Die überbordende Flut der Ideen und Bild-Assoziationen hätte für die "Ägyptische Helena" von Richard Strauss auch noch in vollem Umfang ausgereicht. Und die Bespielung der raffinierten, auf alten Fundamenten stehenden Fensterfronten der Rauminstallation von Gottfried Pilz und die mit ihr gegebenen Möglichkeiten zu Aus- und Durchblick würde sich nachgerade für diese Oper vom Ende der Zwanziger Jahre anbieten. Denn der Plot und das Libretto, den Hugo von Hofmannsthal für Strauss entwarf und ausführte, weist eine Reihe gleicher oder verwandter Hauptmotive auf: Äußerlich betrachtet haben da, wie in der Mozartschen "Entführung", Meer, Palast und Betäubungstrank zentrale Bedeutung – und zwischen diesen ja auch hochgradig symbolträchtigen Ingredienzien der Stücke geht es beidesmal um Schlüsselfragen der Liebe, der Treue bzw. des Liebeszweifels, der Untreue – und um die glückliche Versöhnung von zeitweise entzweiten Paaren.
Obwohl es also die wunderbare Gelegenheit gegeben hätte, der sperrigen und heute so anachronistisch wirkenden "Ägyptischen Helena", diese Verquickung von Seitensträngen der griechischen Mythologie mit einer modernen Ehe-Komödie, in einem virtuos-polyphonen Rahmen neue Theaterwirksamkeit zu verschaffen, wurde in der Felsenreitschule auf diese Chance verzichtet. Die Strauss-Oper kam lediglich konzertant zur Aufführung. Diese Beschränkung mag der Erfahrung geschuldet sein, die im vergangenen Jahr mit der "Liebe der Danae" zu machen war – Peter Ruzicka will ja in den nächsten Jahren einen ganzen Zyklus später Strauss-Opern in Salzburg heranwachsen lassen.
Die musikalische Leitung lag, wie schon bei der "Danae" im vergangenen Jahr, wieder bei Fabio Luisi, der damals für Christoph von Dohnanjy einsprang - und in der Titelpartie war auch jetzt wieder Debora Voigt zu hören mit ihrer enorm kräftigen Stimme: Wie eine Weinkönigin von der Nahe stand sie bei der "Zweiten Brautnacht" in der Brandung des Orchesters, und die Dresdner Staatskapelle verstand die Schaumkrönchen verführerisch blitzen zu lassen. Überhaupt zeichnet sich dieses Strauss-gestählte Orchester mit delikaten Klang-Momenten aus – als wisse es um manches der "letzten Geheimnisse", die in diese Musik wie in die Zaubertränke ihres Textes gemischt wurden. Doch erscheint die Episodenmusik letztlich weder auf einem ganz einheitlichen Leistungsstandard noch gewinnt die finale Apotheose mit der Anrufung "heiliger Sterne segnender Schar" nicht den letztmöglichen Nachdruck.
Vor allem Helen Donath als die für die Versuchsanordnung des Stücks entscheidend wichtige Zauberin Aithra sorgte zusammen mit dem jugendlichen Überschwang des begehrlichen Häuptlingssohns Da-Ud, den Kresimir Spicer vorzüglich servierte, sammelten Punkte, deren Negativ-Konto der niederländische Tenor Albert Bonnema als König Menelas im Gegenzug kräftig belastete.
Doch mit dieser alles in allem mediokren Produktion war der Tiefpunkt bei den Eröffnungspremieren der Salzburger Festspiele noch keineswegs erreicht: Kent Nagano und David McVicar präsentierten eine Fassung von "Hoffmanns Erzählungen", die sich auf dem philologischen Stand von 1910 und mit ihrem modifizierten Einheitsbühnenbild auf dem ästhetischen von 1960 bewegte. Neil Shicoff schlängelte sich mit viel angegrautem Schmelz durch die hoch anspruchsvolle Partie – neben ihm (und insbesondere neben den drei allesamt nicht überzeugenden Sängerinnen, die Hoffmanns Liebesaffären zu beglaubigen hätten) ist Angelika Kirchschlager als dauereifersüchtige Muse und eigenwilliger Diener Niklas ein Lichtblick.
Die Bühnen- und Kostümbildnerin Tanya McCallin schwankte, ob sie die Rahmenhandlung und die drei erotischen Tag- und Nachtstücke in der Zeit Hoffmanns zu Beginn des 19. Jahrhunderts oder in der Zeit des späten Offenbach an seinem Ende ansiedeln sollte. Die Verantwortlichen dieser "Hoffmann"-Produktion beanspruchten, "dem Publikum eine zusammenhängende Aufführung anzubieten". Damit meinten sie: Den Torso-Charakter des Werks überspielen zu müssen und zu können. Ein Teil des Publikums danke ihnen diesen Willen zu Begütigung. Die, die mehr erwarten als Stadttheater der verblichenen 60er Jahre, schlugen in Gedanken die Hände überm Kopf zusammen und erinnerten sich an einen der ältesten Kalauer: Schmalzburger Restspiele.
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1619.html
Obwohl es also die wunderbare Gelegenheit gegeben hätte, der sperrigen und heute so anachronistisch wirkenden "Ägyptischen Helena", diese Verquickung von Seitensträngen der griechischen Mythologie mit einer modernen Ehe-Komödie, in einem virtuos-polyphonen Rahmen neue Theaterwirksamkeit zu verschaffen, wurde in der Felsenreitschule auf diese Chance verzichtet. Die Strauss-Oper kam lediglich konzertant zur Aufführung. Diese Beschränkung mag der Erfahrung geschuldet sein, die im vergangenen Jahr mit der "Liebe der Danae" zu machen war – Peter Ruzicka will ja in den nächsten Jahren einen ganzen Zyklus später Strauss-Opern in Salzburg heranwachsen lassen.
Die musikalische Leitung lag, wie schon bei der "Danae" im vergangenen Jahr, wieder bei Fabio Luisi, der damals für Christoph von Dohnanjy einsprang - und in der Titelpartie war auch jetzt wieder Debora Voigt zu hören mit ihrer enorm kräftigen Stimme: Wie eine Weinkönigin von der Nahe stand sie bei der "Zweiten Brautnacht" in der Brandung des Orchesters, und die Dresdner Staatskapelle verstand die Schaumkrönchen verführerisch blitzen zu lassen. Überhaupt zeichnet sich dieses Strauss-gestählte Orchester mit delikaten Klang-Momenten aus – als wisse es um manches der "letzten Geheimnisse", die in diese Musik wie in die Zaubertränke ihres Textes gemischt wurden. Doch erscheint die Episodenmusik letztlich weder auf einem ganz einheitlichen Leistungsstandard noch gewinnt die finale Apotheose mit der Anrufung "heiliger Sterne segnender Schar" nicht den letztmöglichen Nachdruck.
Vor allem Helen Donath als die für die Versuchsanordnung des Stücks entscheidend wichtige Zauberin Aithra sorgte zusammen mit dem jugendlichen Überschwang des begehrlichen Häuptlingssohns Da-Ud, den Kresimir Spicer vorzüglich servierte, sammelten Punkte, deren Negativ-Konto der niederländische Tenor Albert Bonnema als König Menelas im Gegenzug kräftig belastete.
Doch mit dieser alles in allem mediokren Produktion war der Tiefpunkt bei den Eröffnungspremieren der Salzburger Festspiele noch keineswegs erreicht: Kent Nagano und David McVicar präsentierten eine Fassung von "Hoffmanns Erzählungen", die sich auf dem philologischen Stand von 1910 und mit ihrem modifizierten Einheitsbühnenbild auf dem ästhetischen von 1960 bewegte. Neil Shicoff schlängelte sich mit viel angegrautem Schmelz durch die hoch anspruchsvolle Partie – neben ihm (und insbesondere neben den drei allesamt nicht überzeugenden Sängerinnen, die Hoffmanns Liebesaffären zu beglaubigen hätten) ist Angelika Kirchschlager als dauereifersüchtige Muse und eigenwilliger Diener Niklas ein Lichtblick.
Die Bühnen- und Kostümbildnerin Tanya McCallin schwankte, ob sie die Rahmenhandlung und die drei erotischen Tag- und Nachtstücke in der Zeit Hoffmanns zu Beginn des 19. Jahrhunderts oder in der Zeit des späten Offenbach an seinem Ende ansiedeln sollte. Die Verantwortlichen dieser "Hoffmann"-Produktion beanspruchten, "dem Publikum eine zusammenhängende Aufführung anzubieten". Damit meinten sie: Den Torso-Charakter des Werks überspielen zu müssen und zu können. Ein Teil des Publikums danke ihnen diesen Willen zu Begütigung. Die, die mehr erwarten als Stadttheater der verblichenen 60er Jahre, schlugen in Gedanken die Hände überm Kopf zusammen und erinnerten sich an einen der ältesten Kalauer: Schmalzburger Restspiele.
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