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Jagdstrategien verschiedener Fleischfresser
Der Mensch als Super-Räuber

Kanadische Forscher haben das Jagdverhalten des Menschen untersucht und mit dem von Tieren verglichen. Der Mensch tötet beispielsweise deutlich mehr ausgewachsene Fische als andere Raubtiere. Die Folge: Fische werden immer kleiner. Die Forscher fordern deshalb eine nachhaltige Nutzung von Tierbeständen.

Von Monika Seynsche | 21.08.2015
    Ein Jäger trägt einen Jagdhut.
    Der Mensch ist der erfolgreichste Jäger unter den Fleischfressern. (Imago / Thomas Müller)
    Chris Darimont und seine Kollegen haben sich durch hunderte von Studien gewühlt und eine globale Datenbank der Ausbeutungsquoten verschiedener Raubtiere aufgebaut, aus der sie nun ablesen können, welcher Jäger wie viel Beute greift.
    "Die Fischerei-Industrie stellte sich dabei als der größte Jäger des Planeten dar, wenn es um die Jagd auf erwachsene Tiere geht. Im Mittel beutet die Fischerei jährlich etwa 14 Prozent ihrer ausgewachsenen Beutebiomasse aus. Die nicht-menschlichen Jäger im Ozean erlegen dagegen pro Jahr nur etwa 1 Prozent der ausgewachsenen Beutebiomasse und konzentrieren sich stattdessen viel stärker auf Jungtiere. Das war also die erste Überraschung unserer Studie: Der Mensch tötet 14mal so viele erwachsene Fische wie andere Raubtiere."
    18 Prozent der Raubtiere werden Opfer menschlicher Jäger
    Aber nicht nur auf erwachsene Fische habe es der Mensch abgesehen, sagt Chris Darimont von der Universität von Victoria in Kanada. Auch die großen Landraubtiere, wie etwa Löwen oder Wölfe werden vom Menschen viel stärker bedrängt als von anderen Raubtieren. Im Schnitt fallen pro Jahr nur 2 Prozent aller ausgewachsenen Raubtiere anderen Raubtieren zum Opfer. 18 Prozent aber werden Opfer menschlicher Jäger.
    "Natürlich verspeisen auch die tierischen Jäger jedes Jahr einen sehr großen Anteil ihrer Beutepopulationen, oft sogar mehr als die menschlichen Jäger. Aber sie zielen eben auf die Jungtiere, von denen die allermeisten eh vom Moment ihrer Geburt an dem Untergang geweiht sind, sei es durch Jagd, Hunger, Krankheiten oder Unfälle."
    Fische werden immer kleiner
    Die ungewöhnliche Vorliebe des Menschen für ausgewachsene Beutetiere habe in der Vergangenheit durchaus Vorteile gebracht, gibt der Geograf zu. So lassen sich zum Beispiel große Fische viel effizienter verarbeiten als kleine. Allerdings entstehen auch neue Probleme:
    "Durch die gezielte Jagd auf große Fische gibt es evolutionär gesehen einen Trend hin zu immer geringeren Körpergrößen bei den Beutefischen. Das ist problematisch, denn kleinere Fische bekommen weniger Nachwuchs. Dadurch sind die Populationen dem Jagddruck der Menschheit gegenüber nicht mehr so widerstandsfähig wie früher."
    Nachhaltige Nutzung von Tierbeständen gefordert
    An Land wiederum führt die unverhältnismäßig starke Jagd auf große Raubtiere dazu, dass sich große Pflanzenfresser unkontrolliert ausbreiten können und wiederum kleineren Tieren etwa Insekten oder Vögeln die Nahrungsgrundlage entziehen. Und auch die großen Raubtiere selbst gelangen durch die Bejagung in einen Teufelskreis: Denn je weniger von ihnen übrig bleiben, desto interessanter werden sie für Trophäenjäger, die dann noch mehr von ihnen töten. Chris Darimonts Ansicht nach lässt sich das gesamte Problem nur lösen, wenn sich die Kriterien zur nachhaltigen Nutzung von Tierbeständen ändern.
    "Das Paradigma der nachhaltigen Nutzung schreibt zurzeit im Fischerei- und Wildtiermanagement vor, dass erwachsene Tiere gejagt werden sollen."
    Ökologisch gesehen sei das aber der völlig falsche Weg, sagt der Forscher. Gerade Fische werden mit dem Alter immer fruchtbarer, können dann also viel mehr Nachwuchs produzieren, als junge Tiere. Für den Erhalt der Populationen sind die alten Tiere daher von viel größerer Bedeutung als die Jungtiere.