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Italien
Schülerradio gegen die Mafia

In Italien gehen immer mehr Kinder nicht regelmäßig zur Schule, weil sie von der Mafia rekrutiert werden. Das von Schülern gegründete Webradio "RadiodaSud" will gegensteuern und informiert mit Reportagen und Investigativrecherchen über die Risiken.

Von Thomas Migge | 29.01.2018
    Kinder sitzen im Klassenraum
    Schule schwänzen soll mit "RadiodaSuda" vermindert werden (picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB)
    Zu Gast im Studio von "RadiodaSud", zu deutsch: "Radio aus dem Süden", ist Valeria Fedeli, Italiens Bildungsministerin.
    Es wird recht freimütig geplaudert, das Publikum im Studio lacht mit, die Atmosphäre wirkt entspannt, eine Art Soundtrack sorgt für Kneipenambiente, auch am Vormittag, und Bildungsministerin Fedeli steht Rede und Antwort.
    ©Riccardo Antimiani / EIDON/MAXPPP ; 1256524 : (Riccardo Antimiani / EIDON), 2017-12-19 Roma - Conference on Government interventions to support school building - Valeria Fedeli Foto: Riccardo Antimiani / Eidon/MAXPPP/dpa |
    Bildungsministerin Valeria Fedeli möchte den Einfluss der Mafia auf junge Leute verhindern. (picture alliance / Riccardo Antimiani / Eidon/MAXPPP/dpa)
    Schüler werden zu Handlangern der Mafia
    Thematisiert wird in dieser Vormittagssendung von "RadiodaSud" ein heikles Thema: die Mafia und ihr Einfluss auf junge Leute. Ein ernstes Thema, das auch die Ministerin beschäftigt, weshalb sie sich gleich entschied, die Einladung des Webradios anzunehmen. Ihr ist die Arbeit dieses von jungen Leuten organisierten Rundfunksenders, der seine Redaktion im östlichen Stadtrandviertel Don Bosco hat, in einer kleinen Mietwohnung, sehr wichtig: denn wo sonst wird Rom der Zusammenhang von organisierter Kriminalität, jungen Menschen in sozial heruntergekommenen Peripherien und chronischen Schuleschwänzens so deutlich wie dort. Eine erschreckende Realität: immer öfter gelingt es Bossen Kids anzuwerben, damit diese nicht mehr zur Schule gehen, sondern Geld verdienen, als Drogenkuriere oder sonstige Handlanger der Mafia.
    Nicola Disanti, 17 Jahre, ist einer der Redakteure von "RadiodaSud": "Dieses Radioprojekt entstand, um lokal zu recherchieren, junge Leute zu befragen, warum sie nicht mehr zur Schule gehen, warum sie schnelles Geld mit kleinkrimineller Arbeit verdienen wollen. Wir hoffen, dass wir mit unserem Einsatz hier was verändern können".
    Webradio zur Bekämpfung der Mafia
    Tatsache ist, dass in Rom rund 15 Prozent aller Schüler regelmäßig nicht mehr die Schulbank drücken, dass die Behörden die Anwesenheitspflicht in Schulen nicht kontrollieren, dass Eltern nicht immer zur Rechenschaft gezogen werden und dass die organisierte Kriminalität viel zu wenig bekämpft wird.
    Claudio Mazzini, 17 Jahre. Auch er macht bei "RadiodaSud" mit: "Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten die Mafia zu bekämpfen. Wir haben uns für das Webradio entschieden. Wir alle sind Schüler der Schule Enzo Ferrari. Wir haben uns bereits existierende unabhängige Lokalsender, die via Web ausstrahlen, zum Vorbild genommen. Für so ein Projekt braucht man ja heute kein großes technisches Equipment. Mit dieser Arbeit kämpfen wir gegen die Mafia, und das macht auch noch Spass ".
    Reportagen, Interviews und Musik wechseln sich in lockerem Rhythmus ab. Jede Woche gibt es ein neues Programm. Das Geld für den Sender kommt durch Crowdfunding, Geldspritzen aus dem Bildungsministerium und durch eine Bank zusammen.
    Die jungen Redakteure von "RadiodaSud" gehen ihre Arbeit spielerisch an - und auch ein wenig unbedarft: aus diesem Grund werden sie, so weit das möglich ist, geschützt, durch die gerade im Osten Roms stets präsente Polizei. Die Redakteure wirbeln ja mit ihren Interviews mit Schulschwänzern, mit Kleinkriminellen und Eltern einigen Staub auf – und das in Stadtvierteln, wo, wie in Don Bosco, lokale Mafiaclans einen Großteil der kriminellen Aktionen kontrollieren.
    Große Verantwortung durch Rundfunkarbeit
    Idea Crea ist eine der Lehrerinnen der Schüler-Redakteure: "Diese jungen Leute gehen das Rundfunkprojekt mit einer Offenheit und Natürlichkeit an, die dafür sorgt, dass Probleme gleich auf den Tisch kommen. Das kann natürlich auch gefährlich sein. Sie haben mit ihrer Rundfunkarbeit eine große Verantwortung übernommen."
    Als Vorbild dient den Jung-Redakteuren Peppino Impastato und sein in den 70er-Jahren gegründeter Radiosender "Radio Aut", der bei Palermo die Mafia direkt angriff, Namen und Zusammenhänge nannte. Impastato wurde 1978 von den Bossen erschossen. Den Mitarbeitern von "RadiodaSud" geht es nicht um einen solchen direkten Kampf gegen die Clans der Mafia. Sie wissen, dass sie auf diesem Wege nichts erreichen können. Aber sie wollen, dass Gleichaltrige wieder zur Schule gehen, und erkennen, dass sich gesetzestreues Verhalten und ein Schulabschluss auf jeden Fall auszahlen.