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James Hatfield, Das Bush-Imperium. Wie George W. Bush zum Präsidenten gemacht wurde.

George W. Bush ist wohl der umstrittenste Präsident, den die USA seit langem hatten. Nicht nur, dass er durch eine offensichtlich manipulierte Wahl an die Macht gekommen ist, wie man nun weiss, er war zuvor schon in unsaubere Geschäfte verwickelt. Doch wenn er auch im eigenen Land hin und wieder scharfer Kritik ausgesetzt ist, die Mehrheit seiner Landsleute folgt den Strategien der von Bush selbst entfachten Debatte um die allgegenwärtige Bedrohung durch den Terror, die wenigstens die Institution des Präsidenten in dieser Stunde der Not nicht angetastet sehen will. Der in der Zwischenzeit gestorbene Autor James Hatfield hat im Wahlkampf eine umstrittene Biographie über Bush geschrieben, die nun auf deutsch erschienen ist. „Das Bush-Imperium“ heißt das Buch, das Barbara Eisenmann für uns gelesen hat:

Barbara Eisenmann |
    George W. Bush ist wohl der umstrittenste Präsident, den die USA seit langem hatten. Nicht nur, dass er durch eine offensichtlich manipulierte Wahl an die Macht gekommen ist, wie man nun weiss, er war zuvor schon in unsaubere Geschäfte verwickelt. Doch wenn er auch im eigenen Land hin und wieder scharfer Kritik ausgesetzt ist, die Mehrheit seiner Landsleute folgt den Strategien der von Bush selbst entfachten Debatte um die allgegenwärtige Bedrohung durch den Terror, die wenigstens die Institution des Präsidenten in dieser Stunde der Not nicht angetastet sehen will. Der in der Zwischenzeit gestorbene Autor James Hatfield hat im Wahlkampf eine umstrittene Biographie über Bush geschrieben, die nun auf deutsch erschienen ist. "Das Bush-Imperium" heißt das Buch, das Barbara Eisenmann für uns gelesen hat:

    Dass eine Biographie mehr sein müsse als "Daten, Fakten und Zitate", schreibt der Bushbiograph Hatfield in der vorangestellten Widmung und dass sie "das Herz, die Seele und die Gedanken einer Person vermitteln" müsse. Dass Biographien ein schwieriges Genre sind, ist bekannt. Sie sind es aber nicht, weil sie mitten ins Herz des Biographierten treffen müssten, sondern weil, wie der Hermeneutiker Wilhelm Dilthey es treffend beschrieben hat, das Individuum eben nur den "Kreuzungspunkt" von Strukturen und Mustern darstelle, "in die sein Dasein verwoben ist". Biographien erschöpfen sich also gerade nicht in der Darstellung des Individuums, sondern sind vielmehr, wenn sie denn gelingen, Synthesen von Lebens- und Gesellschaftsgeschichte. Erschwerend kommt im Fall George W. Bush sicher hinzu, dass der Porträtierte qua Position zwar gewiss zu den großen Persönlichkeiten der Geschichte gezählt werden muss, aufgrund seiner Durchschnittlichkeit, wenn nicht gar Gewöhnlichkeit es einem Biographen freilich schwer fallen dürfte, sich ihm einfühlsam zu nähern.

    Hatfield reflektiert derartige Problematiken an keiner Stelle seines Buchs. Und so wundert es schließlich nicht, dass ein Autor, der offensichtlich kaum über die Bedingungen und Möglichkeiten des von ihm bedienten Genres nachgedacht hat, letztlich nur eine detailreiche Materialsammlung zu bieten hat. Die Quellenangaben übrigens, sind nicht wie üblich, als Anhang dem Buch selbst beigefügt, sondern nur als herunterzuladende Datei auf der Website des deutschen Verlags zugänglich. Dort erst ist dann nachzulesen, welchem Kapitel welche Quellen zugrunde liegen; bei anonymen Quellen wird das personale Umfeld, dem sie entstammen, grob lokalisiert. Äußerungen und Quellen einander zugeordnet, werden jedoch nicht. All das ist schon ein wenig fragwürdig.

    Hatfield hat im Lauf der Jahre eine Unmenge Informationen aus Archiven, Büchern, Zeitungen, Fernsehen, Internet und eigenen Interviews mit Personen aus Bushs Umfeld zusammengetragen. Sie reiht er, den Stationen des Werdegangs des US- Präsidenten folgend, schlicht additiv aneinander und vertraut dabei weitestgehend der den Daten selbst innewohnenden Beredsamkeit. Gewiss, die Daten sprechen für sich selbst, erzählen in vielen Episoden immer wieder von neuem die Geschichte eines von Anfang an gemachten Lebens, eines "Fortunate Son" eben, wie das Buch im englischen Original sinnfälligerweise auch betitelt wurde. Im Fall Bush Junior reicht eine minutiöse Beschreibung seines Curriculums ja auch aus, um die These von Daddy´s Boy zu belegen. Wer würde schon im Ernst anzweifeln wollen, dass "Dabbelju", wie seine Anhänger ihn gerne nennen, es ohne seine Herkunft wohl kaum ins Weiße Haus geschafft haben würde. Die interpretatorische Zurückhaltung des Autors, seine theoretische Abstinenz sind allerdings weniger ein Indiz für Objektivität – ein Kriterium, das ohnehin und zu Recht nicht mehr unproblematisiert Gültigkeit beanspruchen kann - als vielmehr ein strukturelles Manko des biographischen Ansatzes selbst, dem die Nachbuchstabierung der faktischen Oberfläche eines Lebens offenbar schon genügt. Der Autor appliziert keine weiter reichenden Deutungsmuster, und so bleiben aufschlussreiche, über das schon Gewusste hinaus reichende Erkenntnisse auf einem langen, detailgepflasterten Weg auf der Strecke.

    Über Bushs Biographie konnte auch in den deutschen Medien im Zuge des Präsidentschaftswahlkampfs Vieles nachgelesen werden. Dass er ein mittelmäßiger Schüler war und trotzdem Amerikas Eliteuniversitäten Harvard und Yale absolvierte, dass er einem Leben als Partyhengst frönte, sich dem Vietnamkrieg durch eine privilegierte Zulassung zur Nationalgarde entzog, dass er mit dem Geld von reichen Mitgliedern und Freunden des Familienclans seine erste wenig erfolgreiche Ölfirma gründete, dass er Alkoholprobleme hatte, sich dann nach weiteren erfolglosen Ölgeschäften, die interessanterweise immer nur die Unternehmen selbst, nicht aber sein Privatvermögen ruinierten, doch noch der Politik zuwandte und sich im Wahlkampfteam seines Vaters als eminent aggressiver Wahlkämpfer engagierte, dass er, als der Vater ins Weiße Haus einzog, nach Dallas zurückging, das Baseball Team der Texas Rangers kaufte, als deren Manager arbeitete, später 2 Mal hintereinander Gouverneur von Texas wurde und dort Todesurteile wie am Fließband unterschrieb, das alles hat man schon gewusst. Zwar nicht mit dem Detailreichtum, mit dem eine 400-seitige Biographie aufwarten kann, aber das kann ja nun nachgeholt werden. Interessantes wie der nie aufgeklärte Skandal um das Unternehmen Harken Energy, in dem Bush im Vorstand und Aufsichtsrat saß, in dem es zum einen um eine höchst fragwürdige Bilanzierungspolitik des Unternehmens ging, aber auch darum, dass Bush 60% seiner Aktien noch just vor deren Fall verkaufen konnte und die Börsenaufsicht nicht, wie vorgeschrieben, sofort über diesen Insider-Verkauf informierte, gehen in der Materialflut unter, weil die zentralen Fragen zu seiner Strukturierung fehlen.

    Nun hätte der Fall Bush reichlich Material zu bieten gehabt, das nach einer gesellschaftsgeschichtlichen Analyse geradezu schreit. Was beispielsweise hat es auf sich mit den gleichsam dynastischen Erbfolgen in einem Land, das keine aristokratische Vergangenheit hat und sich als urdemokratisch rühmt? Wie erklärt sich die Verwandlung pathologischer in politisch-soziale Energie im Generationsverhältnis der politischen Clans im Land? Warum fühlt sich der Sohn berufen, das politische Erbe des Vaters fortzuschreiben?

    Am Ende ist dann leider die Geschichte um die Veröffentlichung des Buchs auf dem us-amerikanischen Markt brisanter als das Buch selbst, und das gerade auch, weil sie dem Leser hierzulande nur bruchstückhaft vorgelegt, vom deutschen Verlag aber politisch instrumentalisiert wird. Im Klappentext wird darauf hingewiesen, dass die vorliegende Biographie "gegen alle Widerstände" in den USA schließlich doch noch erschienen sei. Ebenfalls dort liest man, dass das Buch "in die lange Reihe eines für alle Völker der Welt beispielhaften Widerstandes" gehöre und der Biograph seinen Widerstand schließlich "mit seinem Leben bezahlt" habe, und wundert sich über die wenig vertrauenerweckende pathetische Rhetorik dieser Zeilen.

    In den Vorbemerkungen des Autors erhält man dann einigermaßen kryptische Informationen darüber, dass das Buch nach seiner Erstveröffentlichung während des Präsidentschaftswahlkampfs im Oktober 1999 verboten und - Zitat - "aller Wahrscheinlichkeit nach verbrannt wurde". Von einem "totalitären Angriff" ist die Rede, und man fragt sich, aufgeschreckt durch die Aktivierung von Bildern brennender Bücher aus der deutschen Nazivergangenheit, was wohl geschehen sein mag. In den Anmerkungen des deutschen Verlags auf der letzten Seite erfährt man, dass just zur Zeit der Erstveröffentlichung des Buchs in der us-amerikanischen Tagespresse ein Artikel über den Autor erschienen sei, demzufolge dieser – Zitat - "wegen Anstiftung zu einem Mord, der nicht stattfand", eine 5-jährige Gefängnisstrafe absolviert habe. "Hatfield hat diese Vorwürfe immer bestritten", heißt es da auch noch. Im Internet stöbert man irritiert weiter und erfährt u.a., dass der Autor sich schließlich doch zu den Vorwürfen bekannt habe.

    Die Schlussfolgerung der deutschen Verleger, dass der Fall Hatfield die Methoden zeige, die den Mächtigen zur Verfügung stünden, ihre Kritiker mundtot zu machen, mit der implizit unterstellt wird, der Tod des Autors sei womöglich gar kein Selbstmord gewesen, stimmt dann allerdings wirklich ärgerlich. Zumal das Buch im Grunde genommen nichts wirklich brisant Neues aufzubieten hat, und der auf anonymen Quellen fußende Verdacht, Bush junior sei 1972 wegen Kokainbesitzes verhaftet worden und habe dank einer Intervention seines Vaters keinen entsprechenden Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis erhalten, inzwischen angesichts viel gravierenderer und beunruhigenderer Merkmale der illegitim errungenen Herrschaft dieses privilegierten Sohnes geradezu kleinlich, vor allen Dingen aber auch hilflos anmutet. Und so dokumentiert das Buch samt seiner Verkaufsstrategie indirekt auch das symptomatische Dilemma, das der so notwendigen Kritik und Opposition an einem Repräsentanten der ‚Weltmacht’ heute erwachsen ist, in einer Zeit, in der das Empire wie Michael Hardt und Toni Negri herausgearbeitet haben, keinen spezifischen Ort und Adressaten mehr hat.

    Barbara Eisenmann besprach James Hatfield: "Das Bush Imperium, Wie George W. Bush zum Präsidenten gemacht wurde". Es ist im Bremer Atlantik Verlag erschienen, hat 415 Seiten und kostet 19.80 Euro.