Archiv


J. S. Bach - Drei Suiten

Am Mikrofon begrüßt Sie Norbert Ely. Willkommen zu neueren Aufnahmen mit älterer Musik. Manchmal muß man schon einen Augenblick rätseln, um ein Stück wiederzuerkennen, was immer ja auch die Chance birgt, daß man dem Altbekannten neue Aspekte abgewinnen kann.

Norbert Ely |
    Zum Beispiel, wenn die Gigue aus der 1. Suite für Violoncello solo von J. S. Bach so klingt:
    * Musikbeispiel: J. S. Bach - aus: Suite Nr.1 G-dur für Violoncello solo BWV 1007, 6. Satz
    Da ist Bach einmal mehr bearbeitet worden, doch immerhin mit einiger Legitimation. Pascal Monteilhet spielt ein immer noch relativ selten zu hörendes Instrument, eine Theorbe. Die Theorbe zählt zu den Lauteninstrumenten, weist sechs Spielsaiten in der üblichen Stimmung auf, verfügt aber daneben - und zwar im wörtlichen Sinn - noch über acht Bordunsaiten, die gut doppelt so lang sind. Dementsprechend lang ist der Hals, an dem sich zwei Wirbelkästen befinden. Die im Verhältnis überdimensionierten Bordunsaiten verleihen dem Instrument eine dunkle Fülle des Klangs, die jede Musik gewissermaßen in den schönsten Halbschatten taucht. Im Booklet der neuen Virgin-CD wird denn auch Sébastien de Brossard zitiert, der ausdrücklich darauf hinweist, daß zu seinen Zeiten so mancher die Theorbe dem Cembalo vorzog. Der Gebrauch blieb freilich vor allem dem 17. Jahrhundert vorbehalten; im 18. Jahrhundert waren es dann noch vor allem französische Musiker, die sich dieses Instruments bedienten. Die Bordunsaiten bedingen, daß man quasi ständig mit Pedal spielt, wobei das Abdämpfen eine Kunst für sich darstellt. Einerseits ist es schwerer, genau zu artikulieren; anderseits ergeben sich aus dem steten Mitschwingen neue, raffinierte Möglichkeiten der Artikulation. Pascal Montheilet hat nun also drei der Bachschen Suiten für Violoncello solo für sein Instrument eingerichtet. Die Theorbe hat einen ähnlichen Tonumfang wie das Cello. Der Reiz der Übertragung liegt freilich nicht zuletzt darin, daß die Herkunft dieser Musik aus der Lautensuite zu Tage tritt. Die Laute stellt nun einmal das heimliche Zentrum dar. Auf der einen Seite entwickelte sich daraus die Musik der ja durchaus verwandten Streichinstrumente, vor allem die Musik der Gambe; und wenn eine Gambistin wie zum Beispiel Hille Perl Bach spielt, dann hört man ihren hochsensiblen Interpretationen diese Herkunft auch an. Anderseits wurde die Laute zunehmend durch das Cembalo ersetzt, das dann wiederum über einen Lautenzug verfügte, vom sagenumwobenen Lautenclavicimbel ganz zu schweigen. Pascal Monteilhet begibt sich also mit seiner Theorbe durchaus auf den Weg in den Kern der Bachschen Musik. Ein Tanzsatz wie die Gigue kommt dabei dem Instrument sichtlich entgegen. Schwieriger liegt der Fall bei raschen Couranten, während Sätze wie das einleitende Präludium und die folgende Allemande aus der 2. Suite d-moll eine dunkle Pracht entwickeln, wie sie auf dem Violoncello und selbst auf der Gambe nicht zu verwirklichen ist. * Musikbeispiel: J. S. Bach - aus: Suite Nr.2 d-moll für Violoncello solo BWV 1007 Pascal Monteilhet auf seiner Theorbe mit dem Präludium und der Allemande aus der 2. Suite d-moll für Violoncello solo von J. S. Bach. Was bei diesem Lauteninstrument - nicht zuletzt dank der Mikrofonaufstellung - stärker zu Tage tritt, ist das Moment von Arbeit, wenn man so will. Natürlich sind die Spielgeräusche, sind Fingerwechsel und ähnliches hier ganz anders zu hören als auf dem Violoncello. Der polyphone Satz entwickelt dabei eine andere Qualität; der Bachschen Musik ein Moment von Entmaterialisierung zu verleihen, ist auf der Theorbe schlicht unmöglich. Dem Klang eignet in den Momenten seiner Entstehung immer etwas Handfestes; dann freilich, im freien Nachschwingen und Nachklingen, wird daraus eine Art Sphärenmusik, deren Zauber man sich schwer entziehen kann. Wie geschaffen für die Theorbe ist natürlich die Form der Sarabande, wo der Klang allemal genügend Zeit hat, sich zu entfalten, und wo die Zeit, wenn die Bemerkung gestattet ist, zum Raum wird. * Musikbeispiel: J. S. Bach - aus: Suite Nr.3 C-dur für Violoncello solo BWV 1009 Das war noch einmal der Theorbenspieler Pascal Monteilhet, diesmal mit der Sarabande aus der Suite Nr. 3 C-dur für Violoncello von J. S. Bach.