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Italien
Mit "Opti Poba" gegen Diskriminierung

In Süditalien macht ein Fußballklub aus Migranten von sich reden. Er hat sich den Namen "Opti Poba" gegeben, um eine rassistische Beleidigung durch den Verbandspräsidenten Carlo Tavecchio zu kontern.

Von Tom Mustroph | 16.11.2014
    Abends auf einem Sportplatz eines Hotels bei Potenza. Stimmen ertönen. Auf Englisch gibt der Trainer Francesco Giuzio Anweisungen. Englisch ist im italienischen Fußball eher unüblich. Giuzio aber ist der einzige Italiener auf dem Platz. Die Männer, die er trainiert, kommen aus Niger und Nigeria, Guinea und Senegal, Syrien und Bangladesh. Sie sind mit dem Schiff in Süditalien angekommen. Alle haben Entbehrungen hinter sich. Manche wurden gut empfangen. "Ja, wir kamen mit dem Boot an. Und alle umarmten uns, als wären wir ihre Kinder", erzählt Goodwill von seiner Ankunft in Taranto.
    Goodwill, der Mann mit dem optimistischen Namen, ist aus seiner Heimat Nigeria geflohen. Krieg, Not und der Wunsch sich das nötige Geld für den Aufbau einer Familie in Europa zu erarbeiten, haben ihn nach Italien getrieben. Seit Monaten steckt er mit etwa 120 anderen in einem Aufnahmelager.
    Die Männer haben wenig zu tun hier. "Wir gehen zur Schule. Danach gehen wir ins Internet, um mit unseren Freunden zu chatten. Und ich bin Muslim. Ich bete", erzählt Abdullateef, Nigerianer wie Goodwill.
    Neue Berufung gefunden
    In diese Situation der endlos gedehnten Zeit kam Francesco Giuzio. Er absolvierte in dem Hotel, das jetzt als Flüchtlingsheim dient, einen Kurs für seinen Trainerschein. Er sah die Flüchtlinge - und bot ihnen an, Fußball zu spielen. "Ich bin Trainer. Ich mache das aus Leidenschaft, aber auch als Beruf. Mir schien es richtig, etwas für diese Jungs zu tun, ihnen einen Schub zu geben, weil sie ansonsten sehr allein gelassen wären. Ich engagiere mich für sie, mache aber auch etwas für mich. Die Befriedigung, die ich dadurch erfahre, ist viel größer als alles, was ich dafür tue."
    Giuzio ist Trainer im Futsal. Kein schlechter. In der letzten Saison war er Assistenzcoach beim Meister Luparense. Die Tätigkeit dort liegt nun auf Eis. Denn Giuzio fand seine Berufung darin, mehr als 100 Männern zum Fußball zu verhelfen. Gut, es machen nicht alle mit. Flüchtlinge aus Bangladesh hätten lieber Kricket gespielt. Andere bevorzugen Basketball. Aber drei Trainingsgruppen zu je 20 bis 25 Mann haben sich gebildet. Für sie allerdings gibt es nur 15 Paar Fußballschuhe und 15 Trikots - gespendet von Freunden und Bekannten.
    "Auf der einen Seite ist das ein Mangel. Schon aus hygienischen Gründen hätte ich es gern, dass jeder sein Trikot, seine Schuhe, seine Hose hat. Auf der anderen Seite ist das eine Ressource. Sie lernen das Gemeingut schätzen. Sie respektieren die Regeln. Sie achten das Material und die anderen Personen." Und so werden nach dem Training und nach den Spielen die Schuhe sorgsam geputzt, die Trikots gewaschen, getrocknet und so abgelegt, dass die anderen sie leicht wiederfinden.
    Eine völlig neue Sache ist solch ein Verein in Italien allerdings nicht. Vor zehn Jahren schon haben sich einige Lampedusa-Flüchtlinge zu Fußballklubs zusammengeschlossen. Einige Vereine wurden von Priestern gegründet, andere mit Unterstützung durch NGOs. Der FC Senegal Bergamo gewann in der letzten Saison sogar die italienische Amateurmeisterschaft. Die Mannschaft aus Potenza ist also ein Newcomer.
    Rassismus des Verbandspräsidenten
    Aufmerksamkeit bis hin ins britische Fernsehen erregte sie wegen des Namens "Opti Poba". Der erlangte traurige Berühmtheit durch eine rassistische Entgleisung des Verbandspräsidenten Carlo Tavecchio. "'Opti Poba' ist hierhergekommen. Er aß früher Bananen und spielt jetzt bei Lazio", lautete der Aussetzer, mit dem Tavecchio auf das tatsächliche Problem der geringen Spielpraxis für italienische Talente hinweisen wollte. Das ist ein Problem, klar. Verursacht ist es aber durch Klubeigner, die für das gleiche Geld lieber vier ausländische Spieler einstellen als einen Italiener.
    Tavecchio wurde für seine verbale Beleidigung von der UEFA sechs Monate gesperrt. Francesco Giuzio benutzt den Namen nun, um die Diskriminierung anzuprangern. "Der Name kam mir sofort in den Sinn. Es war der einzige Name, an den ich gedacht habe. Ich dachte, dass sei eine schöne Sache, den Sinn dieses Namens zu ändern, von Diskriminierung und Abschließen hin zu Integration, Öffnung und Gastfreundschaft."
    Verbandspräsident Tavecchio nahm diese Einladung zur Wiedergutmachung übrigens nicht an. Dem Klub wurde aus Rom die vom Regionalverband schon zugesicherte Teilnahme an der Amateurmeisterschaft verweigert. Giuzio und seine Kicker stört dies nicht. Sie sind in einem anderen Wettbewerb untergekommen. Zwei Spiele haben sie schon absolviert, beide auswärts. Der Mannschaftsbus ist ein Gefährt vom Roten Kreuz.
    Und weil Giuzio, der einst internationale Beziehungen studierte, groß denkt, peilt er schon eine Weltmeisterschaft in einem großen Flüchtlingslager in Bari an. Dort leben 1.700 Menschen aus 32 Nationen - das passt perfekt für ein WM-Turnier.