Dienstag, 23. April 2024

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Jäger des begrabenen Schatzes

Milliarden werden umgesetzt, Millionen verdient - der illegale Handel mit Antiquitäten ist ein riesiges Geschäft. Fast alle in der Handelskette profitieren: die Raubgräber, die Schmuggler, die Hehler und die Sammler. Aber auch Museen haben sich das ein oder andere wertvolle Stück nicht entgehen lassen. Zur Zeit sind es die Krisenregionen, die ihrer Geschichte beraubt werden: Irak und Afghanistan. Aber auch ehemalige Ostblockstaaten sind Opfer systematischer Plünderungen.

Von Barbara Weber | 01.01.2009
    "Ich hab' mal vor Jahren eine Reise gemacht, nach Kambodscha, und da ist mir aufgefallen, dass etwa 90 Prozent aller Buddha-Figuren keinen Kopf mehr hatten, und da hab' ich unseren Führer gefragt, weil wir alleine waren, ob er mir so einen Buddha-Kopf besorgen könne. Und da guckt er mich an und sagt, ne, es gibt keine mehr."

    Ein Sammler.

    "Hier rechts beispielsweise haben wie gerade neben dem Weg ein kleines Loch, was ein Raubgrabungsloch sein könnte. Das ist so ein klassisches Bild: 30, maximal 40 Zentimeter im Durchmesser, rechts und links die Erde aufgeworfen. Oft ist die Erde dann auch in eine Richtung gefeuert, und wenn man sich dann anschaut ein Raubgrabungsloch, was frischer ist, sieht man meistens, dass die Wurzeln scharfkantig durchtrennt sind."

    Oberkommissar Eckart Laufer, Ermittlungsgruppe Raubgrabungen des hessischen Landeskriminalamtes.

    Jäger des begrabenen Schatzes - Raubgräber zerstören die Grundlagen der Archäologie - Ein Feature von Barbara Weber

    Der Markt und seine Gesetze

    "In den 60ern und 70ern habe ich angefangen. Es waren andere Zeiten, andere Gesetze. Die Länder waren sich ihres kulturellen Erbes, das im Laufe von Dekaden angewachsen ist, nicht bewusst oder womöglich stolz darauf."

    Michel van Rijn, Kunsthändler, ehemaliger Informant von Interpol und Scotland Yard, jetzt wieder Kunsthändler.

    "Man konnte mit Antiken handeln, ohne dass zu viele Fragen gestellt wurden. Ich war einer der Tophändler der 70er. Millionen Dollar oder Pfund konnte man im Jahr umsetzen. Der globale Markt zu der Zeit betrug Milliarden von Dollar aber war nicht so illegal wie er es heute ist. Durch die Auktionen bei Sotheby's und Christies wurden Antiken rund um den Globus beworben. Das war der Grund, warum ich den Markt verlies, weil es ein organisiertes kriminelles Kartell wurde. Es gab südamerikanische Kartelle, in den Ostblockstaaten, Bulgarien, in dem Funde von den Römern, Byzantinern und Griechen gemacht wurden. Mit wenig Kapital konnte man es sehr weit bringen. Die organisierte Kriminalität wurde begünstigt durch Kriege und Plünderungen von Museen. Die Preise wurden durch Auktionen immer höher getrieben. Es konnte plötzlich eine Menge Geld verdient werden von Organisationen, die eigentlich mit Drogen oder Waffen handelten. Heute beträgt das Volumen des illegalen Antikenhandels fünf bis sechs Milliarden Dollar."
    Michel van Rijn ist eine schillernde Figur im Handel mit Antiken. Der "Gentleman-Ganove" wurde er von dem Kunst-Magazin Art genannt. Die Zeitschrift beschrieb vor einigen Jahren seine exzellenten Kenntnisse des Kunstbetriebs. Als V-Mann von Scotland Yard soll er jahrelang im Milieu gearbeitet und dabei profitable Geschäfte gemacht haben. So wurde ein britischer Polizei-Offizier mit der Feststellung zitiert, van Rijn sei...

    in 90 Prozent aller Fälle von Kunstschmuggel weltweit verwickelt und wäre froh, das auch von den restlichen zehn Prozent behaupten zu können.

    Tempi passati. Die Undercover Zeiten sind - so scheint es - vorbei. Seit einem Jahr arbeitet der Mann wieder als Kunsthändler.

    "Ich habe die Zeit sehr genossen, habe mir eine Menge Feinde gemacht im Kunstmarkt. Vor einem Jahr fand ich dann - es war schrecklich - Fotos meiner Kinder auf der Türschwelle als Warnung. Ich bin bei mehreren Gelegenheiten gewarnt worden, weil die Geschäfte gestört wurden. Ja, ich trauere dem nach. Ich bin sehr glücklich zurück im Kunstmarkt zu sein, im legalen Kunstmarkt."
    Auch wenn manches, was Michel van Rijn erzählt, phantastisch anmutet. Den Boden der Realität scheint er nicht verlassen zu haben, wie sich bei der Lektüre des Buches "Die Medici Verschwörung" leicht feststellen lässt.

    Darin beschreiben Peter Watson und Cecilia Todeschini den Fall des Kunsthändlers Giacomo Medici. Dank einer mehrere hundert Mann starken Sondereinheit der italienischen Polizei und unter Mithilfe Schweizer, amerikanischer, britischer und französischer Behörden, konnten die verwickelten Hintergründe aufgeklärt werden.
    Giacomo Medici hatte seine Schätze aus Raubgrabungen und Plünderungen unter anderem in einem Genfer Zollfreilager deponiert. In einem Zollfreilager können Waren gelagert werden, ohne dass sie offiziell in ein Land eingeführt und versteuert werden müssen.
    Was die ermittelnden Schweizer Beamten im Korridor 17, Raum 23 in dem Freilager fanden, verblüffte sie: Raum 23 bestand aus drei Zimmern, eingerichtet wie Wohnzimmer. Im hinteren Raum befand sich ein offener Safe. An den Wänden standen Schränke.

    Die Schränke waren vollgestopft mit Vasen, Statuen, Bronzen, Kandelabern, Mosaiken, Glasobjekten, Fayence-Tieren und Schmuck. Fresken lagen zum Teil auf dem Boden; mit Zeitungspapier umwickelt Vasen in Obstkisten verpackt. Erde klebte an einigen Stücken. Etikette von Sotheby's hingen an etlichen Antiken.
    Der geschätzte Wert der Objekte: mehrere Millionen Dollar.
    Die zusätzlich gefundenen rund 10.000 Polaroids von antiken Stücken ließen nur einen Schluss zu:

    Giacomo Medici betrieb einen regen Handel mit illegalen Antiken, auch über Mittelsmänner. Er wusch seine Ware bei Auktionen, er belieferte reiche private Sammler, er bestückte Museen. Dazu zählten das Metropolitan Museum in New York und vor allem das Getty - Museum in Los Angeles.
    Das hatte, gespeist von den Millionen der Gewinne des Konzerns, seine ganz eigenen Probleme. Nach US-Recht musste es innerhalb eines bestimmten Zeitraums einen Mindestanteil der Stiftungsgelder ausgeben, um seinen gemeinnützigen Status zu erhalten. Das führte letztendlich dazu, dass horrende Preise für Objekte fragwürdiger Provenienz, also Herkunft, gezahlt wurden. So stieg erstmals der Preis für bestimmte griechische Vasen auf über eine Million Dollar.
    Inzwischen musste das Getty eingestehen, dass etliche der ausgestellten Stücke aus Raubgrabungen in Italien stammten und sie zurückgeben. Giacomo Medici wurde zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, gegen die damalige Kuratorin Marion True in Rom ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
    In dem akribisch recherchierten und spannend geschriebenen Buch tauchen auch andere Namen auf: zum Beispiel der des Schweizer Kunsthändlers Jean David Cahn.

    Vernissage in London. Mit dabei: Journalisten vom Kulturplatz des Schweizer Fernsehens. Die Kollegen hatten sich auf die Spuren des renommierten Basler Kunsthändlers Jean David Cahn geheftet, denn die Schweizer Behörden ermitteln gegen ihn wegen Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Sorgfaltspflicht.
    Cahn hat - so der Vorwurf - in letzter Zeit mehrfach Stücke angeboten, die gestohlen waren: eine griechische Grabvase, eine Apollon Statur und eine aus der Türkei stammende römische Bronzehand. Die Schweizer Behörden haben diese Objekte wieder in die Herkunftsländer zurückgeführt.
    Der Kunsthändler ist sich keiner Schuld bewusst:

    "Ich hab' kein Schuldbewusstsein, in allen drei Fällen habe ich meine Sorgfaltspflicht wahrgenommen."
    Allerdings handelte Cahn mit Objekten, die von Interpol mit Fahndungslisten gesucht wurden. Der Apollon, den er schon für fast 400.000 Schweizer Franken weiterverkauft hatte, wie auch die Bronzehand aus der Türkei, waren auf der öffentlich zugänglichen Interpol-CD geraubter Kunst verzeichnet. Trotzdem sagte Cahn gegenüber den Schweizer Journalisten, er habe die Stücke gutgläubig im Handel erworben.

    "Der erste Fall, der Apollon, ist dort in London öffentlich ausgestellt worden. Dort ist auch der Prüfungsvorgang durchgeführt worden. Ich blick nicht durch mit der Hand. Mit der Hand ist es anders gewesen. Da hat sich das Auktionshaus, nachdem ich das Stück hatte, bei mir gemeldet und gesagt, wir haben das jetzt auf der neuen CD entdeckt. Ich hab' gesagt, um Himmels Willen, ich übergebe es der Schweizer Behörde."

    Und das dritte Stück? Als der Kunsthändler versuchte, die Vase auf einer Messe zu verkaufen, meldeten sich griechische Fahnder. Darauf wurde die Vase in der Schweiz konfisziert und im April dem griechischen Kultusminister übergeben.

    "Das ist das dritte Stück, wo ich auch die Herkunftsprüfung gemacht habe, die Exportlizenz, also alles regelkonform, und da ist herausgekommen, dass etwas mit dem Stück nicht in Ordnung ist. Das hat mich sehr getroffen, und ich werde mit dem deutschen Auktionshaus nicht mehr arbeiten. Das habe ich denen erklärt. Ich folge strickt dem Reglement und den Anforderungen."

    Schon 2006 - so die Schweizer Kollegen - war der Kunsthändler aufgefallen, weil er Antiken aus dem Irak anbot. Die vorgelegten französischen Herkunftspapiere akzeptierten die Behörden nicht - so Andreas Rascher vom Schweizer Bundesamt für Kultur.

    "Da muss eine Exportbewilligung aus dem Irak vorgelegt werden. Alle anderen Exportbewilligungen zum Beispiel aus Frankreich, Belgien, Deutschland oder was weiß ich, die sind nichts wert in dem Zusammenhang. Das Uno-Gesetz sagt, und das Schweizer Gesetz sagt, es ist eine Herkunftsbewilligung aus dem Irak notwendig, sonst lebt so ein Kunsthändler sehr gefährlich."

    Seit drei Jahren hat die Schweiz ein Kulturgütertransfergesetz. Es verschärft die Sorgfaltspflicht für Händler. Und regelt klar, wann ein Kulturgut veräußert werden kann und wann nicht. Das Gesetz gilt bei vielen deutschen Archäologen als vorbildlich.
    Die Schweiz folgte damit dem UNESCO-Übereinkommen vom 14.November 1970.
    Das regelt nach Artikel 1 der amtlichen deutschen Übersetzung:

    Im Sinne dieses Übereinkommens gilt als Kulturgut das von jedem Staat aus religiösen oder weltlichen Gründen als für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst und Wissenschaft besonders bedeutsam bezeichnete Gut.

    Aufgeführt werden unter anderem:

    Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen (sowohl vorschriftsmäßiger als auch unerlaubter) oder archäologische Entdeckungen. Teile künstlerischer oder geschichtlicher Denkmäler oder archäologische Stätten, deren Zusammenhang zerstört ist. Antiquitäten, die mehr als hundert Jahre alt sind, wie Inschriften, Münzen und gravierte Siegel.

    37 Jahre nachdem die Generalkonferenz der Vereinten Nationen das Übereinkommen beschlossen hat, stimmten Bundesrat und Bundestag dem Gesetz vom 18. Mai 2007 zu. Im Vorfeld hatte es heftige Kritik von Seiten der Archäologen- verbände gegeben, erinnert sich Prof.Hermann Parzinger, Generaldirektor Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der zu der Zeit das Deutsche Archäologische Institut leitete:

    "Wir hatten damals ein Gespräch, als wir wussten, dass in der Politik über dieses Gesetz, über die Formulierung nachgedacht wird mit dem Verband der Landesarchäologen in Deutschland, mit dem Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz, mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dem Deutschen Archäologischen Institut, den staatlichen Museen zu Berlin und haben versucht, da Vorschläge zu machen, wie man vielleicht den ein oder anderen Paragraphen einführen könnte, der das zugunsten der Archäologie und des kulturellen Erbes unserer frühesten Geschichtsperioden etwas verbessert. Nun, das hat leider nicht so Eingang gefunden, aber da wird man vielleicht in der Zukunft darüber nachdenken müssen."

    Erstens ist nach Meinung von Archäologen auf jeden Fall § 18 nachzubessern. Der legt nämlich fest, dass der Wert eines Kulturgutes mindestens 1000 Euro betragen muss, bevor das Gesetz greift.
    "Für uns Archäologen ist das nicht befriedigend. 1000 Euro, ich meine, für uns sind auch Objekte, die man für wesentlich weniger auf dem Markt verkaufen kann, ganz, ganz wichtig, sie in ihrem Zusammenhang zu haben die haben dann nur ihren Wert im Kontext."

    Zweitens sieht das Gesetz vor, dass ein Verzeichnis wertvollen Kulturgutes der Vertragsstaaten von dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erstellt und nach Bedarf ergänzt wird.

    "Was noch im Boden steckt, kann nicht gelistet sein, insofern ist es nicht so glücklich. Es ist gut für Antiquitäten, für Kunst im weitesten Sinne aber nicht für archäologische Objekte, die man ja ständig durch Raubgrabungen generieren kann."

    Zum dritten führt das Gesetz dazu, dass der Nachweis der Herkunft eines antiken Stückes für ein betroffenes Land sehr schwierig ist. Dem Händler wird nur auferlegt, einen Herkunftsnachweis "soweit möglich" zu erbringen. Allerdings müssen Name und Anschrift des Verkäufers und des Käufers dokumentiert werden.
    Welche Schwierigkeiten auftreten können, zeigt der Fall der Ankeraxt des Königs Schulgi. Die Axt ist mit einer besonderen Bedeutung verknüpft, wie der irakische Botschafter Alaa Al-Hashimy betont:

    "Die besondere Axt trägt eine Inschrift des Königs Schulgi. Schulgi herrschte im 21.Jahrhundert vor Christus über das Reich von Sumerien und Arkadien, Südirak nennen wir das. Die Ankeraxt ist aus dem persönlichen Besitz des Königs. Es ist so etwas wie ein Reichsabzeichen, ein Herrschaftssymbol, ein Objekt von außerordentlicher Bedeutung. Wir fordern die Rückgabe von dieser Schulgi Axt, weil es sich um irakisches Staatseigentum handelt, für das der Irak nie eine Ausfuhrgenehmigung erteilt hat."

    Wie der Fall der Schulgi Axt zu einem Fall wurde, teilte Winfried Südkamp, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Köln auf Anfrage in einer Mail mit:

    Der erwähnte Fall der sichergestellten "Ankeraxt" nahm seinen Ursprung auf der Kunst- und Antikmesse TEFAF in Maastricht. Die beschriebene Ankeraxt fiel im konkreten Fall als Gegenstand auf, welcher einem sogenannten Ausfuhrverbot aus dem Irak unterliegen sollte. Sie wurde im Anschluss an die Messe in Deutschland sichergestellt.

    Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Köln gab auf Anfrage bekannt, dass das Verfahren eingestellt worden sei. Die Axt würde an den Kunsthändler aber nicht zurückgegeben.
    Warum nicht, fragt sich der Laie, wenn das Verfahren doch eingestellt wurde? Andererseits ist auch für den Irak die Provenienz der Ankeraxt nur schwer nachweisbar, die eine Verbalnote des Auswärtigen Amtes vom 18.September fordert:

    Das Auswärtige Amt beehrt sich ... mitzuteilen, dass die ... Ankeraxt des Königs Schulgi, die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens von der Staatsanwaltschaft Köln beschlagnahmt wurde, sich auch heute noch im Gewahrsam der Staatsanwaltschaft Köln befindet. ...
    Der Staatsanwaltschaft in Köln fehlen für eine Entscheidung über eine Herausgabe der Ankeraxt noch weitere Angaben zur Herkunft. Das Auswärtige Amt bittet daher um Übermittlung - soweit möglich - aller verfügbaren Angaben zu Fundort oder sonstigen Fundumständen sowie gutachterlicher Erkenntnisse.

    Wie kann sich in einem solchen Fall die Herkunft nachweisen lassen? Wenn es keine Zeugen für die Grabung gibt, keine Eintragung in einem Register für gestohlene Objekte, ist der Nachweis der Herkunft nur schwer zu erbringen.
    Auch Händler geraten manchmal in eine Zwickmühle. So gibt es Objekte, die zweifelsfrei aus alten Sammlungen stammen, im Optimalfall über Papiere verfügen oder eine Ausfuhrgenehmigung des betreffenden Staates haben. Der ein oder andere Händler mag auch überrascht werden, wenn sich herausstellt, dass die Herkunft des Objektes nicht so klar ist, wie sie im ersten Moment erschien.
    Es gibt aber auch Händler, die bei den Herkunftsangaben etwas nachhelfen. Für Wissenschaftler ist schwer nachvollziehbar, warum gerade in den letzten Jahren mit dem exorbitanten Anstieg der Preise plötzlich so viele unbekannte alte Sammlungen auftauchen. Zudem werden Schriftstücke zum Herkunftsnachweis angeboten, die zwar offiziösen Charakter haben, aber nicht aussagekräftig sind:
    Michel van Rijn:

    "Es gibt verschiedene Wege, ein Objekt zu legalisieren. Nehmen wir mal an, Sie finden ein Objekt im Boden der Türkei, Bulgarien oder Italien, ein unbekanntes Objekt. Es gibt kein Photo, keine Beschreibung davon. Es gibt eine Institution, The Art Loss Register, sie gehört den drei großen Auktionshäusern Bonhams, Sotheby's und Christies. Insofern besteht ein Interessenkonflikt. Wenn man jetzt ein antikes Stück hat, frisch aus dem Boden, sendet man ein Photo und bittet um Information, ob dieses Stück als gestohlen gemeldet wurde, dann erhält man einen korrekten Brief zurück, dass das Stück als geraubtes Objekt nicht gelistet ist. Natürlich kann es nicht gelistet sein, weil es frisch aus dem Boden kommt."

    So hat man sein erstes Dokument. Die Autoren, die die Medici-Verschwörung aufdeckten, beschreiben eine weitere Möglichkeit: Man bietet sein antikes Stück einem Museum als Leihgabe an. Meist antworten die Museen, dass die Antike aus dem einen oder anderen Grund nicht in die Sammlung passt. So hat man ein weiteres offizielles Papier.
    Oder man gibt sein Stück in eine Auktion und ersteigert es über Mittelsmänner wieder.
    Oder man kauft eine Ausfuhrgenehmigung, ein in Bulgarien oder Rumänien besonders beliebtes Vorgehen. Manchmal sind Regierungsangehörige auch direkt an den Geschäften beteiligt.
    Oder man verzollt bei ahnungslosen Grenzbeamten weniger wertvolle Massenware. Die offiziellen Papiere werden später anderen Stücken beigegeben.
    Oder man fügt einer alten Sammlung einfach einige Stücke hinzu. Schwieriger wird langsam die Methode, angeblich auf dem Dachboden der verstorbenen Großeltern Antiken gefunden zu haben.

    Es gibt viele Methoden, die Herkunft von Kulturgütern zu erklären oder sich offizielle Papiere zu beschaffen und ihnen so eine scheinbar legale Provenienz zu geben.
    Schon früh haben Länder mit traditionell antiken Wurzeln reagiert, um den Raub einzudämmen: In Italien und Griechenland gibt es ein Exportverbot von Kulturgütern seit Mitte des 19.Jahrhunderts.
    Der Irak - mit Mesopotamien die "Wiege der Menschheit" - hat ein solches Gesetz seit 1869.

    Das wurde bis vor dem letzten Krieg auch strikt eingehalten. Jetzt floriert der Handel mit irakischen Antiken, die zweifellos nicht alle aus alten, ehrwürdigen Sammlungen stammen können.

    Der irakische Botschafter Alaa Al-Hashimy mit einem Beispiel:

    "Im vergangenen Jahr wurde im Auktionshaus Sotheby's in New York eine kleine 5000 Jahre alte sumerische Löwin, Figur als Löwin, versteigert, für 57 Millionen Dollar."

    Am 5.November sollten im Frankfurter Münz-Auktionshaus Dr.Busso Peus irakische Rollsiegel versteigert werden, Preis zwischen etwa 1000-2000 Euro pro Stück. Die irakische Botschaft versuchte, die Auktion zu stoppen, scheiterte aber an einem Formfehler, wie der Botschafter erklärte. Einige Siegel wurden laut Internet- Auftritt der Firma verkauft.

    Die Provenienz der Objekte erklärt Christoph Raab, Inhaber der Münzhandlung, so...

    "Wenn sie auf die Siegel abzielen, das war eine Sammlung, deren Provenienz ich glaub', 80 Jahre auch zurückreicht, also ganz klar festzuhalten, es kommt aus London, eine alte Privatsammlung ist im Katalog auch alles dokumentiert."

    Wie viel mit antiker Kunst umgesetzt wird - darüber streiten sich die Beteiligten.
    Die Autoren des Buches "Die Medici Verschwörung" gehen allein bei den von ihnen aufgelisteten Fällen von einem Handelsvolumen von 500 Millionen Dollar aus.
    Dabei geht es überwiegend um Objekte griechischer und italienischer Provenienz. Der Kunsthändler Michel van Rijn spricht von Milliarden, die weltweit im Antikenhandel umgesetzt werden
    In München wurde im April eine Sammlung sichergestellt, deren Schätzwert sich zwischen 10 bis 100 Millionen Euro beläuft.
    Oberstaatsanwalt Anton Winkler, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft München 1

    "Es ist eine historische südamerikanische und mittelamerikanische Sammlung, präkolumbianische Kunst aus Lateinamerika, es sind Kunstgegenstände in Form von Masken, Statuen oder Statuetten, eben kleinere Statuen, Vasen und Schalen. Es sind insgesamt mehr als Tausend Gegenstände, allerdings wissen wir über die Echtheit der Gegenstände nichts, das heißt, die Sachverständigen haben lediglich eine Sichtung vorgenommen. Sie haben sie fotografiert und katalogisiert. Es gibt aber keine Echtheitsbegutachtung."

    Wem die wohl aus einer spanischen Ausstellung stammenden Objekte letztendlich gehören, wurde noch nicht festgestellt. Zudem haben verschiedene südamerikanische Länder ihre Ansprüche angemeldet. Immerhin werden die Objekte doch als so wertvoll angesehen, dass die Staatsanwaltschaft München entsprechende Maßnahmen ergriffen hat, den sogenannten Schatz zu sichern:

    "Wir wollen den Ort der Aufbewahrung deswegen nicht bekannt geben, weil er doch einen bestimmten Wert hat, zum anderen die Medien und aber auch die Sammler großes Interesse hatten, diesen Ort mal zu sehen, fotografieren und das können wir nicht riskieren. Wir wollen, dass der Lagerraum weiterhin sicher bleibt und verschont bleibt von eventuellen Zutritten."

    Ist der Handel mit Antiken ein so lukratives Geschäft? Muss eine Staatsanwaltschaft schon so drastische Sicherheitsvorkehrungen treffen?

    Ausnahmefälle und keinesfalls die Regel - wiegeln Antikenhändler seit Jahren ab. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 17.09.2005 sagt der vor einigen Wochen frisch gekürte Präsident der International Association of Dealers in Ancient Art, der Kunsthändler Gordian Weber, über den Jahresumsatz:

    "Nach der International Association of Dealers in Ancient Art beläuft er sich auf 440 Millionen Euro. In den Medien taucht jedoch immer wieder die falsche Behauptung auf, dass jährlich Hunderte Milliarden Dollar umgesetzt würden. Auch dass der illegale Antikenhandel ähnlich lukrativ sei wie der Drogen- und Waffenhandel, ist absurd. Wer so etwas heute noch behauptet, will sich interessant machen."

    Um genaueres über seine eigene Haltung sowie jene der Händlervereinigung zu Raubgrabungen und Hehlerei zu erfahren, verabreden wir uns in seiner Kunsthandlung. Nach einem Vorgespräch möchte der Händler zunächst seine Anwältin kontaktieren. Das abgesprochene Interview am nächsten Tag entfällt.
    Nicht nur die Großen wollen an Antiken verdienen. Auch Kleinhändler und Schatzsucher haben den Markt für sich entdeckt:

    "Wir haben ja hier schon einen Gegenstand mal geöffnet im Internet-Auktionshaus eBay."

    Oberkommissar Eckart Laufer deutet auf eine Bildschirmseite.

    "Wir sehen dort eine Fibel..."

    Also eine Gewandnadel.

    "Vom Bild her ganz klar ein antiker Gegenstand, ungereinigt. Ungereinigte Gegenstände als solches sind zunächst mal zu hinterfragen insofern, wenn man nämlich weiß, dass Gegenstände archäologischer Art, wer die findet, muss sie melden, nach dem Melden werden sie auch erfasst seitens des Staates. Und die Regel ist, dass dann diese Gegenstände wissenschaftlich bearbeitet werden und restauriert werden entweder durch die staatlichen Behörden selbst oder von den beauftragten Institutionen oder aber auch in Zusammenarbeit mit dem Finder."

    Nachweise über die Herkunft solcher Objekte wurden bei eBay selten erbracht.
    Dr. Michael Müller-Karpe, Archäologe am Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz, hat lange auf die bei eBay Verantwortlichen eingewirkt, bis es zu einer Änderung kam:

    "Bei eBay waren gleichzeitig meist etwas über 1000 original Antiquitäten angeboten worden, bei denen der dringende Tatverdacht der Unterschlagung bestand, dass diese Dinge aus illegalen Grabungen stammten. Das war zum Teil daran zu erkennen, dass keine Herkunftsangaben gemacht wurden, entweder gar keine oder sehr wage. Jedenfalls habe ich dann ein Schreiben an eBay geschickt, an den Leiter der Rechtsabteilung und ihn auf diesen Sachverhalt hingewiesen, zumal in den Grundsätzen von eBay es hieß, es ist verboten, archäologische Objekte zu handeln, deren legale Herkunft nicht nachgewiesen werden kann. Und hab' ihn gefragt, ob er denn einen Händler mir nennen könne, der die legale Herkunft der von ihm angebotenen Ware nachweisen kann?"

    Dr. Müller-Karpe schickte der Rechtsabteilung eine Liste von mehreren Hundert Objekten.

    "Im Laufe der Korrespondenz, die sich daraus entwickelt hat, wurden dann mehrere Tausend Objekte, zweifelhafter Herkunft und habe ihm den Vorschlag gemacht, er möge doch zehn Händler anschreiben, wenn er von diesen zehn den Nachweis nicht erbracht bekommt, dass die Objekte legal sind, dann Hundert, und wenn von diesen Hundert kein legales Objekt dabei ist, Tausend. Es ist ihm nicht gelungen, mir einen einzigen Händler zu nennen. Innerhalb eines halben Jahres war es eBay nicht gelungen, mir einen legalen Händler zu nennen, das heißt einen Händler nachzuweisen, der mit den Grundsätzen von eBay übereingestimmt hätte."

    Bei einem Treffen mit Vertretern der Polizei, der Bodendenkmalpflege und Archäologen wurde dann beschlossen, die Richtlinien so zu verschärfen, dass ein Herkunftsnachweis in das Angebot eingestellt wird. Die Richtlinie gilt seit Juli 2008 und hat zu einem dramatischen Rückgang der Angebote geführt von mehreren Tausend auf einige Dutzend.
    Allerdings könnte eine Überarbeitung der Liste notwendig werden. Die Landesarchäologen haben einen Kriterienkatalog ausgearbeitet, in dem auch aufgeführt wird, wie die Herkunft eines Objektes nachzuweisen ist: durch die Abbildung einer Quittung des Händlers oder die Seite eines Auktionskatalogs.
    Diese lässt häufig Interpretationsspielraum zu, wie Prof.Jürgen Kunow, Landesarchä-ologe Rheinland und Vorsitzender des Verbandes der Landesarchäologen, feststellte:

    "Es ist nicht unüblich bei hochkarätigen Objekten, dass man also etwas euphemistisch von "property of a gentleman" gesprochen hat und das als Provenienzaussage als hinreichend angesehen hat. Also ich denke, jeder Händler, der solche Angaben in einem Katalog hat, der geht im Grunde nicht mit großen Ethikgrundsätzen seinem Beruf nach."
    Nicht nur das. Der Abdruck in einem Auktionskatalog sagt noch nichts über die saubere Herkunft eines Objektes.

    "Das ist ein Auktionshaus, was seit vielen, vielen Jahren tätig ist in einer großen deutschen Stadt."
    Der Frankfurter Archäologe Prof.Hans Magnus von Kaenel blättert in einem Auktionskatalog:

    "Und wenn wir den aufmachen, schöne Farbabbildungen, viele Farbbildungen, da sehen wir alles, was der Boden hergibt, vor allem in Metall. Also wir haben hier römische Beinschienen, wir haben Waffen, wir haben bronzezeitliche Dolche, wir haben Helme, wir haben, wenn ich weiter blättere jede Menge Bleiobjekte, wir haben Schlüssel, wir haben hier byzantinische Kreuze zu Dutzenden, wir haben Teile von Bleisarkophagen, wir haben Gürtelschnallen, wir haben Fibeln, Goldfibeln, Silberfibeln, Bronzefibeln. Jede Menge Fibeln, wir haben Schmuck. Also zu Hunderten und Aberhunderten Objekte, von denen zum größten Teil davon ausgegangen werden muss, begründet, dass diese Objekte bis vor kurzem im Mittelmeerraum oder ganz besonders im Donauraum im Boden gewesen sind oder im Irak, wenn ich weiterblättere."

    Angeboten werden darf, was die Grenze von 1000 Euro nicht überschreitet. Das ist bei den meisten Objekten der Fall, die Sondengänger hierzulande ausgraben.
    Doch es gibt natürlich auch Stücke, die teurer sind.
    Bekommen solche Stücke via eBay mit dem Herkunftsnachweis einer Katalogseite jetzt eine rechtmäßige Provenienz?
    Das will der oberste Denkmalschützer auf jeden Fall vermeiden, denn schon lässt sich beobachten, dass das Massenangebot an Antiken zwar zurückgeht aber plötzlich reguläre Händler auftauchen.

    "Das ist natürlich für uns ein Problem. Wir leben in einem Rechtsstaat und grundsätzlich ist der Handel mit Antiquitäten zulässig. Das ist die Ausgangssituation mit der wir uns auseinandersetzen müssen, und wir müssen natürlich schauen, gibt es Leute, die da auch etwas ausnutzen, die Provenienzen vortäuschen, die so nicht gegeben sind, die also Löcher nutzen, aber wir können nicht den Handel per se verbieten. Das wäre eine staatliche Willkür, die wir so nicht exerzieren können."

    Kenner und Sammler.
    Sammler sind besondere Menschen. Sie begeistern sich für eine Sache und verfolgen sie unerbittlich. Manchmal sind es Zufälle, die einen Sammler zum Sammler werden lassen, zum Beispiel dieser Sammler aus dem Rheinland, der in seinem marmorgefliesten Wohnzimmer vor seinem ersten Objekt steht:

    "Eine römische Säule, 200 nach Christus aus Köln. Und die habe ich erworben vor 20-25 Jahren etwa im Hauptzollamt bei einer Zwangsversteigerung, wo ich zufällig, neugierigerweise mal da war und niemand wollte die haben. Heute beneiden sie mich alle um dieses edle Stück, einen halben Meter hoch, aus Sandstein, gemeißelt, achtkantig, Aufsatz oben drauf, also wunderschön."

    Antike, aber auch moderne Kunst - das ist seine Passion, sagt der Sammler. Moderne Kunst - zum Beispiel ein Lovis Corinth oder ein Uecker - hängt an der Wand. In den Vitrinen und dekorativ drapiert auf dem Boden stehen die antiken Stücke, zum Beispiel:

    "Hier die Kamele aus der Tan-Zeit. Das ist 4-600 nach Christus. Das sind wunderschöne Sachen. Die haben uns gefallen, weil ich immer ein Kamel haben wollte. Ein Kamel gehörte für mich zur alten chinesischen Kunst, und da drüben steht eins, ein Kamel mit einem Reiter oder einem Führer. Das ist ein Perser, das wichtige daran ist, dass es ein Perser ist, und das kann man daran erkennen, dass dieses Kamel, was schwer beladen ist, von einem Mann geführt wird, der einen Bart hat, und Chinesen hatten keinen Bart."

    Und warum erlebt der Kunst- und Antikenhandel einen solchen Boom?

    "Weil die Leute es zeigen wollen. Die haben Geld und wollen ihr Geld zeigen."

    Andere Sammler sammeln mehr im Stillen. Eckhard Kauntz hat seine Schätze in einem größeren Safe. Da sind die Schubfächer gestapelt, die er ab und zu herausnimmt, um sich an ihrem Inhalt zu erfreuen.

    "Ich sammle seit vielen Jahrzehnten Münzen und seit etwa 15 Jahren habe ich mich spezialisiert auf ein für mich besonders reizvolles Gebiet, nämlich auf die baktrischen Münzen. Baktrien ist eine Gegend, die im heutigen Afghanistan und nördlichen Pakistan zu finden ist, und dort gab es über drei Jahrhunderte hinweg eine griechische Kultur."

    Die Könige - bekannt sind etwa 45 - stammten alle aus den Geschlechtern derer, die einst mit Alexander dem Großen durch Asien gezogen waren.
    Eckart Kauntz hat ein Schubfach vor sich auf den Tisch gelegt: alles baktrische Münzen. Auf der Vorderseite ist das Porträt eines Königs abgebildet, auf der Rückseite jeweils eine Inschrift und häufig zusätzlich eine Gottheit.
    Die Schubfächer sind für Münzsammler sehr praktisch, denn

    "dort kann man die Münzen einlegen und kann sie auch betrachten, denn für einen Münzsammler gehört auch das Vergnügen, die Münzen in die Hand nehmen zu können, zu dem, was er gerne empfindet."

    Früher war die Herkunft einer Münze für den Sammler kein Thema - heute schaut er genauer hin, denn vor zwei Jahren machte er eine Entdeckung:

    "Baktrische Münzen sind natürlich hauptsächlich in Afghanistan gefunden worden, weil Afghanistan Teil des früheren Baktrien ist neben Usbekistan und einigen angrenzenden Bereichen. Ich hab' mir dann auch Literatur besorgt, unter anderem auch ein Buch, was in den 60er Jahren von französischen Forschern herausgegeben wurde."

    Dieses Buch wertet einen Schatz aus, der Mitte des letzten Jahrhunderts in Kundus gefunden wurde. Zu seinem Erstaunen stellte Eckart Kauntz fest,

    "dass eine Münze, die ich im Besitz habe, in diesem Buch auch dargestellt ist."

    Daraufhin beschäftigte er sich mit dem Schicksal dieses Münzschatzes:

    "Und hab' festgestellt, dass dieser Münzschatz in den 90er Jahren aus dem Museum von Kabul gestohlen worden war. Nachdem ich gemerkt habe, dass einer dieser Münzen aus dem Schatz stammt, kann ich schon erkennen, dass offenbar die damals geraubten Münzen dabei sind, in den Markt zurückzukehren. "

    Der Sammler recherchierte in seinen Unterlagen und fand die Quittung:

    "Was wir hier vor uns liegen haben ist die Quittung über die Münze, die ich am 8. November 1999 in Frankfurt erstanden habe bei der Auktionshandlung Busso Peus, einem der größten und ältesten deutschen Auktionshäuser. Es handelt sich dabei um die Katalognummer 364 des Kataloges 361, das war die Nummer der damaligen Auktion, und dort ist unter der Nummer 364 die Münze von Demetrius II, eine Tetradrachme aus Baktrien mit 1200 damals noch Mark für mich ersteigert worden."

    Eine Rückfrage bei dem Auktionshaus brachte nicht die gewünschte Reaktion:

    "Ich habe dort angerufen und dem Mitarbeiter dieses Auktionshauses gesprochen und hab' ihn gefragt, was wir denn nun tun sollten. Daraufhin antwortete er sehr zurückhalten, ja, was wollen wir denn da machen. Ich hab' dann das Gespräch beendet und hab' dann die Polizei eingeschaltet,"

    um sich selbst anzuzeigen. Etwa zwei Jahre später kam die Reaktion: der Staat Afghanistan erhebt seine Ansprüche auf die Münze. Eckart Kauntz wird sie zurückgeben.
    Mit dem Fall konfrontiert, sieht der Inhaber der Münzhandlung, Christoph Raab, keine Probleme, in solchen Fällen den Kulanzweg zu gehen:

    "Selbstverständlich, also ich mein, die Sachen, die jetzt in diesem Zusammenhang vermisst werden, ich meine jetzt Museum Kabul oder in der Türkei kommt vieles weg, da sind wir immer an vorderster Front, dass diese Münzen auch rechtmäßig dahin wieder zurückgelangen und dass wir da natürlich nicht in den Ruf kommen, dass wir solche Dinge handeln, das tun wir definitiv nicht."

    Christoph Raab legt großen Wert darauf, dass seine Münzhandlung seriös arbeite. So habe sein Vater schon dafür gesorgt, dass eine ihm angebotene Sammlung, die in den Nachkriegswirren wohl aus dem Museum Karlsruhe gestohlen wurde, umgehend zurückkam.

    "Gerade momentan, bei der Diskussion, die zugenommen hat in den letzten Monaten, sollte man darauf achten, denn wir haben ein Interesse, dass unsere Branche weiter bestehen bleibt. Wir sind sicher nicht immer einer Meinung mit den Wissenschaftlern. Allerdings arbeiten wir auch hier in der Firma Peus sehr gut mit den Wissenschaftlern zusammen. Wir sind bemüht, immer ein gutes Klima zur Wissenschaft zu haben."

    Räuber, Museen und die Wissenschaft

    "Hier rechts beispielsweise haben wie gerade neben dem Weg ein kleines Loch, was ein Raubgrabungsloch sein könnte."

    Tatortbesichtigung. Gemarkung Usingen. Am Himmel dröhnen die Flugzeuge des Frankfurter Flughafens. Oberkommissar Eckart Laufer steht auf einem Hügel, umgeben von Bäumen.

    "Das ist so ein klassisches Bild: 30, maximal 40 Zentimeter im Durchmesser, rechts und links die Erde aufgeworfen. Oft ist die Erde dann auch in eine Richtung gefeuert. Und wenn man sich dann anschaut ein Raubgrabungsloch, was frischer ist, sieht man meistens, dass die Wurzeln scharfkantig durchtrennt sind. Was drin war ist natürlich weg. Was dann da sein könnte wäre beispielweise rechts herum Keramik, die wird ja gar nicht erkannt oder wird bewusst sofort liegengelassen, weil eine einzelne Keramikscheibe bringt auf dem Markt nichts und für das Sammeln als solches ist es auch uninteressant. Metallfunde sind da eher ästhetischer, weil aus Bronze, vielleicht auch eine Münze ist etwas, was man in einer Vitrine viel schöner darstellen kann, als irgend eine nichtssagende Scherbe.

    Zu finden ist hier kaum noch etwas. Die Raubgräber haben ganze Arbeit geleistet auf der Ringwallanlage, die von der Bronze- bis zur Spätrömischen Zeit und auch noch im Mittelalter besiedelt war.
    Seine Liebe zur Archäologie entdeckte Eckart Laufer schon als Kind: Sein Vater arbeitete ehrenamtlich für das Landesdenkmalamt. Diese Tradition führte Eckart Laufer fort. Er weiß, wie wissenschaftlich gegraben wird.

    Kornsand - unweit von Groß Gerau - in der Nähe von Mainz. Nur wenige Hundert Meter vom Rhein entfernt übt eine Gruppe von Archäologiestudenten von der Universität Frankfurt, wie wissenschaftlich korrekt gegraben wird. Hier stand vor rund 2000 Jahren ein römisches Militärlager.

    Heute wird gezeichnet. Das Feld ist vermessen; Schnüre zur Orientierung gespannt. Die Studenten sind unsicher, wie sie eine korrekte Zeichnung erstellen, denn die Darstellung muss so plausibel sein, dass auch noch in Hundert Jahren nachvollzogen werden kann, was in welchem Planquadrat ausgegraben wurde.

    Grabungsleiter und Ausbilder vor Ort ist Dr.Alexander Heising:

    "Die Studierenden haben ja noch nie vorher auf einer Ausgrabung teilgenommen, so dass es ganz wichtig ist, langsam sie Schritt für Schritt an die archäologischen Techniken heranzuführen. Wir haben spezielle Techniken, und die müssen wirklich eins zu eins erlernt werden."

    In einem Punkt unterscheidet sich die archäologische Arbeit von der Raubgrabung:

    "Also sobald man einen Fund macht, dann heißt es erst mal Hände weg davon, den Fund in der Erde liegen lassen, dass heißt, wir unterscheiden ja immer zwischen Fund und dem umgebenden Erdreich, das ist der sogenannte Befund, also wenn ein Fund jetzt aus einer Grube kommt, wir haben eine Scherbe, die in einer Grube drin liegt, dann darf diese Scherbe nicht gleich angefasst werden und rausgenommen werden, wie es vielleicht Raubgräber tun würden, sondern wir lassen diese Scherbe genau so liegen wie sie in römischer Zeit eingelagert wurde, bei uns heißt das in situ Lage. Dort bleibt der Fund liegen, bis er gezeichnet, photographiert, beschrieben wurde, und dann kann man ihn rausnehmen, mit einem Fundzettel versehen und Koordinaten versehen, so dass man das immer wieder zuordnen kann. Das ist wichtig, dass man einen einzelnen Fund einem einzelnen Befund zuordnen kann, denn sonst hat das alles keinen Sinn."

    Wie die Funde dann dokumentiert werden, zeigt sein Chef, Prof Hans-Magnus von Kaenel. Er sitzt an einem lagen Tisch auf einer Holzbank und breitet seine Schätze um sich aus.

    "Das sind unsere ersten Funde, und wenn ich so ein Tütchen aufmache, da sehe ich zunächst mal den Fundzettel: Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Archäologische Denkmalpflege usw, und dann steht Frankfurt und dann Fundort, Kreis, alles genau ausgefüllt, und dann die Fundumstände hier und auf der Grabung eingemessen."

    Das Plastiktütchen birgt eine Fibel. Mit dieser Nadel wurden zu römischer Zeit Kleidungsstücke zusammengehalten. Auf diesem Acker, der sich bis zum Rhein hinzieht, war vor rund 2000 Jahren römisches Militär stationiert.

    "Das ist eine Militärfibel des 1.Jahrhunderts n.Chr., die natürlich jetzt noch mit Erdreich umgeben ist, aber wir sehen hier schon, dass eine Inschrift lesbar wird, das ist ein sehr schönes Exemplar. Oder ich nehme diese Fibel, das ist eine germanische Fibel, aus der Zeit um Hundert."

    Was sagt das dem Wissenschaftler?

    Mit den beiden Fibeln ist belegt, dass hier ein Militärlager war, in dem Germanen und Römer Dienst taten. Da auch keltische Fibeln gefunden wurden, weiß man, dass hier neben Römern und Germanen auch Kelten stationiert waren. Zwar sind Römerlager in der Umgebung von Mainz gut erforscht, aber für andere Regionen und Länder bleiben viele Fragen unbeantwortet, weil Raubgräber ganze Arbeit geleistet haben.
    Raubgräber zerstören die Grundlage der Archäologie.

    Schlimmer noch: Raubgräber können archäologische Forschungsergebnisse verfälschen.

    Beispiel 1:

    Der Irak hat eine striktere Gesetzgebung in Bezug auf Kulturgüter als der Iran. So kommt es, dass plötzlich bestimmte Objekte im Handel auftauchen mit der angeblichen Herkunft Iran.

    Beispiel 2:

    Mit der Ausnahme von Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen gilt: Alles, was an Bodenfunden gemacht wird, gehört der Allgemeinheit, also dem Staat. Diese Länder verfügen über ein sogenanntes Schatzregal.

    In den Ausnahmeländern wird geteilt: Die eine Hälfte gehört dem Finder, die andere dem Besitzer des Grundstückes. Das führt zu einem merkwürdigen Fundtourismus -
    mit schwerwiegenden Folgen, wie Dr. Michael Müller-Karpe, Römisch Germanisches Zentralmuseum in Mainz, meint:

    "Die Verseuchung der Forschungsergebnisse durch solche gefälschten Herkunftsangaben. Es gibt eine ganze Reihe von Archäologen, die Funde dubioser Herkunft in ihre Betrachtung miteinbeziehen. Zunächst hat man da ein schamhaftes "angeblich" oder "nach Händlerangaben" so und so, und nach mehreren Recyclingschritten fällt dann dieser schamhafte Zusatz weg und aus einer Lüge wird ein fetter Fundpunkt auf einer Verbreitungskarte."

    Das Problem daran: Die Wissenschaftler sind sich nicht einig, wie mit solchen Objekten unsicherer Provenienz zu verfahren ist.

    Deutlich wird das an der seit einigen Jahren stattfindenden Messe Fine Art Fair im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Klein aber fein - so wird die Messe beworben; manche sprechen gar von der kleinen Schwester der TEFAF, das ist DIE europäische Messe für Kunst und Antiquitäten in Maastricht. Werke von der Antike bis zur Gegenwart werden auch in Hamburg präsentiert.
    Organisatorin der Messe ist Christine Gräfin Adelmann, die eine Agentur für Kunst betreibt . Die ist sich sicher, was auf dieser Messe gezeigt wird, ist über jeden Zweifel erhaben:

    "Gerade auch im Bereich der Antiken. Wir arbeiten natürlich auch ganz stark mit den Kuratoren hier im Museum zusammen, gerade auch heute Abend werden wir ein Gespräch haben mit dem Kurator der Antike und unserem Aussteller für Antiken. Die haben da alle ein waches Auge, und ich glaube, da kann der Besucher und auch der Interessent und potenzielle Käufer beruhigt sein."

    Prof. Sabine Schulze, seit dem Sommer 2008 Direktorin des Museums, widerspricht. Sie sieht das Museum eher als Vermieter von Stellfläche:
    Keinesfalls verbürge sich das Museum für die Herkunft der Objekte.

    "Also das haben wir nicht geprüft. Also wir sind ja als Museum jetzt keine Kommission, die über die Aufnahme der Werke entscheidet. Das ist ganz eindeutig nicht so. Wir übernehmen keine Garantie für die Echtheit, für die Provenienz und auch nicht, ob der Preis gerechtfertigt ist. Die Tatsache, dass die Messe im Haus ist, heißt nicht, dass die Mitarbeiter mit ihrem Kopf für die Qualität gerade stehen."

    Ihr Kurator Dr.Frank Hildebrandt, Abteilungsleiter der Antikenabteilung des Museums, glaubt dagegen Gewissheit über die Herkunft der Objekte zu haben:

    "Bei Händlern ist es immer sehr wichtig, dass eine längere Provenienz nachgewiesen werden kann, wo ein solches Objekt herkommt, und darauf legen wir auch gerade bei den Messeständen Wert, dass dort einmal geprüft wird, wo einzelne Objekte im Detail herkommen, ob dort tatsächlich Sicherheit existiert, nicht dass das Objekte sind, die erst vor wenigen Jahren, meinetwegen aus dem Irak herausgeschmuggelt wurden und nun hier in den Handel gelangen."

    Frage: Gibt es bei einigen Objekten Restzweifel, wenn man als Museumskurator durch die Ausstellung geht ?

    "Ja, bei dem Rundgang schaut man natürlich sofort erst einmal mit großer Faszination auf die interessanten Objekte und dann natürlich auch immer mit sehr kritischem Auge und ja, spricht mit dem Händler, lässt sich verschiedene Dinge auch einmal erklären, die zur Provenienz gehören und bei Restzweifeln bohrt man doch sehr intensiv nach, um einer möglichen Wahrheit auf den Grund zu gehen."

    Frage: Gibt's da Restzweifel bei dem ein oder anderen Objekt?

    "Nein."

    Auch wenn auf dem Infoblatt ein Fragezeichen steht?

    "Auch bei dem Fragezeichen würde ich das weniger als Provenienzfrage bezeichnen sondern da ist es in der Tat mehr eine Zuordnung zu einer bestimmten antiken Kultur, Kulturzone, um die es da geht, Datierung, die dort mit dem Fragezeichen markiert ist, als dass es um eine Provenienz geht."

    Wie gehen Museen und ihre Wissenschaftler heute mit Antiken unklarer Provenienz um? Die Lage ist ein wenig verworren.

    "Wir stehen jetzt hier in dem "Goldhut-Saal". Ich glaube, wenn man in den Raum hereinkommt, man kann sich der Faszination des Objekts kaum entziehen. Es ist wirklich ein magisches Objekt."

    Prof.Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin und Landesarchäologe, steht vor einer Vitrine.

    "Diese langgestreckte hohe Form, diese breite Krempe, die dabei ist. Die meisten Schulkinder erinnert das unmittelbar an mittelalterliche Zauberhüte und Hüte, die es heute wieder bei Halloween gibt, es ist einfach eine Form, die sich ganz merkwürdig sehr lang tradiert hat, die es noch aus der Antike heraus gibt, wir haben hier unten ein kleines Tonfigürchen aus Zypern, was auch schon einen solchen langen Hut trägt."

    Das besondere an dem Hut: Es gibt davon nur vier Exemplare, aus Nürnberg, Schifferstadt und Frankreich und eben diesen vierten, an dem sich die Geister scheiden, der kommt nämlich aus einer Raubgrabung.

    Für Objekte aus Deutschland, von denen nicht bekannt ist, aus welchem Bundesland sie stammen, gab es von jeher - so sagt sein Vorgänger, Prof.Wilfried Menghin - für Raubgräber und Händler nur drei Museen, die als Käufer in Frage kamen und kommen: die Antikensammlung in München, das Römisch Germanische Zentralmuseum in Mainz und das Museum für Vor- und Frühgeschichte in Berlin.

    "Das erste Mal habe ich von dem Goldhut erfahren 1996 im Dezember, kurz vor Weihnachten wurde mir ein Foto gezeigt von einem Kunsthändler, und ich dachte zuerst, es sei eine Kopie von einem Goldhut, der in Nürnberg ist, beim zweiten Mal hinsehen habe ich gesehen, dass es was neues ist, was ganz außergewöhnliches, sehr gut erhalten."

    Dieser Goldhut wurde für 1,4 Millionen Mark plus Mehrwertsteuer zum Kauf angeboten.

    "Das hat mich ein ganzes Jahr beschäftigt, mit diesem Goldhut weiterzukommen, denn natürlich als kleiner Direktor eines Museums kann man so was nicht ankaufen, sondern da ist eine Organisation dahinter, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die staatlichen Museen zu Berlin. All diese müssen erst mal überzeugt werden, dass es wichtig wäre, das Objekt zu erwerben, um es für die Öffentlichkeit zu erhalten, denn solche Objekte sind äußerst rar, bis zu dem Zeitpunkt haben wir drei Objekte gekannt, die gefunden worden sind von 1835 bis 1953. Man kann also sagen, das war ein Jahrhundertfund in dem Fall."

    Wilfried Menghin kontaktierte Kollegen im In- und Ausland, sprach mit Stiftern und veranstaltete Tagungen. Schließlich überzeugte er seine Vorgesetzten. Dann konnte der Kauf getätigt werden. Seine Motive und Emotionen sieht der Wissenschaftler im Dienste der Allgemeinheit.

    "Natürlich kommt eine gewisse Jagdfreude auf, das ist ganz klar. Aber man ist ja nach 30 Jahren Tätigkeit etwas abgebrüht und vollführt keine Veitstänze, wenn man so was sieht, aber man merkt, tolle Geschichte, das muss irgendwie gesichert werden. Es muss etwas passieren. Egal, welches Museum das macht, es muss für die Öffentlichkeit sein. Auch für die Wissenschaft insgesamt, es hat sich auch gezeigt, dass es ein ganz wichtiger Schlüsselfund ist für die Religionsgeschichte der Bronzezeit."

    Auch der jetzige Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte Berlin, Matthias Wemhoff, ist der Überzeugung, dass der Goldhut trotz fehlender Provenienz und obwohl weder Örtlichkeit noch Fundkomplex bekannt sind, anhand der anderen Hüte wissenschaftlich eingeordnet werden konnte. Zudem hätte es nicht bei allen Hüten Beifunde gegeben wie Waffen, Alltags- oder sakrale Gegenstände.
    Dr. Michael Müller - Karpe vom Römisch Germanischen Zentralmuseum in Mainz widerspricht:

    "Stellen Sie sich vor, dieser Hut stand möglicherweise in einem Heiligtum, was durch die Raubgrabung undokumentiert zerstört wurde. Wir hätten gewusst, es steht auf einem Altar, es steht zwischen aufgestellten Rüstungen oder wie auch immer. Es ist ein ganzes Geschichtsbuch, was im Grunde um diesen Goldhelm herum möglicherweise bestanden hat und zerstört wurde durch diese Raubgrabung."

    Eindeutige Signale gibt es nicht. Der Generaldirektor des Römisch Germanischen Zentralmuseums in Mainz, Privatdozent Dr. Falko Daim, teilt zwar die Meinung seines wissenschaftlichen Mitarbeiters, dass der Verkauf von Antiken grundsätzlich verboten werden sollte, kauft aber selbst im Kunsthandel:

    "Wir haben zum Beispiel eine byzantinische Gürtelgarnitur angekauft, und zwar in München ersteigert. Ich wollte das unbedingt in öffentlichem Besitz haben, gleich wo, aber es muss der Wissenschaft erhalten bleiben, ein völlig einzigartiges Ensemble, auch technisch, ikonegraphisch. Es wäre ein Wahnsinn gewesen, wenn es in einem saudischen oder amerikanischen Tresor für immer verschwindet. Und da haben wir dann zugeschlagen, auch deswegen, weil bei byzantinischen Dingen die Herkunft praktisch nicht ermittelbar ist, weil Byzanz ein relativ großes Gebiet umfasst, wo heute 15 Staaten liegen und kein Staat Anspruch erheben könnte. Das heißt, der wäre für immer verloren."

    Für Prof.Hermann Parzinger hingegen, seit dem 1.März 2008 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit 16 Museen, ist die Lage klar.
    Er hatte das große Glück, 2001 in Sibirien ein skythisches Fürstengrab zu finden aus dem späten 7. Jahrhundert. Eins der wenigen Gräber, das noch nicht geplündert worden war. So entdeckten die beteiligten Archäologen über 6000 Goldobjekte.
    Solche Glücksfälle haben absoluten Seltenheitswert:

    "Zwischen 1998 und 2000 war ich drei Mal in Nordpakistan in diesen Gebirgsregionen, dort hat die Heidelberger Akademie der Wissenschaften ein Projekt zur Erforschung der Felsbilder und Inschriften an...der Seitentrasse der Seidenstraße. Die hatten mich mithochgenommen, um ein Grabungsprojekt zu beginnen."

    Für Parzinger kam der 11.September dazwischen.

    "Und dann ging das nicht mehr. Dort hat man wirklich gesehen, wie von Jahr zu Jahr, exponential, die Plünderung der Gräberfelder zunimmt. Und wenn sie das sehen wollen, dann müssen Sie in die Bazars dieser Ortschaften dort gehen, dort wird das feilgeboten. Und es ist weitgehend verloren. Es sind mafiose Strukturen, die dafür sorgen, dass diese Gräberfelder dort oben in den Bergen geplündert werden, nach unten wandern in die Städte, in die Ebene und dann in den internationalen Antikenhandel wandern."

    Vielleicht auch, weil Hermann Parzinger das Ausmaß der Zerstörung kennt, gibt es für ihn nur eine Konsequenz:

    "Ich denke, wir haben in der Stiftung eine ganz klare Richtung. Ich in meiner Zeit, in meiner Verantwortung, würde auch dafür sorgen, dass diese Linie ganz klar auch eingehalten bleibt. Und diese Linie kann eigentlich nur heißen, dass Museen, die mit Altertümern sich befassen, im Grunde praktisch fast nicht mehr ankaufen können. Denn wir können nicht Altertümer ankaufen, archäologische Objekte, die keine klare Herkunft haben und damit Raubgräbertum fördern. Das ist etwas, was undenkbar ist."

    Das Ausmaß des Raubgräbertums hat inzwischen Dimensionen erreicht, die vor Jahren undenkbar waren. Langsam beginnt ein Umdenkungsprozess, den auch der irakische Botschafter Alaa Al-Hashimy beobachtet:

    "Mit einer ganzen Reihe von Staaten klappt die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Antikhehlerei inzwischen ganz hervorragend: Die USA haben kürzlich mehr als Tausend beschlagnahmte Funde unserer Botschaft in Washington übergeben, Italien auch ist sehr aktiv und hat bereits viele Hunderte Objekte sichergestellt und an unsere Museen zurückgegeben. Auch Jordanien, Syrien, Frankreich und andere Staaten."

    Und Deutschland?

    "Von Deutschland wurden noch keine Objekte zurückgegeben. .... Die Bundesregierung hat signalisiert, uns hier unterstützen zu wollen. Dafür sind wir natürlich sehr dankbar.

    Literatur:

    Antike Welt - Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte, Beutekunst und Grabraub, Philipp von Zabern, Mainz, Heft 2/2007

    Archäologie in Deutschland, Raubgrabungen, Theiss Verlag, Stuttgart, 6/2007

    Glenny, Misha, McMafia, Deutsche Verlagsanstalt, München, 2008

    Jenkins, Ian, Die Parthenon Skulpturen, Philipp von Zabern, Mainz, 2008

    Kunow, Jürgen (Hrsg.), Landschaftsverband Rheinland, Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege, Tatort Bodendenkmal, Archäologischer Juristentag 2005

    Schöne, Thomas, Tatort Himmelsscheibe, Eine Geschichte mit Raubgräbern, Hehlern und Gelehrten, Mitteldeutscher Verlag, Halle, 2008

    Stone, Peter; Farchakh Bajjaly, Joanne; The Destruction of Cultural Heritage in Iraq, The Boydell Press, Woodbridge, Suffolk, UK, 2008

    Watson, Peter; Todeschini, Cecilia, Die Medici Verschwörung, Der Handel mit Kunstschätzen aus Plünderungen italienischer Gräber und Museen, Parthas Verlag, Berlin, 2006