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Italien will in Europa wieder ernst genommen werden

Durch die chronische Staatsverschuldung und Berlusconis Skandalpolitik wurde Italien sukzessive zum Statisten auf der europäischen Bühne. Nun aber ist Berlusconi weg und sein Nachfolger Mario Monti im Amt. Jetzt hofft die italienische Öffentlichkeit, den Ruf der Bunga-Bunga-Ära Berlusconis möglichst rasch abzustreifen und zur alten politischen Statur zurückzufinden.

Von Kirstin Hausen | 29.11.2011
    Drei Stehpulte, drei Mikrofone, drei Fahnen - die französische, die deutsche und die italienische. Finalmente, endlich - atmete die italienische Öffentlichkeit auf. Endlich spielt Italien wieder eine Rolle, wenn es um richtungweisende Treffen zur Zukunft Europas geht. Regierungschef Mario Monti weiß um das Vertrauen, das ihm damit entgegengebracht wird.

    "Ich danke dem Präsidenten Sarkozy und der Kanzlerin Merkel für die Einladung zu diesem Treffen. Ich persönlich, meine Regierung und das Ganze Land, sind sehr glücklich darüber. Italien ist immer ein Motor der europäischen Einigung gewesen und will es in dieser problematischen Phase erst recht wieder sein."

    Merkel, Sarkozy und Monti. Italien ist wieder an Bord. Meinungsführer wie die Tageszeitung "La Repubblica" geben dem Professor mit der sachlichen Art und dem trockenen Humor Bestnoten. Der stellvertretende Chefredakteur Massimo Giannini:

    "Was Monti alles geschafft hat auf internationalem Parkett seit Beginn der vergangenen Woche, ist schon sehr eindrucksvoll. Er hat Van Rompuy und Barroso in Brüssel getroffen, dann Merkel und Sarkozy in Straßburg. In wenigen Tagen haben wir zurückgewonnen, was wir in dreieinhalb Jahren verspielt haben."

    Das internationale Ansehen. Mario Montis unaufgeregter, seriöser Politikstil gefällt aber nicht nur im Ausland, sondern auch den Italienern selbst. Mario Monti hat neusten Umfragen zufolge 80 Prozent der Italienerinnen und Italiener hinter sich. Beispielsweise diese Mailänderin.

    ""Ich bin optimistisch, dieser Regierungswechsel war überfällig. Die Leute, die uns jetzt regieren, finde ich gut, ich glaube an sie."

    Die Erwartungen sind hoch an die Regierung Monti. Und die Probleme, die sie zu lösen hat, sind gigantisch. Staatsverschuldung, Korruption, Bürokratie, Steuerhinterziehung, und für 2012 prognostiziert die OSZE auch noch Rezession und Anstieg der Arbeitslosigkeit. Sollte Monti, wie es in italienischen Medien heißt, die Steuern heraufsetzen und Sozialmaßnahmen streichen, um den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen, wird ihm Protest von der Straße entgegenschlagen. Italiens Studierende haben bereits einen Vorgeschmack auf das gegeben, was Italiens neuer Regierung bevorstehen könnte.

    Sie verlangen mehr Geld für die Universitäten, und die Rücknahme einer Reform der Berlusconi-Regierung, die weniger Lehrende und weniger Lehrfächer vorsieht. Unter den Demonstranten, die in mehr als 60 italienischen Städten auf die Straße gingen, wurde auch der Ruf "Weg mit den Bankern" laut.

    Hier bahnt sich eine Zerreißprobe für die italienische Linke an. Denn während die moderat linke Demokratische Partei mit Pierluigi Bersani an der Spitze die Reformbemühungen der neuen Exekutive unterstützen will, provozieren Montis liberal-konservativen Kräfte in der Regierung den Widerstand der linken Fundamentalisten.

    Sie warnen vor der "Diktatur der Wall Street", vor einer "herzlosen Rosskur auf Kosten der kleinen Leute". Schon ist die Rede von einer höherer Mehrwertsteuer und der Wiedereinführung der ICI, jener kommunalen Steuer auf´s Eigenheim, die Silvio Berlusconi abgeschafft hatte. Sie ist in Italien, wo die Mehrheit der Bevölkerung in der eigenen Immobilie lebt, äußerst unbeliebt.

    "Bevor wir darüber sprechen, sprechen wir erst einmal über eine Vermögenssteuer"

    fordert Susanna Camusso, Generalsekretärin der CGIL, Italiens größter Gewerkschaft.

    Sie ist entschlossen, die Interessen der sechs Millionen Mitglieder aufs Schärfste zu verteidigen. Für den 3. Dezember organisiert die CGIL eine Großdemonstration in Rom.

    "Wir müssen der Regierung deutlich sagen, dass ihre Politik die Arbeit und die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt stellen muss."

    Susanna Camusso hat den Kündigungsschutz und die Renten bereits für unantastbar erklärt und befindet sich damit auf Konfrontationskurs zur Regierung. Mario Monti wird noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, um Italien zu reformieren.

    Italien nach Bunga-Bunga: Jetzt ist wieder Politik gefragt.