Vielleicht wird 2001 im Rückblick einmal als jenes Jahr bezeichnet werden, in dem die Wende, zumindest aber das Umdenken in Europas Agrarpolitik begann. Denn erst als die BSE-Krise mit Deutschland auch das bevölkerungsstärkste EU-Land erfasste, der Rindfleischmarkt völlig zusammenbrach und nur wenig später die dunklen apokalyptischen Bilder aus Großbritannien auftauchten, wo man versuchte, mit Massenverbrennungen toter Kühe und Schafe die Maul- und Klauenseuche in den Griff zu bekommen - da erst wurde wohl auch dem letzten Agrarier klar, dass Europas Landwirtschaft nicht mehr länger nach dem alten Motto: weiter so, funktionieren würde.
In Berlin traten die Minister für Agrar und Gesundheit zurück. Renate Künast wurde Chefin eines neu zugeschnittenen Ministeriums für Verbraucherschutz und Landwirtschaft. Deutschland mutierte prompt vom europäischen Bremser zur Lokomotive einer umweltfreundlicheren Landwirtschaftpolitik. Doch erste Schlappen blieben zu Jahresbeginn im Agrarministerrat nicht aus:
Ähh, ich habe mir nicht vorgestellt, dass hier lauter Leute sitzen, die seit Jahrzehnten als ersten Punkt Verbraucherschutz, Verbraucherschutz, Verbraucherschutz haben und dann kommt lange Zeit nichts. Mir war vorher bekannt, wer hier welche Interessen und wie vertritt und insofern sage ich auch, fleißig nährt sich das Eichhörnchen.
Und so kam einiges von dem, was Renate Künast in der EU schon zu Amtsbeginn durchsetzen wollte, später dann doch noch auf die Tagesordnung. Mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen versuchten Rat, Parlament und Kommission das Vertrauen der Verbraucher zurück zu gewinnen. Beate Gminder, Kommissionssprecherin:
Zum einen wurden weitere Gesetze eingeführt, um BSE-Tests zu verbessern, wir haben jetzt grundsätzlich Tests von allen Tieren, die über 30 Monate alt sind, Deutschland ist sogar darüber hinaus gegangen und testet alle Tiere, die über 24 Monate alt sind. Es hat dazu geführt, dass wir ein Gesetz verabschieden konnten, dass sämtliche kranken Tiere auf jeden Fall auf BSE getestet werden, egal welche Altersgruppe. Es hat dazu geführt, dass wir das gesamte Tiermehl verboten haben für ne gewisse Zeit, um eben auszuschließen, dass geschlampt werden kann, und es wird dazu führen, dass wir unsere Schutzregelungen für Schafe erheblich ausdehen werden. Also es ist eine ganze Batterie von Gesetzen verabschiedet worden, die sehr viel leichter durchzusetzen waren mit der Unterstützung Deutschlands.
Ganz allmählich bekommen Europas Politiker die Vertrauenskrise in den Griff. Erstes Anzeichen dafür: als jetzt auch die ersten BSE-Fälle in Finnland und Österreich gemeldet wurden, kam es nicht erneut zur Panik. Insgesamt registrierte die EU im Jahr 2001 etwas über 1700 Fälle der Rinderseuche. Im Vorjahr waren es noch über 1900 gewesen und im Jahr 1992 sogar 37.000, davon allerdings 99,9 Prozent in Großbritannien. Schlussfolgerung der SPD-Europaabgeordneten Dagmar Roth-Berendt:
Wir sind am Abflauen der BSE-Krise, das ist völlig klar. Der Höhepunkt wird 1994-95-96 gewesen sein, was da in Deutschland war, weiß kein Mensch. Mich hat nicht überrascht, dass Deutschland BSE-Fälle haben wird und dass es so wenige sein werden.
Dennoch dürfte die EU-Kommission weitere Gesetzesinitiativen auf den Weg bringen. Die Rede ist von verschärften Kontrollen bei der Entfernung der Rinder-Wirbelsäulen und von einem Verbot von Rinderfett als Bestandteil von Milchaustauschern in der Kälberzucht. Andererseits wird das Verfütterungsverbot von Tiermehl 2002 vielleicht gelockert. Jedenfalls zeichnet sich im Europaparlament eine endgültige Mehrheit für das vorliegende Gesetz ab, Tiermehl dann doch zuzulassen, sofern es nur aus auch für den menschlichen Genuss geeigneten Schlachtabfällen hergestellt und streng nach Tierarten getrennt produziert wird. Der grüne Abgeordnete Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf.
Ich halte das auch für vernünftig, weil ich der Ansicht bin, es handelt sich hier um hochwertige tierische Proteine, die bestimmte Tiere notwendig haben nach ihrer organischen Verfasstheit. Und es wäre auch im Sinne des Hungers in der Welt nicht sinnvoll, 2-3 Millionen Hektar neue Fläche zu binden, um unseren Eiweißbedarf hier zu decken und wir leisten es uns hier, das, was wir eigentlich essen könnten, wegzuwerfen.
Doch Graefes grüne Parteifreundin und Bundesministerin Künast sieht das anders. Sie will es - schon wegen der Kontrollprobleme - beim vollständigen Tiermehlverbot belassen. Ihr Staatssekretär Martin Wille über die letzte Diskussion im Ministerrat:
Das habe ich allen Wortbeiträgen entnommen, dass die Tiermehlfrage eine ganz hochsensible ist und in Deutschland ist eine Aufhebung des Tiermehlverbots nicht konsensfähig, nicht durchsetzbar.
Neben BSE und den Folgeproblemen beherrschte der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche die Agrarpolitik des letzten Jahres. Zwar gelang es mit der rigorosen Keulungspolitik, die Seuche einzudämmen. Der Preis dafür aber war so hoch, dass die Bundesregierung nun in einem Memorandum eine Änderung der strikten Nicht-Impfpolitik fordert, an der die Kommission augenscheinlich gern festhielte. Staatssekretär Wille:
Nach unserer Auffassung sollten Notimpfungen in Form von Ringimpfungen bei akutem Auftreten von MKS durchgeführt werden, sobald ein Test zugelassen ist, der es ermöglicht, geimpfte von nicht-geimpften Tieren zu unterscheiden. Und dies wird, soweit wir dies übersehen, bereits im kommenden Jahr der Fall sein.
Neben der Suche nach weiteren Antworten auf BSE und MKS sind Einzelmaßnahmen wie die Novellierung der zehn Jahre alten Ökolandbau-Verordnung und ein Vorschlag zur Verbesserung der Tiertransporte zu erwarten.
Daneben wird die europäische Landwirtschaftspolitik im Jahre 2002 von zwei großen, miteinander zusammenhängenden Themenblöcken beherrscht werden: einmal müssen die EU-Staaten nun auch im Agrarbereich eine gemeinsame Verhandlungsposition gegenüber den in die EU drängenden Beitrittskandidaten finden. Dies wird nicht nur wegen der Wahlen in Frankreich extrem schwierig werden. Und alles andere als friedlich dürfte es zugehen, wenn EU-Kommissar Fischler seine Vorschläge im Zuge der Halbzeit-Überprüfung der Agenda-2000 auf den Tisch legt. Es ist nämlich vorgesehen, die Subventionen in den gemeinsamen Marktordnungen Milch, Getreide und Rindfleisch weiter zu kürzen.
In Berlin traten die Minister für Agrar und Gesundheit zurück. Renate Künast wurde Chefin eines neu zugeschnittenen Ministeriums für Verbraucherschutz und Landwirtschaft. Deutschland mutierte prompt vom europäischen Bremser zur Lokomotive einer umweltfreundlicheren Landwirtschaftpolitik. Doch erste Schlappen blieben zu Jahresbeginn im Agrarministerrat nicht aus:
Ähh, ich habe mir nicht vorgestellt, dass hier lauter Leute sitzen, die seit Jahrzehnten als ersten Punkt Verbraucherschutz, Verbraucherschutz, Verbraucherschutz haben und dann kommt lange Zeit nichts. Mir war vorher bekannt, wer hier welche Interessen und wie vertritt und insofern sage ich auch, fleißig nährt sich das Eichhörnchen.
Und so kam einiges von dem, was Renate Künast in der EU schon zu Amtsbeginn durchsetzen wollte, später dann doch noch auf die Tagesordnung. Mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen versuchten Rat, Parlament und Kommission das Vertrauen der Verbraucher zurück zu gewinnen. Beate Gminder, Kommissionssprecherin:
Zum einen wurden weitere Gesetze eingeführt, um BSE-Tests zu verbessern, wir haben jetzt grundsätzlich Tests von allen Tieren, die über 30 Monate alt sind, Deutschland ist sogar darüber hinaus gegangen und testet alle Tiere, die über 24 Monate alt sind. Es hat dazu geführt, dass wir ein Gesetz verabschieden konnten, dass sämtliche kranken Tiere auf jeden Fall auf BSE getestet werden, egal welche Altersgruppe. Es hat dazu geführt, dass wir das gesamte Tiermehl verboten haben für ne gewisse Zeit, um eben auszuschließen, dass geschlampt werden kann, und es wird dazu führen, dass wir unsere Schutzregelungen für Schafe erheblich ausdehen werden. Also es ist eine ganze Batterie von Gesetzen verabschiedet worden, die sehr viel leichter durchzusetzen waren mit der Unterstützung Deutschlands.
Ganz allmählich bekommen Europas Politiker die Vertrauenskrise in den Griff. Erstes Anzeichen dafür: als jetzt auch die ersten BSE-Fälle in Finnland und Österreich gemeldet wurden, kam es nicht erneut zur Panik. Insgesamt registrierte die EU im Jahr 2001 etwas über 1700 Fälle der Rinderseuche. Im Vorjahr waren es noch über 1900 gewesen und im Jahr 1992 sogar 37.000, davon allerdings 99,9 Prozent in Großbritannien. Schlussfolgerung der SPD-Europaabgeordneten Dagmar Roth-Berendt:
Wir sind am Abflauen der BSE-Krise, das ist völlig klar. Der Höhepunkt wird 1994-95-96 gewesen sein, was da in Deutschland war, weiß kein Mensch. Mich hat nicht überrascht, dass Deutschland BSE-Fälle haben wird und dass es so wenige sein werden.
Dennoch dürfte die EU-Kommission weitere Gesetzesinitiativen auf den Weg bringen. Die Rede ist von verschärften Kontrollen bei der Entfernung der Rinder-Wirbelsäulen und von einem Verbot von Rinderfett als Bestandteil von Milchaustauschern in der Kälberzucht. Andererseits wird das Verfütterungsverbot von Tiermehl 2002 vielleicht gelockert. Jedenfalls zeichnet sich im Europaparlament eine endgültige Mehrheit für das vorliegende Gesetz ab, Tiermehl dann doch zuzulassen, sofern es nur aus auch für den menschlichen Genuss geeigneten Schlachtabfällen hergestellt und streng nach Tierarten getrennt produziert wird. Der grüne Abgeordnete Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf.
Ich halte das auch für vernünftig, weil ich der Ansicht bin, es handelt sich hier um hochwertige tierische Proteine, die bestimmte Tiere notwendig haben nach ihrer organischen Verfasstheit. Und es wäre auch im Sinne des Hungers in der Welt nicht sinnvoll, 2-3 Millionen Hektar neue Fläche zu binden, um unseren Eiweißbedarf hier zu decken und wir leisten es uns hier, das, was wir eigentlich essen könnten, wegzuwerfen.
Doch Graefes grüne Parteifreundin und Bundesministerin Künast sieht das anders. Sie will es - schon wegen der Kontrollprobleme - beim vollständigen Tiermehlverbot belassen. Ihr Staatssekretär Martin Wille über die letzte Diskussion im Ministerrat:
Das habe ich allen Wortbeiträgen entnommen, dass die Tiermehlfrage eine ganz hochsensible ist und in Deutschland ist eine Aufhebung des Tiermehlverbots nicht konsensfähig, nicht durchsetzbar.
Neben BSE und den Folgeproblemen beherrschte der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche die Agrarpolitik des letzten Jahres. Zwar gelang es mit der rigorosen Keulungspolitik, die Seuche einzudämmen. Der Preis dafür aber war so hoch, dass die Bundesregierung nun in einem Memorandum eine Änderung der strikten Nicht-Impfpolitik fordert, an der die Kommission augenscheinlich gern festhielte. Staatssekretär Wille:
Nach unserer Auffassung sollten Notimpfungen in Form von Ringimpfungen bei akutem Auftreten von MKS durchgeführt werden, sobald ein Test zugelassen ist, der es ermöglicht, geimpfte von nicht-geimpften Tieren zu unterscheiden. Und dies wird, soweit wir dies übersehen, bereits im kommenden Jahr der Fall sein.
Neben der Suche nach weiteren Antworten auf BSE und MKS sind Einzelmaßnahmen wie die Novellierung der zehn Jahre alten Ökolandbau-Verordnung und ein Vorschlag zur Verbesserung der Tiertransporte zu erwarten.
Daneben wird die europäische Landwirtschaftspolitik im Jahre 2002 von zwei großen, miteinander zusammenhängenden Themenblöcken beherrscht werden: einmal müssen die EU-Staaten nun auch im Agrarbereich eine gemeinsame Verhandlungsposition gegenüber den in die EU drängenden Beitrittskandidaten finden. Dies wird nicht nur wegen der Wahlen in Frankreich extrem schwierig werden. Und alles andere als friedlich dürfte es zugehen, wenn EU-Kommissar Fischler seine Vorschläge im Zuge der Halbzeit-Überprüfung der Agenda-2000 auf den Tisch legt. Es ist nämlich vorgesehen, die Subventionen in den gemeinsamen Marktordnungen Milch, Getreide und Rindfleisch weiter zu kürzen.