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Italien setzt auf russisches Gas

Nach der Gaskrise Anfang des Jahres möchte die EU nicht mehr so stark auf russisches Gas angewiesen sein. Sie setzt auf das Pipeline-Projekt Nabucco und Gaslieferungen aus Zentralasien. Doch nicht alle EU-Mitgliedsstaaten ziehen an einem Strang: Italien plant ein eigenes Pipeline-Projekt, das Gas aus Russland nach Italien bringen soll.

Von Karl Hoffmann | 30.04.2009
    Die letzte große russisch-italienische Transaktion ist gerade mal drei Wochen alt. Für vier Milliarden Dollar hat der italienische Energiemulti ENI, Ente Nazionale Idrocarburi, seinen 20-Prozent-Anteil an Gazprom Neft zurückverkauft an den Monopolisten Gazprom: ein Freundschaftsdienst der Italiener.

    Das, was da über den Ladentisch ging, war ein Teil des zerschlagenen Yukos-Konzerns des Oligarchen Mikhail Khodorkowsky. Italien hatte den Anteil vor zwei Jahren ersteigert und nun mit beträchtlichem Gewinn - und weit über dem derzeitigen Marktwert - an den Staatsmonopolisten Gazprom veräußert, der keine rechtlichen Folgen wegen der umstrittenen Yukos-Enteignung mehr fürchten muss. Der Rückverkauf bedeutet aber keinesfalls das Ende italienischer Energieinteressen in Russland - im Gegenteil, erklärt ENI Chef Claudio Scaroni.
    "Wir werden weiterhin und zwar in zunehmendem Maße an der Gasförderung in Russland beteiligt sein. Wir haben zwar unseren Anteil an Gazprom abgegeben, aber dafür haben wir neue dazubekommen. Unsere Zusammenarbeit wird weiter zunehmen."

    Seit einem halben Jahrhundert pflegt Italien beste Beziehungen auf dem Energiesektor mit Russland und der früheren Sowjetunion, auch dank der damals noch überaus mächtigen kommunistischen Partei Italiens.

    ENI wird seine Gewinne aus dem jüngsten Verkauf wieder in Russland investieren. Denn dort erwartet ENI Experte Fulvio Conti weiterhin Gewinne auf dem Energiesektor, während in der EU die Zahlen zurückgehen:

    "Wir erwarten in diesem Jahr leichte Zugewinne in Russland, während in der EU - je nach Wirtschaftslage - mit einem Rückgang des Energieverbrauchs von vier bis fünf Prozent zu rechnen ist."
    Der sechsbeinige Hund mit der roten Feuerzunge, Wappentier von ENI und der dazugehörenden Benzinmarke Agip, beißt sich recht gut durch in der mächtigen internationalen Konkurrenz. Italiens Energiebedarf wird zu fast 80 Prozent durch Einfuhren von Erdöl und Erdgas gedeckt. ENI, dessen Mehrheitsanteil dem italienischen Staat gehört, hat nationale Priorität. Neben den jüngsten Liefervereinbarungen mit Libyen und Algerien hat ENI nicht nur Förderrechte in Russland und Kasachstan gesichert, sondern auch Verträge über die nötigen Pipelines.

    South Stream, die wichtige Südverbindung mit den reichen Gasfeldern Russlands, führt durch das Schwarze Meer, die Türkei, Griechenland und die Adria direkt nach Italien: mit zwei Optionen, wie der zuständige Minister Claudio Scajaola erklärt:

    "Die Experten haben zwei Terminals auserkoren: Brindisi, dort wo die Adria am schmalsten ist, und Triest ganz im Norden. Man kann sich für einen oder für beide entscheiden."

    Hauptsache, das russische Gas kommt erst einmal direkt nach Italien. Es ist zwar für Europa bestimmt, aber es gibt jenen ein besonderes Gefühl der Sicherheit, die das Gas weiterverteilen dürfen. Entscheidend für die privilegierte italienische Position in Russland ist auch die von Ministerpräsident Silvio Berlusconi innig gepflegte Freundschaft mit seinem vormaligen Amtskollegen Wladimir Putin.

    Kein Wunder, dass die italienische Regierung das Projekt South Stream favorisiert gegenüber der EU-Pipeline Nabucco, die Gas aus den ehemaligen Sowjetrepubliken um das Kaspische Meer nach Europa bringen soll. Italien setzt auf eine hausgemachte Energiepolitik; auch weil damit viel Geld zu verdienen ist.