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James Turrell Ausstellung in Baden-Baden
Ummantelt von Licht

Der Lichtkünstler James Turrell wuchs in einer Quäkerfamilie ohne Strom auf. Vielleicht beschäftigt er sich deshalb mit den spirituellen Wirkungen des elektrischen Lichts. In der Ausstellung "The substance of light" im Museum Frieder Burda in Baden-Baden wirken Räume wie kosmische Halluzinationen.

Von Christian Gampert |
    Zwei Ausstellungsbesucher sitzen vor dem Werk "Curved Wide Glass" von James Turrell im Museum Frieder Burda in Baden-Baden
    "Curved Wide Glass" von James Turrell im Museum Frieder Burda in Baden-Baden (Florian Holzherr)
    So etwa könnte der Übergang in die Unendlichkeit aussehen: Man steht mitten im Licht, das ganz unmerklich die Farbe ändert - von einem warmen Rot in einen Orange-Ton und dann in ein immateriell wirkendes Weiß – und man scheint zu fliegen. Die Lichttöne sind durch sanfte Nebel abgedämpft. Und obgleich man mit den Beinen fest am Boden steht oder sogar herumgeht, vermittelt sich ein Gefühl des Schwebens und der Schwerelosigkeit. Man fühlt sich ummantelt von Licht, in einem fahlen, leeren, über-sinnlichen Weltenraum. Und es ist verblüffend, wie viel Musik einem dabei durch den Kopf geht, obwohl hier doch die Stille regiert.
    James Turrell, der solche Lichtdome baut und dabei synästhetische Wirkungen erzielt, ist in einer Quäkerfamilie ohne elektrischen Strom aufgewachsen. Vielleicht ist es eine späte Rache, dass er seine Werke ausgerechnet mit der einst verbotenen Energie erzeugt. Turrells Werke haben jedenfalls durchaus etwas Religiös-Spirituelles, aber auch etwas von einem Drogentrip. Man fühlt sich seltsam enthoben, aber auch aufgehoben, obgleich auch so etwas wie die Angst des Sich-Verlierens aufglimmen kann.
    Bizarre Farbwechsel
    Ein Lichtfeld wie "Apani", 2011 in Venedig gezeigt und nun in Baden-Baden zu sehen, ist ein einzigartiges Kunstwerk. Und man vergisst darin natürlich die vielen Apparaturen, die das alles möglich machen. Der Raum nimmt das halbe Museum ein, und Turrells fließende Farbwechsel sind sublim kalkuliert.
    Turrell: "Ich bin nicht mit Symbolen unterwegs. Aber Farben haben unterschiedliche Wirkungen auf Emotion und Körper. Das endorphine System wird von Licht angeregt. Und Farben haben verschiedene physische Wirkungen auf unser Selbst."
    Aber sie "bedeuten" nichts. In der elliptischen weißen Glas-Installation, die das Burda-Museum jetzt angekauft hat, gibt es bizarre Farbwechsel. Aber Rot ist nicht unbedingt warm und Blau nicht kühl; das Gegenteil sei wahr, meint Turrell. Und er beruft sich auch nicht auf den Minimalismus, sondern auf ganz andere Traditionen.
    Turrell: "Natürlich hat meine Arbeit viel mit Malerei zu tun. Wenn Sie auf die Kunstgeschichte blicken: Caspar David Friedrich, Turner, Constable, all die Impressionisten, Velazquez, Goya, Caravaggio – die Geschichte ist voller Künstler, die mit Licht gearbeitet haben."
    Sein eigenes Stück Himmel erleben
    Die Baden-Badener Ausstellung geht sehr weit zurück und zeigt Turrells "First Light"-Entwürfe von Ende der 1980iger-Jahre, geometrische weiße Lichtschlitze in Aquatinta-Schwärze, die schon sehr an seine späteren Sky Spaces erinnern. Turrell baut überall auf der Welt Räume, die sich architektonisch an die jeweilige Kultur und Landschaft anschmiegen, die aber aus einem einzigen, nach oben hin offenen Raum bestehen. Dessen Ränder werden mit Licht angestrahlt. Wer dort sitzt oder liegt, kann sein eigenes Stück Himmel erleben, ein Bewegtbild, das vor allem bei Sonnenauf- oder untergang oder bei Nacht Gefühle von Transzendenz auszulösen vermag.
    Diese "Sky Spaces" werden in Baden-Baden mit Fotos und Modellen vorgestellt, ebenso wie das Großprojekt "Roden Crater". Turrell, der ein leidenschaftlicher Flieger ist, entdeckte in der Wüste Arizonas – von oben - einen erloschenen Vulkankrater, kaufte das Land und baut dort unterirdische Schächte und Hallen, riesige Tempel, die nach oben offen sind und als Himmelsobservatorium dienen. Und man hat nicht das Gefühl, dass hier Gigantomanie Regie führt, eher: Demut vor dem Kosmos.
    Eine Schau wie Farbfeldmalerei
    Das Burda-Museum bietet eine wunderbare Schau: Im Oberstock eine Doppelprojektion, die wie Farbfeldmalerei wirkt, dann mit Geometrien spielende Hologramme, das in eine Ecke projizierte, signethafte grüne Dreieck. Schließlich eine Installation, die mit Lasern künstliche Begrenzungen, also Räume schafft. Vergleichbar ist das alles – in der Gegenwartskunst - nur mit Wolfgang Laibs gelben Bienenwachs-Kuben, die aber mehr mit dem Geruchssinn arbeiten, und mit Olafur Eliassons Sonnen-Installation. Die Kunst von James Turrell muss man möglichst allein erfahren, einsam wie in einer leeren Kirche. Das wird in Baden-Baden schwer möglich sein. Es begeben sich nun wahrscheinlich Tausende auf die Reise ins Licht.