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Jagd auf die Dörrobstmotte

Lebensmitteltechnik. - Seit der Mensch Nahrungsvorräte anlegt, hat er stets gegen Schädlinge zu kämpfen, die ihm diese Nahrung streitig machen. Nagetiere und Insekten fressen nicht nur die wertvollen Vorräte auf, sondern verunreinigen die Lebensmittel oder schleppen sogar Krankheitserreger ein. Auf einem Workshop in Fulda trafen sich Anfang dieser Woche Lebensmittelchemiker, -technologen und Veterinärmediziner und berieten sich über aktuelle Aspekte der Schädlingsbekämpfung in der Lebensmittelproduktion.

Von Uta Bilow |
    Sie hat eine auffällige Färbung. Sie ist kupferrot und hat einen gelblich-weißlichen Querstreifen und eine Größe von circa zehn Millimetern und man findet sie, wenn sie im Haushalt vorkommt, oft in der Dämmerung morgens oder abends fliegen oder an der Wand sitzen.

    Was Werner Raßmann von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft hier steckbriefartig beschreibt, ist die Dörrobstmotte, Plodia interpunctella. Sie ist der Hauptschädling in deutschen Küchenschränken. Ob Müsli, Grieß oder Pralinen - die Dörrobstmotte befällt eine Vielzahl von Vorräten und breitet sich rasch aus. Denn ihre Larven sind nur wenig größer als ein Zehntel Millimeter.

    Überall da, wo ein Haar durchpasst, passt auch eine Ei-Larve der Dörrobstmotte durch.

    So wandern die Larven in Pappschachteln und Beutel mit Clipverschlüssen. Selbst Schraubdeckelgläser sind nicht mottensicher, denn schon ein kleiner Defekt am Glasrand oder an der Gummidichtung bietet ihnen einen Durchschlupf. Glücklicherweise hat die Dörrobstmotte einen biologischen Gegenspieler, mit dem sie sich bekämpfen lässt. Die Schlupfwespe Trichogramma evanescens macht regelrecht Jagd auf die Eier der Lebensmittelmotte. Sabine Prozell:

    Die Schlupfwespe legt ihr Ei in das Ei des Schädlings, frisst sich durch ihre ganzen Entwicklungsstadien durch, am Ende schlüpft aus dem Ei nur noch eine neue kleine Wespe aus und kein Schädling mehr.

    Die Biologin Sabine Prozell züchtet solche Schlupfwespen zur biologischen Schädlingsbekämpfung. Die in Europa heimischen Nützlinge sind winzig klein - etwa so groß wie ein I-Punkt - und haben einen Lebensspanne von sechs Tagen. Wenn alle Motten vernichtet sind, verschwinden auch die Schlupfwespen. Das Verfahren ist für Privathaushalte ebenso geeignet wie für Lebensmittelgeschäfte. Prozell:

    Da hat man überhaupt keine weiteren Probleme. Die verpackten Waren stehen im Regal. Die Wespen patrouillieren durch diese Regale, finden abgelegte Motteneier und belegen diese mit ihren Eiern. Dadurch können keine Mottenlarven in die Produkte eindringen.

    Lebensmittelschädlinge wie die Dörrobstmotte, aber auch Käfer oder Nagetiere sind auch für die industriellen Lebensmittelbetrieben ein delikates Thema. Hier beginnt der Vorratsschutz mit effektivem Vorbeugen. Cornel Adler von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Berlin:

    Deshalb ist es wichtig, die Lager, in denen man Vorräte lagern möchte, insektendicht zu gestalten, dass die Tiere nicht zuwandern können. Denn die Tiere orientieren sich nach attraktiven Düften, die unsere Nase nicht wahrnimmt, aber die Insekten haben eben ein feineres Geruchsempfinden gerade für diese attraktiven Stoffe.

    Trotz solcher Maßnahmen finden Käfer und Motten jedoch immer wieder Zugang zu Lager- und Produktionsräumen und müssen dann vernichtet werden. Klassisches Verfahren ist die Begasung der Vorräte mit Phosphorwasserstoff. Alternativ dazu ist Kohlendioxid geeignet, das man in Druckkammern auf die Ware einwirken lässt. Weil die Kohlensäure keinerlei bedenkliche Rückstände hinterlässt, können auch empfindliche Produkte wie etwa Heilkräuter oder Getreide aus dem Ökolandbau so behandelt werden.

    Giftfrei ist ebenso das Verfahren, das der Müller Hans Hofmeir zur Schädlingsbekämpfung entwickelt hat.

    Wir heizen ganze Gebäude vom Keller bis zum Dachboden sicher auf fünfzig Grad. Fünfzig Grad kann kein Schädling überleben, weil sich Eiweiß - gleich dem Beispiel vom Hühnerei, das man kocht - verändert sich das Eiweiß und tritt in Nicht-Lebensformen über und jedes Leben erlischt.

    Die gesamte Raumluft mitsamt allen Maschinen und Geräten wird mit Öfen auf fünfzig Grad geheizt. Motten, Käfer und Würmer, die es sich im Schlaraffenland gemütlich gemacht haben, können diese Temperatur nicht überleben. Die Kunden von Hofmeir sind Nudel- und Fertiggerichtfabriken, aber auch die Tabakindustrie. Und selbst Hotelzimmer lassen sich auf diese Weise von Wanzen befreien.