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Italiens Interessen in Libyen

Schröder, Blair, Sarkozy oder Berlusconi: Vor dem afrikanischen Frühling gaben sich die europäischen Regierungschefs bei Gaddafi noch die Klinke in die Hand und warben für Öl- und Gasgeschäfte. Italien hatte einen besonders guten Draht nach Libyen, den es auch nach dem Bürgerkrieg behalten will.

Von Karl Hoffmann | 25.08.2011
    Mit einem Handkuss hatte Silvio Berlusconi vor noch nicht einmal zwei Jahren den italienisch-libyschen Freundschaftsvertrag besiegelt. Seit Monaten müht er sich nun um eine deutliche Kehrtwendung:

    "Wir haben den Oberst aufgefordert, zurückzutreten und die Aktionen gegen seine Bürger einzustellen","

    erklärte Berlusconi auf dem Höhepunkt des Bürgerkrieges. Denn nun gilt es, Italiens wirtschaftliche Interessen auch nach dem Sturz Gaddafis zu wahren. Etwa 100 italienische Firmen sind in Libyen vertreten, der Warenverkehr hat einen Wert von jährlich zwölf Milliarden Euro. 38 Prozent der in Libyen geförderten Energie wurden zuletzt vom staatlichen italienischen Energiekonzern Eni nach Italien exportiert. Eni ist seit den 50er-Jahren in Libyen tätig und damit der älteste Geschäftspartner der libyschen Erdölindustrie. Der Bürgerkrieg reduzierte die Förderung um gut zwei Drittel und Eni-Präsident Paolo Scaroni zeigte sich besorgt

    ""Natürlich sind wir jetzt in einer prekären Situation, aber man muss nach vorne schauen."

    Der Optimismus ist gerechtfertigt. Es scheint als seien vor allem Italiens Förderanlagen unversehrt geblieben. Und bei Eni ist man außerdem sicher, dass die künftigen Machthaber in Tripolis auch weiterhin an den vom alten Regime ausgehandelten Öl- und Gaslieferverträgen festhalten werden. Möglicherweise verliert Italien mit dem Ende der Ära Gaddafi aber eine gewisse Vorzugsbehandlung und muss sich künftig auf massive Konkurrenz aus Frankreich, USA und Deutschland gefasst machen. Denn an Libyens natürlichen Ressourcen seien sie schließlich alle interessiert, meint Monsignor Innocenzo Martinelli, der katholische Bischof in Tripolis:

    "In diesem Krieg gibt es nur ein Ziel: sich die besten Förderstellen zu sichern, Libyens Gas- und Ölvorräte auszubeuten. Alle überlegen sich, wie sie als Erste an die Energievorräte herankommen. Tut mir leid, dass ich das so unverblümt sagen muss, aber der Egoismus der beteiligten Länder ist unübersehbar."

    Italiens Energiekonzern Eni unterstützt nach eigenem Bekenntnis bereits seit April den Übergangsrat mit Geld, Treibstoff und Medikamenten. Auch die italienische Regierung hat massive Finanzhilfen in unbekannter Höhe lockergemacht. Damit erkaufte sie sich das Versprechen des Übergangsrates, auch künftig die illegale Immigration Richtung Europa gemeinsam zu bekämpfen. Außenminister Franco Frattini:

    "Der libysche Übergangsrat hat sich zu allen Vereinbarungen bekannt, die mit dem nicht mehr existierenden Regime geschlossen wurden, um die Immigration Richtung Europa zu verhindern und illegale Immigranten wieder zurückzuschicken."

    Beim Wettlauf um die guten Geschäfte im befriedeten Libyen wird Italien das Thema Immigration mit Sicherheit in die Waagschale werfen. Es liegt Libyen geografisch am Nächsten und muss - aus Sicht der italienischen Regierung - deshalb einen großen Nachteil in Kauf nehmen: Italien ist die erste Anlaufstelle für die Boatpeople aus Afrika.