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Jahresgutachten
Wirtschaftsweise kritisieren Pläne von Schwarz-Rot

Die Wirtschaftsweisen verreißen zentrale Vorhaben der angestrebten großen Koalition. Mindestlohn, Rentenpläne und die Mietpreisbremse werden im Jahresbericht des Gremiums deutlich kritisiert.

    Der Wirtschaftsweise Christoph M. Schmidt, Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung übergibt das Konjunkturgutachten an Bundeskanzlerin Angela Merkel.
    Übergabe: Christoph M. Schmidt mit dem Jahresgutachten für die Kanzlerin (picture-alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Viele der von Union und SPD in den Verhandlungen diskutierte Maßnahmen gingen überwiegend zu Lasten kommender Generationen, kritisierte der Sachverständigenrat heute in seinem Jahresgutachten für die Bundesregierung. Dazu zählten höhere Mütterrenten, die Aufstockung von niedrigen Renten oder großzügige Ausnahmen von der Rente mit 67. "Die Herausforderungen werden um ein Vielfaches schwerer zu bewältigen sein, wenn die Reformen der Agenda 2010 verwässert oder teilweise zurückgenommen werden." Das Gutachten trägt den Titel "Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik".
    Die Forscher kritisierten auch den von der SPD geforderten gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohn oder weitere Steuererhöhungen. Der eingeschlagene Reformkurs müsse fortgesetzt werden. "Die Bundesregierung sollte nicht den Eindruck erwecken, von anderen Ländern schmerzhafte Anpassungsprozesse zu erwarten oder gar zu fordern, aber vor unpopulären Maßnahmen im Inland zurückzuschrecken." Auch das von Union und FDP eingeführte Betreuungsgeld wird scharf kritisiert. Das Betreuungsgeld sollte gestrichen und die freiwerdenden Mittel zur Haushaltskonsolidierung genutzt werden, so der Sachverständigenrat.
    Robustes Wachstum für die deutsche Wirtschaft vorausgesagt
    Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, das Gutachten komme im Zuge der Koalitionsverhandlungen "zu einem richtigen Zeitpunkt". Die Hinweise des Rates nehme die sie ernst. Es sei "natürlich wichtig, dass wir nicht nur heute gut dastehen, sondern dass das auch morgen und übermorgen der Fall ist", sagte die Kanzlerin. Allerdings sagen die Experten der deutschen Wirtschaft ein robustes Wachstum voraus. Das Bruttoinlandsprodukt soll 2014 um 1,6 Prozent zulegen - vier Mal so stark wie in diesem Jahr mit 0,4 Prozent.
    Geleitet wird das Gremium vom Präsidenten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Christoph M. Schmidt. Zum Sachverständigenrat gehören außerdem die Wissenschaftler Peter Bofinger, Claudia Buch, Lars Feld und Volker Wieland. Der Rat wurde 1963 ins Leben gerufen, um die Regierung wirtschaftspolitisch zu beraten.
    Gremium sieht keine Immobilienblase in Deutschland
    Die fünf Wirtschaftsweisen sehen derweil keine Hinweise für eine Immobilienblase in Deutschland. Bei den Preisen für Wohneigentum seien "im historischen wie im internationalen Vergleich keine Überhitzungstendenzen zu diagnostizieren". Die Bundesbank hatte erst kürzlich darauf hingewiesen, dass in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf die Preise für Wohnimmobilien um bis zu 20 Prozent überbewertet sein könnten.
    Die steigenden Mietpreise sehen die Ökonomen nicht mit Sorge. Zwar seien sie 2011 und 2012 schneller gestiegen als die Verbraucherpreise, davor aber hätten sie stagniert oder seien sogar gesunken. Deshalb sei der jüngste Mietanstieg "als moderat zu bewerten". Die Wirtschaftsweisen sprechen sich gegen den von Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen diskutierte Mietpreisbremse aus. Damit werde versucht, "ein gewünschtes Marktergebnis gesetzlich zu erzwingen".