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Italiens Retter in der Not

Mittwochabend in Rom: Nach wochenlangem Streit und einem atemberaubenden Zickzack-Kurs von Premier Silvio Berlusconi billigte das italienische Parlament ein 54-Milliarden-Euro-Sparpaket. Als Sieger darf sich Finanzminister Giulio Tremonti fühlen, der sich zuvor wegen seines Sparkurses mit dem Regierungschef überworfen hatte.

Von Karl Hoffmann | 15.09.2011
    Wenn Giulio Tremonti vor großem Publikum spricht, dann verbreitet er sofort Kompetenz und Sicherheit: Was er sagt, leuchtet ein, überzeugt und beruhigt. Er spricht von den einzig möglichen, den unverzichtbaren, den wahlweise sichersten oder – entwaffnend ehrlich - den steinigen Wegen aus der Krise. Und die akzeptiert das Publikum in diesen schweren Zeiten zumindest theoretisch.

    "Wir brauchen ein neues Modell, einen neuen Antrieb für die wirtschaftliche Entwicklung, die nicht in den Formen der neuen Wirtschaft begründet ist – auch wenn die unverzichtbar sind. Sondern in einer neuen Möglichkeit, gemeinsam zu investieren. Und die einzige Möglichkeit, in Zukunft zu investieren, sind die Eurobonds."

    Aber gerade die werden in Deutschland immer noch mit Argwohn betrachtet. Das ficht den mit seiner Hornbrille überaus gelehrt wirkenden "professore" Tremonti nicht an. Er weiß um seine Reputation als Wirtschaftsfachmann im Ausland und ist sich sicher, dass man seinen, den einzigen Weg am Ende gehen wird. Im eigenen Land hat er es dagegen schon schwerer. Für den Mann auf der Straße ist er längst kein mutiger Held im Krisensturm mehr, sondern einfach nur Teil der schwer angeschlagenen Regierungskaste.

    "Inzwischen kommt's gar nicht mehr drauf an, ob er besser ist als andere, denn die ganze Politik steht ja auf tönernen Füßen. Immerhin glaube ich, dass das Sparpaket für Stabilität sorgen wird."

    Nur auf wessen Kosten? Tremonti, der immer gerne Distanz zu Multimilliardär Berlusconi und dessen wirtschaftlichen Privatinteressen wahrt, der eine gewisse Nähe zum Volk und dem kleinen Mann pflegt – Tremonti wird inzwischen mit allen unzuverlässigen Politikern in einen Topf geschmissen.

    "Seit Jahren reden sie und reden sie und erzählen Geschichten, dass sie unschuldig sind und so weiter. Und dass wir in der EU sind, hat uns auch nichts gebracht, als ob die uns auf ewig unter die Arme greifen würde. Ich sehe derzeit weder eine Zukunft noch einen Ausweg aus der Krise."
    "Bis zu diesem Sparhaushalt war unser Finanzminister Tremonti durchaus akzeptabel, vielleicht hatte er sogar die eine oder andere gute Idee. Aber mit dem Sparpaket zieht er uns eins über die Rübe, uns kleinen Leuten, und die Reichen sind wieder mal die Nutznießer. Er ist ein Robin Hood – nur seitenverkehrt."

    Die Zahlen bestätigen es. Das Einkommen der zehn Prozent der italienischen Bevölkerung mit dem geringsten Verdienst ist in nur zwei Jahren um sechs Prozent zurückgegangen. Das Einkommen der zehn Prozent Reichsten ist leicht gestiegen. Dabei hatte Tremonti bis zuletzt noch versucht, einen Hauch sozialer Gerechtigkeit in seinem Sparhaushalt zu bewahren, um dem zunehmenden Volkszorn zu entgehen. Wenn sie sich schon nicht auf die Hälfte reduzieren ließen, dann sollten die bestbezahlten Abgeordneten der Welt – also auch er selbst - wenigstens zur Kasse gebeten werden:

    "Wir werden als Basis die Einkommen der Abgeordneten der sechs größten EU Länder nehmen, dann einen Mittelwert bilden, und dann werden die italienischen Parlamentarier genau das gleiche Geld bekommen wie die Kollegen im übrigen Europa."

    Klingt einfach, doch es wird kompliziert.

    "Wir werden eine Kommission einsetzen mit einem Präsidenten und zahlreichen Experten, die auf europäischer Ebene zusammenarbeiten werden."

    Womit alle guten Vorsätze vom Tisch wären. Bis die Kommission, deren Mitglieder ein Heidengeld kosten, zu einem Ergebnis kommt, werden nach aller Erfahrung Jahre vergehen. Bei genauerem Hinsehen erweisen sich die von Tremonti gefassten Beschlüsse und seine weitschweifigen Ausführungen nicht immer als der Weisheit letzter Schluss. Seine in vier Amtsperioden beschlossenen "Condoni" - Steuererlässe - haben sich als katastrophal erwiesen. Je öfter der Finanzminister Gnade vor Recht ergehen ließ, um ein Paar Milliarden an Strafe zu kassieren, umso eifriger bemühten sich vor allem die reichen Italiener, weiter Steuern zu hinterziehen - bis zum nächsten Schuldenerlass.