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Ist Ostseelachs ungenießbar?

Dänemark sprach im April ein Fangverbot für Ostsee-Lachs aus. Der Grund: Die Belastung mit Dioxin sei zu hoch. Nahe liegend wäre gewesen, dass auch Deutschland ein Fangverbot verfügt, findet Nadja Ziebarth, Biologin und Mitarbeiterin in der "Aktionskonferenz Nordsee". Doch die deutschen Behörden wiegelten ab.

Von Gudrun Fischer | 02.09.2004
    Da hieß es vom Bundesministerium für Umwelt, dass die deutsche Flotte in einer anderen Region fischen würden als die dänische, wobei Dänemark für die komplette Ostsee ein Fischfangverbot gemacht hat, also bezogen auf Lachs. Deutschland hat gesagt, sie würden mehr südlich von Bornholm fischen und dort wären die Lachswerte ok.

    Die EU hat 2001 festgesetzt, dass 4 Picogramm Dioxin pro Gramm frischen Lachs tolerierbar sind. Dr. Horst Karl von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, Forschungsbereich Fischqualität, zieht regelmäßig Fischproben aus der Ostsee. Der Chemiker hält das Fangverbot in Dänemark für richtig. Doch für Deutschland muss das nicht zwangsläufig auch gelten, denn in der Tat sei nur ein sehr geringer Teil des in Deutschland konsumierten Fischs aus der östliche Ostsee. Der größere Teil komme aus der nördlichen Hemisphäre und nach seinen Untersuchungsergebnissen läge die Dioxinbelastung beispielsweise von Zuchtlachs aus Norwegen nur bei einem Zehntel der tolerierbaren Menge Dioxin. Neben Dioxin gibt es andere Gifte, die bisher gar nicht untersucht werden, sagt Nadja Ziebart:

    Ende des Jahres wird es auf EU-Ebene noch einmal eine Diskussion um diese Grenzwerte geben, und da sollen die PCB mit reinkommen. Wenn die mit drin sind, würde bei jedem Fisch, der angelandet wird, der Grenzwert gesprengt werden. Das heißt, die EU muss, um Fisch überhaupt noch verkaufen zu können, diesen Grenzwert hoch setzen.

    PCB sind Polychlorierte Biphenyle, von denen es über 200 gibt. Zwölf davon wirken wie Dioxine. Die Folgen von Dioxin und ähnlichen Stoffen sind Krebs, Schädigung des Immunsystems und des Hormonhaushalts, neurologische Störungen oder Lebererkrankungen. Dioxine reichern sich in Milch, Fleisch, Eiern und Fischen an. Herman Kleemeyer ist Chemiker und Berater für Umweltschutzgruppen und beschäftigt sich mit der chemischen Belastung in Nahrungsmitteln aus dem Meer. Er beobachtet, was auf EU-Ebene gegen Dioxine und dioxinähnlich wirkende Substanzen unternommen wird.

    Der zukünftige Höchstwert wird im Moment stark diskutiert, man darf damit rechnen, dass der Höchstwert weiter raufgesetzt werden muss, es kann sein, dass er von 4 Picogramm pro Gramm Fisch auf 6 Picogramm pro Gramm Fisch erhöht wird. Die Belastung mit dioxinähnlichen PCBs ist aber meist ebenso hoch wie die der Dioxine selber, gelegentlich auch 3 oder 5 Mal so hoch. Ja, wenn man die Sachlage auf den Punkt bringt, ist die Belastung der Bevölkerung im Moment zu hoch und dieser Sachverhalt soll bis 2006 geändert werden und dazu müssen verschiedene Maßnahmen zur Emissionsminderung durchgeführt werden, zum Beispiel Emissionsnormen für Müllverbrennungsanlagen in einigen europäischen Ländern müssen eingehalten werden, das soll bis 2005 geschehen. PCB-haltige Produkte müssen verschärft eingesammelt werden und die Emissionen aus der Metallverarbeitung müssen reduziert werden.

    Dänemark habe mit seinem Alleingang ein gutes Beispiel abgegeben, so Ziebarth. Es sei bedauerlich, dass seit dem 1. Juli das dänische Lachsfangverbot nur noch eingeschränkt gelte: Lachse, die kleiner sind als 72 cm und weniger wiegen als 4,4 kg, dürfen wieder gefangen und exportiert werden, da davon ausgegangen wird, dass sie noch wenig Gifte angereichert haben. Lachse über 72 cm Länge müssen aber nicht ins Meer zurückgeworfen werden. Sie landen als Fischmehl in den Acquakulturen. Doch auch für Fischmehl gelten Grenzwerte. Um diese einzuhalten, werden belastete Fische mit unbelasteten gemischt.

    Das kann man mit Fisch machen, dass man von der südlichen Halbkugel, die noch nicht so verdreckt ist, vor Chile, oder wo auch immer, die Fische nimmt, und dann mischt, mit denen zum Beispiel aus der Ostsee, oder aus der Nordsee, bis man den richtigen Grenzwert hat, und dann kann man damit die Zuchtlachse füttern. Das alte Prinzip: irgendeine Substanz, die einen hohen Wert hat, mische ich so lange, bis ich unterhalb des Grenzwertes bin. Das ist rein chemisch gesehen erlaubt. Was ich daran extrem problematisch finde ist, dass wir unsere Umwelt hier so verdreckt haben, dass wir jetzt auf andere Regionen in dieser Welt, die noch nicht so verdreckt sind, zurückgreifen müssen, um unsere Werte dann runter zu mischen, bis wir mit unseren Grenzwerten klarkommen.