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Italien ist nicht Griechenland

Italien gilt vielerorts als nächster Kandidat für den Eurorettungsschirm. Regierungschef Mario Monti will davon nichts wissen. Er bleibt weiter optimistisch, dass sein Land auch ohne Finanzhilfen durch die Eurokrise kommt.

Von Kirstin Hausen | 15.06.2012
    Europa hat Angst, erklärt der Nachrichtensprecher, Angst vor einer Ausweitung der Krise auf Italien, vor einem Staatsbankrott in Rom, und mit "Europa" meint er ganz klar die anderen. Die Italiener selbst haben diese Angst nämlich nicht, oder wollen sie nicht zugeben.

    "Ich würde das nicht dramatisieren. Italien hat schon so manche kritische Momente überwunden und ist sogar gestärkt aus ihnen hervorgegangen."

    "Es bewegt sich doch was in unserem Land. Das gibt mir Vertrauen. Selbstmitleid und Resignation ändern die Situation ja auch nicht."

    Sind es Durchhalteparolen, verzweifelte Versuche, die Finanzmärkte zu beruhigen? Oder steht es um Italien gar nicht so schlecht, wie im Ausland befürchtet wird?

    "Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Italien ein hoch entwickeltes Industrieland ist, durchaus vergleichbar mit Deutschland. Wir liegen nicht so weit zurück, wie alle denken, und insofern ist meine Vision für die Zukunft auch nicht so dramatisch wie jetzt angenommen wird."

    Vergleiche Italiens mit Griechenland weisen die Italiener empört zurück. Und in der Tat sind die beiden Länder nicht miteinander zu vergleichen. Italien ist nach Deutschland und Frankreich drittstärkste Wirtschaftsnation in Europa, da bleibt auch Spanien weit abgeschlagen.

    Doch Italiens Wirtschaft steckt nicht erst seit der Eurokrise in der Flaute. Sie ist auch vorher schon deutlich weniger gewachsen als in den Nachbarländern, und das hätte der damaligen Regierung von Silvio Berlusconi zu denken geben müssen. Die Rechnung dafür müsse nun die Bevölkerung zahlen, mit höheren Steuern und weniger sozialen Leistungen, sagt der Ökonom Vincenzo Galasso.

    "Dem Land hat in den vergangenen zehn Jahren all das gefehlt, was die Regierung angekündigt hatte. Liberalisierungen, Steuersenkungen, die Berlusconi immer wieder versprochen, aber nie durchgesetzt hat. Jetzt ist dafür nicht der richtige Moment, aber langfristig sind sie dringend notwendig."

    Das weiß auch Ministerpräsident Mario Monti. Die Italiener stöhnen unter einer Steuerlast, die sowohl den Inlandskonsum als auch neue Investitionen drosselt und die Wirtschaft am Wachsen hindert.

    Die Angst vor dem "Kaputtsparen" macht auch in Italien die Runde. Monti wirbt in Brüssel und Berlin für ein europäisches Programm zum Ankurbeln der Wirtschaft und für eine Lockerung der Sparauflagen. Auf das aktuelle Zinsniveau angesprochen, gibt er sich betont entspannt. Monti sieht keinen Grund, Geld aus dem europäischen Rettungsprogramm zu beantragen und verweist auf die Kraftanstrengungen, die Italien seit seiner Regierungsübernahme im November 2011 unternommen hat. Die Staatsausgaben wurden gekürzt, die Neuverschuldung gedrosselt und Reformen verabschiedet, die Rentensystem und Arbeitsmarkt modernisieren sollen.

    "Wir müssen uns der Herausforderungen bewusst sein, die auf uns zukommen, aber auch sehen, was wir bereits geleistet haben. Wir als Regierung und wir als Land."

    Mario Monti ist als ehemaliger EU-Kommissar und Wirtschaftsprofessor in ganz Europa geschätzt und gilt als Garant für Schuldenabbau und seriöse Ausgabenpolitik in Italien. Er steht auch für politische Stabilität, zumindest bis zum Jahr 2013, wenn ein neues Parlament gewählt werden soll.

    Trotzdem sind die Zinsen auf italienische Staatsanleihen in den vergangenen Tagen wieder bedenklich angestiegen. Das kostet Italien Millionen und kann angesichts der angespannten Haushaltslage schnell problematisch werden. Monti hat kein finanzielles Polster, keinen Puffer, der den Druck hoher Zinsen auf die Staatskasse abfedert, und das macht Finanzexperten wie Manfredo Galli nervös. Galli und viele seiner Kollegen an der Mailänder Börse sind pessimistisch, was die Zukunft der Gemeinschaftswährung angeht.

    "Der Euro ist so gefährdet wie nie zuvor, die Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern sind zu groß."

    Und daran ändern auch Finanzhilfen aus den europäischen Rettungsfonds nichts. Die Frage, die zwischen Mailand und Palermo diskutiert wird, ist nicht die, ob auch Italien unter den Rettungsschirm muss, sondern die, ob der Euro überhaupt noch eine Zukunft hat.

    Liktipp:
    Ein ausführliches Interview mit Mario Monti können Sie unter in der Ortszeit bei Deutshlandradio Kultur nachhören.