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Italien
Opernhäuser in der Krise

Um Italiens Opernhäuser ist es schlecht bestellt: Jahrelanger finanzpolitischer Schlendrian, ein etwa 300 Millionen Euro hoher Schuldenberg, häufig wechselnde Intendanten und Korruption führten zu maßlos überteuerten Produktionen. Die Folge: Immer mehr Dirigenten verlassen die schwer angeschlagenen Theater.

Von Thomas Migge | 21.11.2014
    Römische Staatsoper: Zuschauer schauen von den Rängen.
    Italiens Opernkrise betrifft nicht nur Roms Staatsoper, wo Intendant Riccardo Muti das Handtuch warf. (AFP / Claudio Peri))
    Italiens Opernkrise betrifft nicht nur Roms Staatsoper, wo Riccardo Muti das Handtuch warf, weil ihm die permanente Streiklust der in acht Gewerkschaften organisierten circa 600 Mitarbeiter des Theaters gegen den Strich ging.
    Dirigenten verlassen Theater
    Rom ist kein Einzelfall. Fast in ganz Italien ist es um die 13 Opernhäuser schlecht bestellt: Jahrelanger finanzpolitischer Schlendrian, ein circa 300 Millionen Euro hoher Schuldenberge, häufig wechselnde Intendanten, zu starke Einmischung von Lokalpolitikern bei der Besetzung von Intendantenstellen, Vergabe von zu vielen Arbeitsplätzen an die Freunde von Freunden und an Verwandte, was zu aufgeblähten und teuren Mitarbeiterstäben führte, heillos überteuerte Produktionen. Die Folge: Immer mehr Dirigenten verlassen die schwer angeschlagenen Theater.
    In Neapel zum Beispiel, am Teatro San Carlo. Dort trat im Oktober vollkommen überraschend, wie Muti in Rom, Nicola Luisotti vom Amt des Generalmusikdirektors zurück.
    Dazu der römische Musikkritiker Franco Soda:
    "Offiziell heißt es, dass Luisotti das San Carlo verlässt, weil er anderweitige Verpflichtungen weltweit hat, aber es pfeifen doch die Spatzen von den neapolitanischen Dächern, dass dahinter was anderes steckt. Fakt ist, dass damit die gesamte beginnende Spielzeit des wichtigsten Theaters der Stadt auf dem Spiel steht."
    Hohe Schulden, drohende Streiks
    Ähnlich wie Muti in Rom hatte Luisotti in Neapel das San Carlo musikalisch aufgemöbelt. Doch immer noch steckt das Haus in Schulden, und ein staatlicher Kommissar kontrolliert sämtliche Ausgaben. Luisotti wird angesichts drohender Streiks aufgrund bevorstehender Sparmaßnahmen kalte Füße bekommen haben, spekulieren Italiens Medien.
    Abgesehen von der Scala in Mailand, die dank zahlreicher Sponsoren relativ gut über die Runden kommt, ist der Fall des Teatro La Fenice in Venedig interessant. Es ist das einzige Opernhaus Italiens, das positive Zahlen schreibt. Ein Vorbild für die schwer angeschlagene Staatsoper in Rom, meint Theaterhistoriker Mauro Marino vom römischen Konservatorium:
    "Seit einigen Jahren geht es diesem Theater gut. Dieses Haus ist ein gutes Beispiel dafür, dass von denen, die sich um ein Opernhaus kümmern, alles abhängt. Seit dort Christian Chiarot Intendant ist, geht es voran. Das Umfeld des Theaters ist wichtig: Die Stadt ist voller Touristen. Bei den Aufführungen sind die Italiener in der Minderheit."
    Das liegt, so Mariani, auch an preiswerten Eintrittskarten, um Publikum anzulocken. In Rom hingegen muss man mindestens 100 Euro für einen halbwegs guten Platz hinblättern. Der italienischen Opernzeitschrift "Classic Voice" zufolge ist das La Fenice unter seinem Intendanten zum zweitbesten Opernhaus Italiens nach der Scala geworden.
    "Natürlich freut mich die Einschätzung von "Classic Voice". Das freut mich vor allem weil wir ein Produktionsmodell gefunden haben, das das Theater zunächst einmal als Kulturunternehmen begreift. Je mehr wir produzieren, umso mehr Eintrittskarten verkaufen wir. Je mehr Aufführungen wie bieten, umso geringer fallen die Produktionskosten aus. Das erlaubt es uns mit ähnlichen Häusern im übrigen Europa zu konkurrieren."
    Operngesetz soll Abhilfe schaffen
    Um rosige Zustände wie in Venedig auch im übrigen Italien zu schaffen, hat Kulturminister Dario Franceschini ein Gesetz verabschiedet, das am 1. Januar in Kraft tritt. Das Opernhausgesetz sieht vor, dass die Höhe der staatlichen Finanzierung zukünftig vor allem davon abhängen wird, wie oft sich der Bühnenvorhang hebt und wie viele Eintrittskarten verkauft werden. Inwiefern dieses Gesetz greifen wird, ist noch vollkommen unklar. Denn: Wie soll ein hoch verschuldetes Haus mehr Aufführungen bieten, wenn kein neues Geld hereinkommt?
    Wie zum Beispiel an der hoch verschuldeten Staatsoper in Rom, wo man derzeit für die Saisoneröffnung Ende November mit Antonin Dvoraks "Rusalka" probt. Ohne Mutis "Aida" wird in nur zwei Monaten eine Ersatzaufführung auf die Beine gestellt. Intendant Carlo Fuortes hofft sich finanziell irgendwie durchwurschteln zu können: vor allem mit den bereits zugesagten Hilfsgeldern eines Sondergesetzes für finanziell angeschlagene Musiktheater.
    Frisch ist die Nachricht, dass Intendant Fuortes nun doch nicht, wie ja angekündigt, sämtliche Orchestermusiker und Choristen entlassen wird. Man scheint sich darauf zu einigen, dass in Zukunft garantiert nicht mehr wild gestreikt wird. Es ist sogar die Rede davon, dass der fahnenflüchtige Muti wieder an die Staatsoper zurückkehren könnte. Vielleicht im kommenden Jahr, um, wie ursprünglich geplant, Mozarts "Nozze di Figaro" zu dirigieren. Noch ist auf der Website der Staatsoper kein Ersatzname für Muti aufgetaucht. Insidern zufolge arbeite man hart an der baldigen Rückkehr des Maestro.