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Ja, Arzt - und weg!

Der deutsche Internist Jan Schmidtko arbeitet wie viele seiner Kollegen in der Schweiz. Während er die Ausbildung im Nachbarland aufgrund der besseren Betreuung lobt, hält er die Arbeitsbedingungen mittlerweile für vergleichbar mit denen in Deutschland.

Jan Schmidtko im Gespräch mit Kate Maleike | 10.03.2010
    Kate Maleike: Seit acht Jahren arbeitet er in der Schweiz, seit zwei Jahren am Universitätsklinikum in Lausanne. Jan Schmidtko ist Deutscher, 35 Jahre alt und Mediziner – und damit einer der jungen Ärzte, die ihre berufliche Zukunft lieber im Ausland als in Deutschland sehen. Gerade in der Schweiz ist er damit natürlich nicht die Ausnahme, denn viele Ärzte sind dort Deutsche. Warum und wieso er sich für den Gang ins Ausland entschieden hat und wie es ihm dort geht, das fragen wir ihn doch am besten gleich selbst. Hallo, Herr Schmidtko!

    Jan Schmidtko: Ja, schönen guten Tag nach Deutschland!

    Maleike: Wie und wann ist denn bei Ihnen damals die Entscheidung für die Schweiz gefallen?

    Schmidtko: Das war in der Zeit des Studiums. Ich war als praktischer Arzt im praktischen Jahr in der Schweiz und habe einen Teil meiner Ausbildung hier gemacht. Und ich war fasziniert vom Weiterbildungs- und Ausbildungssystem, was für mich zu der Zeit wesentlich besser war als das, was ich in Deutschland vorgefunden habe. Allein dadurch, dass zum Beispiel die Zahl der betreuenden Assistenzärzte für uns Studenten oder die Zahl der Oberärzte dann für die Assistenten wesentlich höher war und so eine direkte Betreuung und direkte Weiterbildung betrieben wurde, die seinesgleichen gesucht hat in Deutschland.

    Maleike: Jetzt sind Sie ja ausgebildeter Arzt, was ist denn im Vergleich zu Deutschland besser, was macht das Arbeiten für Sie im Moment attraktiver?

    Schmidtko: Das ist eine gute Frage. Wenn ich es mit Deutschland vergleiche, bleibt vielleicht im Moment nicht mehr viel übrig. Ich glaube, man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass man in die Schweiz als junger Arzt kommt und durchaus bessere Arbeitsbedingungen als in Deutschland findet. Wir haben hier schon auf dem Papier zum Beispiel eine 50-Stunden-Woche, also eine Woche, die länger ist als in Deutschland. Hinzu kommen Dienste. Unterm Strich würde ich sagen, arbeiten wir in der Woche mindestens genauso wenn nicht sogar mehr, in Stunden ausgedrückt, als ein deutscher Assistenzarzt oder ein deutscher Oberarzt. Natürlich ist der geografische Vorteil der Schweiz, wenn man die Berge gerne hat und Seen gerne hat und in einem sehr angenehmen Land leben möchte, dann ist die Schweiz natürlich ein sehr guter Ort, um dorthin auszusiedeln. Aber was die Arbeitsbedingungen angeht, denke ich, ist es mittlerweile vergleichbar mit denen in Deutschland.

    Maleike: Und die Bezahlung, wie sieht es da aus?

    Schmidtko: Die ist vielleicht, wenn man es auf dem Papier guckt, ist sie am Anfang besser. Das war auch einer der Punkte, warum ich mich damals dafür entschieden habe, Assistenzarzt in der Schweiz zu werden. Ich fiel noch in die Generation, die das AiP, die Zeit des Arztes im Praktikum machen musste, und wir wissen alle, wie unterbezahlt man in dieser Zeit war und wie viel man hätte arbeiten müssen. Das war einer der Gründe, warum ich zu der Zeit gesagt habe, ich übernehme Verantwortung für Patienten ab meinem Studium als Assistenzarzt, und ich sehe es nicht ganz ein, warum die finanzielle Kompensation deutlich unter dem normalen Niveau liegen sollte. Aber wenn man es mal ganz genau anschaut, die Lebenshaltungskosten in der Schweiz sind um ein Vielfaches höher als diejenigen in Deutschland, und unterm Strich, wenn ich es zum Beispiel mit meinen Kollegen jetzt in Norddeutschland vergleiche, kommen wir ungefähr gleich weg.

    Maleike: Aber die Facharztausbildung ist attraktiver als in Deutschland?

    Schmidtko: Attraktiver würde ich vielleicht so nicht unbedingt sagen, sie ist insgesamt weniger strukturiert als in Deutschland. In Deutschland gibt es nach wie vor diesen recht strengen Katalog und danach die Facharztprüfung, und hier in der Schweiz ist es noch nicht so, dass es einen ganz strengen Katalog gibt zum Erfassen der ganzen Tätigkeiten, die man in der Zeit gemacht hat, sondern man muss vielmehr die Jahre an verschiedenen Kliniken zusammenbringen und kann danach dann seine Facharztprüfung machen.

    Maleike: Wir sollten das vielleicht noch sagen, Sie sind Internist und wollen sich auch zum Nephrologen fachlich spezialisieren.

    Schmidtko: Das ist richtig. Ich habe meine Facharztausbildung zum Internisten abgeschlossen und bin eben gerade dabei, meine Facharztausbildung, meine zweite Facharztausbildung zum Nephrologen zu beenden. Ja, das ist richtig.

    Maleike: Herr Schmidtko, das Medizinstudium gilt als eines der teuersten in Deutschland, und wir haben hier zudem noch Ärztemangel, besonders in den ländlichen Gebieten. Können Sie verstehen, wenn man dann vielleicht von Medizinabsolventen auch erwartet, dass sie so was wie eine Verbundenheit mit Deutschland entwickeln und vielleicht auch erstmal im Land bleiben?

    Schmidtko: Das kann ich sehr gut verstehen, nur muss ich sagen, war die Politik zu meiner Zeit damals, als ich mit dem Studium fertig war, war alles andere als in dieser Fasson. Ich würde sagen, man wurde geradezu abgeschreckt durch das AiP, als Arzt in Deutschland weiterhin tätig zu werden, zudem muss ich sagen, für ein Gesundheitssystem, was meines Erachtens nach langfristig nicht aufgeht, weil es zu wenig die Selbstverantwortung des Einzelnen stärkt. Und das fand ich eigentlich dann in der Schweiz in der Summe der Sache vernünftiger. Ich bin in ein Land gegangen, wo das Assistentensein gewertschätzt wurde, und zudem fand ich mich in einem Gesundheitssystem wieder, was meines Erachtens nach durch eine Stärkung der Selbstverantwortung der Patienten ein sinnvolleres ist langfristig.

    Maleike: Können Sie sich vorstellen, auch mal wieder in Deutschland zu arbeiten, oder soll es vielleicht noch mal ein anderes Land sein?

    Schmidtko: Prinzipiell möchte ich nicht Nein dazu sagen, nach Deutschland zurückzukehren, aber das müssten schon sehr, sehr gute Bedingungen sein, zum Beispiel mit einem Stellenangebot, was ganz klar meinen Bedürfnissen entspricht. Und ich sage mal etwas scherzhaft, wenn ich nun nach Deutschland zurückkehre, dann nur nach Hamburg – mein gesamter Freundeskreis und Familie sind in der Region –, und insofern habe ich die Wahl. Wenn es mal so sein sollte, dass ein Angebot von da kommt, vielleicht sage ich dann nicht Nein, aber im Moment richtet sich mein Leben, meine Familie hier vor Ort doch danach aus, hierzubleiben.

    Maleike: Vielleicht ist diese Nachricht ja jetzt in Hamburg gehört worden. Für den Moment herzlichen Dank für das Gespräch! Jan Schmidtko war das. Und weiterhin viel Erfolg natürlich mit Ihrem Beruf. Jan Schmidtko ist deutscher Mediziner und arbeitet in Lausanne in der Schweiz.