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''Ja, wo laufen sie denn?''

Geschafft! Dieses Erdkrötenmännchen ist in Sicherheit, samt seinem Weibchen, dass ihn, den Kleineren, bereits seit Stunden trägt. Das große Hindernis, die verkehrsreiche Straße, vor allem befahren von schweren Lastwagen, ist überwunden. Jetzt können die beiden ihren Weg fortsetzen ins Naturschutzgebiet Swisttal bei Bonn und in einem der Gewässer dort laichen. Am frühen Morgen hatte das Krötenpaar die gefährliche Straße erreicht, wo ein Zaun aus festem Gewebe ihrer Wanderung vorerst ein Ende setzte, erklärt Günter Mitlacher NABU-Vorsitzender in Bonn:

Von Ursula Mense |
    "Wir haben hier einen etwa einen Kilometer langen Amphibienschutzzaun aufgebaut. Der ist so 50 cm hoch und an diesem Zaun entlang hüpfen die Tiere, bis sie in Eimer fallen. Darin ist Stroh und Gras, damit sie sich darin verstecken können, und dann werden die Tiere einmal am Tag morgens gesammelt und über die Straße gebracht in das Naturschutzgebiet."

    "Das ist der Abwehrreflex. Das Tier hat ja ein Weibchen gefunden und möchte nicht von dem Weibchen getrennt werden. Der klammert sich mit den Vorderbeinen am Weibchen fest und wenn man dran kommt, versucht er auch, einen wegzudrücken, weil er davon ausgeht, ich wäre ein Konkurrent."

    Erst vor wenigen Tagen haben Tillmann Jahn und die anderen ehrenamtlichen Helfer des Naturschutzbund wieder an die 20 plattgefahrene Kröten gefunden. Denn häufig durchqueren verkehrsreiche Straßen den Lebensraum der Tiere und trennen sie von ihren Laichgewässern. Ihr genetisches Programm lässt ihnen aber keine Wahl: sie müssen an den Ort ihrer Geburt zurück. Und das kostet sie oft das Leben.

    Mit vielen anderen Organisationen beteiligt sich der NABU bundesweit an Aktivitäten zum Schutz von Amphibien und sucht auch jetzt wieder zahlreiche Helfer, die Zäune aufstellen und Kröten einsammeln oder zum Beispiel Straßentunnel bauen. Günter Mitlacher:

    Untertunnelungen sind zum einen eine Frage der Kosten, zum anderen, ob die Tunnel angenommen werden. Wenn die Tunnel zu lang sind und auf der anderen Seite kein Licht zu sehen ist, dann gehen die Amphibien da gar nicht rein. Der Tunnel muss eine gewisse Größe haben und muss auch feucht gehalten werden und so angelegt sein, dass er wie ein Graben ist, der nur überdacht ist.

    Amphibienschutz ist zu einem Geschäft geworden, von dem manche Hersteller reichlich profitieren, meint der NABU. Nicht immer aber werden die Fertigteile den Anforderungen gerecht, die sie erfüllen müssen. Die Zäune zum Beispiel sollten form- und witterungsbeständig sein. Und müssen eine glatte undurchsichtige Oberfläche haben, damit die Tiere sie nicht überwinden können.

    Wenn es Kröte, Molch und Lurch nicht bis zum Laichgewässer schaffen, dann muss das Gewässer eben zu ihnen kommen. Denken sich so manche Amphibienschützer. Aber so einfach, wie es klingt, ist es nicht:

    Man versucht natürlich, auf den Wanderstrecken Ersatzgewässer zu installieren, wo es möglich ist, aber es ist nicht überall möglich. Sie sehen, das hier ist eine intensiv bewirtschaftete Fläche mit Weizen und Zuckerrüben. Dort ist nichts möglich. Sie kriegen hier keinen Quadratmeter intensiv genutzte Agrarlandschaft für solche Maßnahmen. Und die Tiere haben einen angestammten Weg und den müssen sie halt durchbrechen, was nicht einfach ist.

    An die 60 Kröten haben die NABU-Helfer in Swisttal in einer Woche gerettet. Und das nur an einer der vielen Stellen, wo die Tiere Straßen kreuzen. Bundesweit ist es so gelungen, zumindest bei den Erdkröten die Populationen einigermaßen stabil zu halten, sagt Mitlacher. Aber:

    Es ist ein Wettlauf gegen Straßen. Je mehr Straßen in der Landschaft sind, Räume zerschnitten, werden auch die Wanderwege von Amphibien zerschnitten, umso problematischer ist das. Natürlich kann der NABU nicht die Ersatzmaßnahme sein, sondern es muss weniger Straßen geben, es müssen auch Straßen zurückgebaut werden, dort, wo es möglich ist.

    Wer ein Grundstück oder einen Garten besitzt, kann mit einem Gartenteich ein Laichgewässer für die Tiere schaffen. Allerdings sollte man dabei der Versuchung widerstehen, Laiche aus der Natur zu entnehmen. Das ist laut Bundesartenschutzverordnung verboten und bringt auch nichts. Denn die Tiere versuchen schon bald, dorthin zurück zu wandern, wo sie hergekommen sind. Besser ist es, einfach abzuwarten. Denn ein Gartenteich - er sollte nicht zu klein sein - wird meistens schnell besiedelt.