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Italienische Fernunis im Zwielicht

Aufregung unter Italiens Fernuniversitäten: Die Bildungseinrichtungen geraten in Verruf, seit Medien über unlautere Machenschaften berichten: Steuerhinterziehung bei den Studiengebühren oder Diplome gegen Barzahlung.

Von Thomas Migge |
    Der Journalist der investigativen Fernsehsendung "Le iene" kleidete sich ganz seriös und setzte sich eine Brille auf, um wie jemand zu wirken, der als Kunde und Student daran interessiert ist, wie das mit den Prüfungen und dem Geld funktioniert. Die Stimme der heimlich gefilmten Frau wurde von der Redaktion elektronisch verzerrt, um die Anonymität zu bewahren.

    In der Szene geht es um einen Deal. Um die Bezahlung eines Studienjahres an einer Fernuni. Der falsche Student wird darüber informiert, dass, wenn er seine Gebühren, rund 2500 Euro im Jahr, "schwarz" entrichtet, einen Preisnachlass von 500 Euro erhält, weil die Einnahme für die Fernuni auf diese Weise an der Steuer vorbei läuft. Von Steuerhinterziehung ist die Rede.

    Der Fall, den die Sendung aufdeckt, ging einige Tage später an die Staatsanwaltschaft. Die ermittelt nun. Und nicht nur in diesem Fall.

    Alles hört sich so einfach an in dieser Werbung für eine Fernuni: Alles lässt sich via Mail erledigen, nur bestimmte finanzielle Transaktionen, die im Dunkeln bleiben sollen, werden am Telefon erledigt. Weshalb die Polizei jetzt auch Telefonate abhört und auswertet.

    Aufregung unter Italiens Fernunis: unter denen, die sie organisieren, und den Studierenden und solchen, die an eine Fernuni wechseln wollen. Diese Bildungseinrichtungen geraten in Verruf. Vor allem seit die Medien über unlautere Machenschaften berichten. Dazu Melinda Sanpietrini. Sie studiert Fremdsprachen an einer von der katholischen Kirche organisierten und als seriös geltenden Online-Universität:

    "Die jungen Leute müssen darüber informiert werden, wo die Gefahr besteht, hereingelegt zu werden. Ich verstehe nicht, warum diese Fernunis bei uns nicht ganz normal funktionieren wie bei Ihnen in Deutschland. Dass auch hier jetzt Korruption und solche Dinge bekannt werden, ist wirklich unglaublich. Das darüber jetzt berichtet wird kann nur sinnvoll sein."
    An den elf existierenden Fernunis studieren rund 14.000 Studierende. In einem Land, das vor allem im Süden über "normale" Hochschulen verfügt, die aufgrund des nur mangelhaft ausgebauten Straßennetzes nicht leicht für diejenigen zu erreichen sind, die nach der Arbeit studieren wollen, ergibt die Vielzahl an Fernunis einen Sinn. So lässt es sich bequemer studieren.

    Die ersten polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass sämtliche Fernunis pro Jahr rund 100 Millionen Euro einnehmen und dass 70 Prozent aller Studierenden ihr Diplom in der Regel ein Jahr eher erhalten als Studierende an regulären Einrichtungen. Erste Fälle nachweislich geschmierter Fernuni-Profs wurden jetzt bekannt. Gegen Barzahlung scheinen sie Diplome besonders schnell ausgehändigt zu haben.

    Annalisa Rinaldi verfolgt genau die Entwicklung der Ermittlungen. Noch studiert sie an der römischen La Sapienza Literaturwissenschaften, will aber, um sich tagsüber um ihren Sohn kümmern zu können, an eine Fernuni wechseln:

    "Ich habe von anderen rund 250 Kommilitonen gehört, die sich wie ich jetzt genau informieren, ob sie auch wirklich wechseln wollen. Die Polizei fand auch heraus, dass an den elf Fernunis eigentlich 222 Profs unterrichten müssten, in Wirklichkeit sind es aber nur 42. Was ist da los? Ich hoffe, dass uns das Bildungsministerium zur Seite steht und um Aufklärung bemüht."

    Genau das will Maria Grazia Gelmini, Italiens Bildungsministerin. Sie erklärte in diesen Tagen, dass sie Klarheit schaffen will. Sämtliche Fernunis sollen genau unter die Lupe genommen werden. Von "Null-Toleranz" ist die Rede.