identität entwickelt. Das ist ja sehr eindeutig auch für die amerikanische Handels- und Wettbewerbspolitik, wo die Kommission der eigentliche Partner und ein sehr starker Partner und manchmal auch Konkurrent für die Amerikaner geworden ist. Es entwickelt sich aber auch in der Außen- und Sicherheitspolitik, dass Europa ein starker Spieler auf der politischen Weltbühne geworden ist.

    Wenn der Chefdiplomat aus dem Auswärtigen Amt zu diesem Befund kommt, so ist die Hoffnung vielleicht realistisch, dass die Supermacht in Zukunft mehr Sensibilität für das Denken und Fühlen der anderen entwickelt. Antiamerikanismus nährt sich aber keineswegs nur aus eigenen Erfahrungen. Er gedeiht auch mittelbar, wenn Europäer oder Deutsche über den Tellerrand ihres eigenen Kontinents hinausblicken. Alexander Gauland, Herausgeber der Märkischen Allgemeinen Zeitung, schreibt in der Zeitschrift "Berliner Republik":

    Während unsere Erfahrungen amerikanischen Freiheitswillen und amerikanische Glaubenstiefe umfassen, weil Amerika Fleisch von unserem Fleische ist, fehlt der islamischen Welt diese kulturelle special relationship mit Amerika.

    Aber eben nicht nur der islamischen Welt. In Washington getroffene politische Entscheidungen, an New Yorks Wallstreet inszenierte ökonomische Transaktionen stoßen oft auch in anderen Regionen auf Unverständnis. Gauland verklausuliert seine mahnenden Worte:

    Vielleicht sollten westliche Truppen nicht gerade unweit der Kasbah stationiert werden und Frauen in Uniform nicht gerade in traditionell islamischen Gesellschaften auftreten. Vielleicht sollten wir uns auch unsere Verbündeten künftig etwas genauer anschauen, besonders wenn sie aus einem anderen Kulturkreis stammen.

    Aber auch Antiamerikanismus in der unpolitisch dumpfen Version ist nicht unausrottbar. Denn wenn man genau hinschaut, so trägt die kulturelle Arroganz der Deutschen und der Europäer nicht weit. Die junge grüne Politikerin Katrin Göring-Eckardt erinnert sich, wie sie in DDR-Zeiten für die amerikanische Musik geschwärmt hat. Karl Lamers führt andere Beispiele an:

    Die beste Tradition der europäischen Universitäten wird heute leider in Amerika und nicht in Europa gelebt. Die amerikanische Literatur ist alles andere als eine Popliteratur.

    Das ist es also nicht, was für substantiellen Antiamerikanismus verantwortlich sein kann, was sogar Hass entstehen lassen könnte. Es sind die politischen Kreuzzüge, es sind die Hornhäute, die sich die Amerikaner großmächtig zugelegt haben, die Hornhäute, die sie unempfindlich machen für die Interessen, für die Gefühle und Nöte der übrigen Welt. Christoph Bertram :

    Wir haben andere Interessen. Wir haben eine andere Vorstellung von der Welt. Das scheint mir viel maßgeblicher zu sein. Und ich vermute, in dem Maße , in dem Amerika gerade immer noch meint, es könne ja allein handeln und müsse allein handeln, wird er auch zunehmen.