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Italien
Matteo Renzi unter Erfolgsdruck

Italiens Ministerpräsident hatte eine umfassende Verfassungsreform angekündigt. Der erste Teil ist bereits beschlossen: Ein neues Wahlrecht soll im Parlament für klare Verhältnisse sorgen. Das wird allerdings nur vollständig mit der Neuordnung des Senats.

Von Tilmann Kleinjung |
    2640404 06/10/2015 Italian Prime Minister Matteo Renzi attending the National Day of Russia at Expo Milano 2015. Sergey Guneev/RIA Novosti
    Matteo Renzi, Italiens Ministerpräsident (picture alliance / dpa / Sergey Guneev)
    Matteo Renzi darf sich auf einen heißen Herbst vorbereiten. Der italienische Senat soll über eine Verfassungsreform abstimmen, die im Grunde auf die eigene Entmachtung hinausläuft. Renzi will das italienische Zwei-Kammer-System reformieren, das immer wieder den Politikbetrieb im Land lähmt. Aus dem Senat soll deshalb eine Art Bundesrat "light" werden mit entsandten Vertretern der Regionen. Gewählte Senatoren soll es nicht mehr geben. Der "Verschrotter" macht ernst:
    "Das Reformpaket, das wir durchsetzen wollen, von der Arbeitsmarkt- bis zur Verfassungsreform, ist nach 20 Jahren, in denen Italien auf Pause gestellt hatte, der Versuch, die verlorene Zeit aufzuholen."
    Doch dem Ministerpräsidenten läuft die Zeit davon. Die bereits eingeleiteten Reformen zeigen noch nicht die erhoffte Wirkung. Die Reform des Arbeitsrechts mit erleichterten Kündigungsmöglichkeiten und einem Rabatt auf Sozialbeiträge für Arbeitgeber ist noch nicht auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Im Sommer ist die Arbeitslosenquote erneut gewachsen. Die Wirtschaft dagegen wächst nicht wie erwartet. Im zweiten Quartal nur um 0,2 Prozentpunkte im Vergleich zum ersten. "Das ist kein Aufschwung", sagt der 41-jährige Roberto:
    "Ich habe immer links gewählt. Ich hätte - ehrlich gesagt - mehr Fakten, Konkreteres und weniger Geschwätz erwartet. Was er mit dem Kündigungsschutz gemacht hat, ist fürchterlich. Das, was Berlusconi nicht geschafft hat, macht jetzt er."
    Kritik ist für Renzi ein Ritterschlag
    Tatsächlich war Matteo Renzi immer wieder auf die Unterstützung der Berlusconi-Partei Forza Italia angewiesen - auch bei der Arbeitsmarktreform. Die Oppositionsparteien Lega Nord und 5 Sterne betreiben Fundamentalopposition. Deshalb findet Renzi seine gefährlichsten Gegner im eigenen Lager. Stefano Fassina, ein ausgewiesener Parteilinker, ist noch vor der Sommerpause aus der Partei ausgetreten. Begründung: Die Demokratische Partei ist nicht mehr sozial-demokratisch.
    "Bei zentralen Themen wie Arbeit, Demokratie, Schule handelt es sich um das Programm einer wirtschaftsliberalen Richtung. Das ist Fakt."
    Matteo Renzi wird solche Kritik eher als Ritterschlag empfinden. Er sieht sich in der Tradition der Sozialdemokraten Schröder und Blair und will das Land ohne ideologische Scheuklappen auf Vordermann bringen. Notfalls auch gegen Widerstände. Das unterscheidet ihn von seinen durchsetzungsschwachen Vorgängern. "Renzi ist ein notwendiges Übel", sagt Italiens bekanntester Schriftsteller Umberto Eco:
    "Renzi hat das Verdienst, für Beschleunigung gesorgt zu haben. Ob gute oder schlechte, er führt Reformen durch. Berlusconi hat 20 Jahre welche versprochen, aber nie welche durchgeführt."
    Macht Renzi den Tsipras?
    Eine wichtige - wenn nicht sogar die wichtigste Reform hat Renzi bereits durchgeführt: Ein neues Wahlrecht soll künftig für klare Verhältnisse im italienischen Parlament sorgen. Die Parte oder die Liste, die über 40 Prozent erhält, bekommt die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Schafft keine Listenverbindung diese Hürde, entscheidet eine Stichwahl.
    "Das Wahlgesetz, das wir verabschiedet haben, ist das erste Werkzeug, der erste Mosaikstein, um etwas ganz Banales sagen zu können: Wenn jemand an die Regierung kommt, ist es nicht seine Aufgabe, die Angriffe seiner Mehrheit oder der Opposition abzuwehren. Die Aufgabe ist es, die Dinge durchzusetzen, für die er gewählt wurde."
    Die Wahlrechtsreform wird allerdings nur vollständig mit der Neuordnung des Senats. Wenn ihm auch dieses Kunststück gelingt, halten es Beobachter für nicht ausgeschlossen, dass Renzi den Tsipras macht und Neuwahlen als Referendum über seine Reformpolitik anstrebt.