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Italien vernachlässigt seine historischen Kulturgüter - eine UNESCO-Tagung in Assisi

Wissen Sie, einige Dinge, die kann ich einfach nicht verstehen und die will ich auch gar nicht verstehen. Vor allem dann nicht, wenn es um die kunsthistorischen Schätze in diesem Land geht. Wie soll ich da verstehen, dass die vor sich hin gammeln!

Ein Beitrag von Thomas Migge |
    Oliviero Toscani ist nicht nur Italiens bekanntester Star- und Provokationsfotograf. Seit er nicht mehr für das Modehaus Benetton arbeitet verdingt sich der Mann aus der Toskana auch in der schreibenden Zunft. Jeden Monat verfasst er für das angesehene Kunst-Magazin "Il Giornale dell'Arte" eine bitterböse Rubrik über den Zustand kulturhistorisch wichtiger Landschaften und Kunstschätze in Italien. Er meckert und wirft Italiens Politikern, ob links oder rechts, vor, dass sie sich viel zu wenig um die Schätze kümmern, die seiner Meinung nach das "Petrolium Italiens" sind, ein unermesslicher Reichtum, den es zu schützen gilt. Oliviero Toscani:

    Die Provokation ist ein generöser Akt, ein Geschenk wenn man so will. Ich provoziere mit meiner Kritik, ich setze mich zur Rettung der Kunst ein um dieser Kunst etwas Gutes zu tun. Ich appelliere an unsere Politiker endlich aufzuwachen. Was bei diesen Politikern fehlt, das ist ein wenig Kunstverständnis.

    Hätten sie dieses Kunstverständnis, so Toscani, dann würde es nicht so viel Protest gegen die Verantwortlichen im Kulturministerium geben. Seit Mittwoch protestieren auch die Stadtväter von 35 italienischen Kommunen gegen das Kulturministerium in Rom. Man hat sich in Assisi getroffen, der umbrischen Stadt des Franz von Assisi, um über die Situation der eigenen Kunstwerke zu diskutieren. Alle 35 Städte besitzen Schätze, die von der Weltkulturorganisation UNESCO in Paris in die Liste der Weltkulturgüter aufgenommen wurden. In keinem anderen Land der Welt finden sich so viele UNESCO-Objekte. Es handelt sich um Kulturgüter, die unbedingt vor dem Verfall geschützt werden müssen. Um in diese Liste aufgenommen zu werden müssen die einzelnen Städte ganz bestimmte Auflagen zum Schutz der Kunst erfüllen. Werden diese Auflagen nicht erfüllt, dann kann eine Stadt von der UNESCO damit bestraft werden, dass das jeweilige Kulturerbe aus der Liste gestrichen wird. Genau das droht seit einiger Zeit vielen italienischen Städten. Der Grund dafür, erklärt Italiens prominentester Kunstexperte Vittorio Sgarbi, ist der Mangel an Finanzmitteln:

    Wenn es um die Erhaltung von Kunstschätzen geht, dann gibt es nichts anderes, was in diesem Moment wichtiger ist. Es geht um die Erhaltung und das bedeutet, dass, wenn Städte nicht genügend Geld dafür haben, ihnen das Kulturministerium unter die Arme greifen muss. Das Problem ist aber, dass man dort Gelder zurückhält, Gelder, die für die Restaurierung bestimmt sind. Das ist doch wohl klar!

    Vittorio Sgarbi kritisierte schon als Staatssekretär im Kulturministerium die Tatsache, dass Minister Giuliano Urbani dringend notwendige Finanzmittel zur Restaurierung von historischen Bauten nicht ausgeben will. Aus Gründen, die der Minister nicht verraten will. Und dabei geht es um Gelder, die von der Regierung für Restaurierungen bereitgestellt wurden. Genau das klagen auch die in Assisi versammelten Stadtväter an. Bürgermeister, in deren Verantwortung so bekannte Kulturschätze wie der Turm von Pisa oder die Ausgrabungen in Pompeji liegen. Bürgermeister, die nicht mehr wissen, wo sie das Geld hernehmen sollen, um die atemberaubend schönen frühchristlichen Basiliken in Ravenna, um das fast komplett erhaltene Renaissancestadtzentrum von Ferrara, um die Basilika des Baumeisters Palladio in in Vicenza oder das mittelalterliche Castel del Monte von Staufferkaiser Friedrich II., vor dem Verfall zu retten. Vittorio Sgarbi:

    Wir haben 1.500 Milliarden Lire, das sind 750 Millionen Euro, die das Ministerium nicht ausgibt. Das ist doch unglaublich! Das ist Geld, um anstehende Arbeiten durchzuführen.

    Die in Assisi versammelten Stadtväter wollen dieses Geld und sie klagen an. Aber nicht nur die Regierung. Auch die linke Opposition sei während ihrer Regierungszeit nicht besser gewesen, so das gemeinsame Urteil. Auch in den fünf Jahren linker Regierung seien dringend benötigte Finanzmittel - um alte Paläste und antike Grabungsstätten, um barocke Kirchen und Stadtzentren vor dem Zahn der Zeit zu bewahren - nicht freigegeben worden. Italien, so Mario Bagnara, Präsident der Vereinigung der Städte des Weltkulturgutes, müsse scheinbar erst aus der Liste der UNESCO gestrichen werden, bevor die verantwortlichen Politiker aufwachen. Vittorio Sgarbi vermutet aber, dass ein solcher Schritt der Weltkulturorganisation weder die Linken noch die regierenden Rechten kratzen würde.

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