Montag, 20. Mai 2024

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J.S. Bach: "The Six Partitas"

...mit Norbert Ely am Mikrofon. Einen schönen guten Morgen. Alte Musik steht heute an. Und ich wünsche Ihnen "Gemüths Ergötzung". Dazu sind nämlich die Sechs Partiten für Cembalo von Johann Sebastian Bach gedacht: * Musikbeispiel: J.S.Bach - 5. Satz aus: Partita Nr.3 a-moll BWV 827 "Clavir Übung bestehend in Praeludien, Allemanden, Couranten, Sarabanden, Giguen, Menuetten und andern Galanterien; Denen Liebhabern zur Gemüths Ergötzung verfertiget". So stand es über den sechs Cembalopartiten von J.S. Bach, die 1731 in Leipzig als Sammlung im Druck erschienen, nachdem die einzelnen Suiten in den Jahren zuvor jeweils zur Frühjahrsmesse unter die Leute gebracht worden waren. Gehört haben Sie gerade eine der Galanterien, die Burlesca aus der 3. Partita in a-moll BWV 827. Siegbert Rampe hat alle sechs Partiten für ein Doppelalbum eingespielt, das bei Virgin erschienen ist. Rampe ist Professor an der Essener Folkwang-Schule und hat, obwohl erst Ende 30, bereits eine beträchtliche internationale Erfahrung. Auch als Musikwissenschaftler hat er sich einen Namen gemacht, und so hat er in dieses Projekt auch einigen Forscherehrgeiz gesteckt. Vor allem ist er, wie er schreibt, den Spuren des vermischten Stils nachgegangen, den Elementen von italienischer, französischer und deutscher Tradition, die sich in den Partiten finden. Ohne Zweifel hat er recht, wenn er darauf hinweist, dass diese Werke weniger dem Verlauf der überkommenen Suite folgen, als dass sie Charakterstücke aneinander reihen. Rampe spielt denn auch mit einer agogischen Freiheit, die den einzelnen Sätzen sehr viel frische Farbe verleiht. Er hat die Partiten noch einmal unterteilt und verwendet für die ersten drei den modernen Nachbau eines Silbermann-Cembalos von 1749, also aus einer Zeit, in der Gottfried Silbermann bereits ausgezeichnete Hammerflügel baute. Für die Partiten Nr.4 - 6 hat sich Rampe auf den Nachbau eines Clavecins von Jean-Antoine Vaudry kapriziert, das von 1680 stammt. Beide Instrumente sind zweimanualig und gestatten ein lebhaftes Kolorit, wobei das französische Clavecin sogar die interessanteren Klänge bereithält. Das Konzept, die Partiten als in sich durchgeformte Folgen von Charakterstücken anzusehen, bietet durchaus Diskussionsstoff. Siegbert Rampe spielt die Sarabanden mit einer deklamatorischen Freiheit, die diese altehrwürdigen Schreittänze in die Nähe der Fantasie rückt. Die feierliche Pracht, die die Sarabande entfaltet, wenn der Rhythmus schärfer akzentuiert wird, tritt dabei in den Hintergrund. Gewonnen wird indes eine komplexe Polyphonie, in der die Musik jeweils zur Ruhe und quasi zu sich selbst findet. Gerade die Sarabande nutzt Rampe gelegentlich auch als Vorspiel zum nachfolgenden Satz, den er attacca oder fast attacca folgen lässt, um die aufgebaute Spannung tänzerisch zu lösen. Bach hat in diesen Partiten für reichlich Abwechslung gesorgt. Mal heißt die Courante Corrente, mal wird aus dem französischen Menuet ein Tempo di Minuetto. Die Eröffnungssätze tragen die Bezeichnungen Praeludium, Sinfonia, Fantasia, Ouverture, Praeambulum und Toccata. Siegbert Rampe lässt sich davon inspirieren und sorgt dafür, dass gleich beim Entrée der jeweilige Gestus einer Partita genau umrissen wird. Dieser Cembalist ist offenkundig kein Freund jener häufig geübten Praxis, alles mit einem stereotypen Nonlegato zu exerzieren, womit man als Interpret ja scheinbar immer auf der sicheren Seite ist. Rampe nutzt vielmehr oft ein nuanciertes Legato, um Zusammenhang herzustellen, und er gibt der Musik dabei immer wieder jenen weiten Atem, den man angesichts der gängigen Praxis schon verloren glaubte. Dass er prachtvoll aufspielen kann, zeigt er in der einleitenden Toccata der e-moll-Partita. Das ist ein Stück, bei dem die Cembalisten früher schon mal den 16' aktivierten; auf dem Vaudry-Clavecin behält auch dieser Satz etwas Spielerisches. * Musikbeispiel: J.S. Bach - 1. Satz aus: Partita Nr.6 e-moll BWV 830 Siegbert Rampe mit der Toccata aus der Partita Nr.6 e-moll von Johann Sebastian Bach. Die Doppel-CD ist, wie gesagt, gerade bei Virgin erschienen.

Norbert Ely | 23.04.2000