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Jahrgangsbester ohne Chance?

Die neue Studienordnung in Hessen sollte eigentlich die Leistungen aller Universitäts-Absolventen europaweit vergleichbar machen. In Wirklichkeit benachteiligt sie die Lehramts-Studierenden mit schlechteren Noten und damit schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Von Florian Schwarz |
    "Ich habe nach Beendigung meines Studiums, wo ich scheinfrei war, meine Noten zusammen addiert und habe mal geschaut, auf welche Endnote ich kommen könnte und war doch recht erschrocken, dass die dann relativ tief dann lag und nicht da, wo ich es mir erhofft hätte,"

    sagt Martin Busch, Lehramtsstudent an der Uni Kassel. Er ist Jahrgangsbester. Mit einer Eins auf dem Examenszeugnis wird er aber trotzdem nicht "belohnt". Er beklagt sich:

    "Wenn ich für eine Leistung eine Note bekomme, egal ob die gut oder schlecht ist, dann sollte die zum Schluss auch auf dem Papier stehen und nicht nachträglich geändert werden."

    Das geschehe aber systematisch, und betreffe mit ihm tausende andere Absolventen des Lehramtes nach neuer Studienordnung.

    Die neue Studienordnung sollte eigentlich die Leistungen aller Universitäts-Absolventen europaweit vergleichbar machen - ist aber nicht mit der herkömmlichen Notengebung deutscher Universitäten deckungsgleich. Sie wertet tendenziell ab.

    Bernd Wollring, Leiter des Zentrums für Lehrerbildung und Mathematikprofessor an der Universität Kassel erklärt das bisherige System:

    "Es werden Punkte vergeben. Die Skala reicht von null bis 15 und der Bereich der Eins hat die Punkte 15, 14, 13. Eine glatte Eins ist für uns eine 14. Eine Eins 'mit Sternchen' sozusagen, ist die 15 eine Eins minus die 13."

    Doch wenn Dozenten einem Studierenden durchgehend eine glatte Eins, 14 Punkte, geben, steht bei den Lehramtsstudierenden nach neuer Studienordnung eine 1,3 - also keine glatte Eins - auf dem Zeugnis.

    "Wir gehen nicht davon aus, dass unsere Bewertungen durch ein Berechnungsverfahren - das ist ja ein staatliches Berechnungsverfahren, dass nicht innerhalb der Uni liegt - gewissermaßen abgewertet wird. Und man würde in Zukunft vielleicht eine Tendenz nach oben geben, wenn man weiß, dass die Studenten durch eine 14 Nachteile haben."

    Das hessische Kultusministerium ist sich dieser Abwertung - die auch die anderen Noten betrifft - bewusst, hält sie aber nicht für problematisch: Da alle Studierenden betroffen seien, werde auch niemand benachteiligt.

    Die Studierenden hingegen, die fürchten schwerwiegende Konsequenzen. Noch einmal Martin Busch:

    "Als Jahrgangsbester hast Du halt keine Chance, außerhalb von Hessen, beispielsweise in Hamburg, eine Stelle zu bekommen."

    Denn in vielen Bundesländern sind die Einstellungskriterien für manche Fächer inzwischen so streng, dass Studierende der neuen Studienordnung immer 15 Punkte, eine Eins plus, machen müssten, um eine Lehrerstelle zu bekommen. Das ist quasi unmöglich.
    Den Studierenden nach alter Studienordnung, davon gibt es noch Tausende, reichen durchschnittliche 14 Punkte um die glatte Eins zu erreichen - ein klarer Wettbewerbsvorteil.

    "Im Vergleich zur alten Studienordnung sind wir im Endeffekt sowieso die Looser,"

    sagt Franziska Klier, ebenfalls Kassler Lehramtsstudentin. Auch beim Bafög fürchtet sie Einbußen.

    "Die 30 Prozent der Besten eines Durchgangs bekommen 25 Prozent Erlass des Darlehens. Und wenn wir natürlich eine schlechtere Note bekommen,"

    bedeute das einen Verlust von über 2000 Euro, die ihr - würde sie wie die alten Lehramtsstudierenden bewertet - zuständen.

    Lösen wird sich die Situation erst in einigen Jahren: Wenn es keine Studierenden der alten Studienordnung mehr gibt. Dann werden im Examen alle gleich stark abgewertet.

    Martin Busch und Franziska Klier jedenfalls, wollen nicht so lange warten. Sie bereiten eine Klage vor, um den Studierenden nach alter Studienordnung gleichgestellt zu werden. Busch resümiert enttäuscht über die Reform seines Studienganges:

    "Also es war ein bisschen ungünstig, da ins Studium einzusteigen. Ein Jahr früher, hätte mir dann doch besser getan."