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Jammerlappen, Held und rätselhafte Frau

Am 1. Mai beginnt der sogenannte Kino-Sommer. In dieser Zeit werden in den amerikanischen Kinos die höchsten Umsätze erzielt und lang erwartete Filme starten. In Deutschland laufen eine Comicverfilmung, ein Thriller, eine Anarcho-Komödie sowie ein Charlie-Sheen-Film an - nicht alle überzeugen.

Von Jörg Albrecht | 01.05.2013
    "Ja, zieht den Stecker einfach raus! Ich will nicht mehr leben."

    Was für ein Jammerlappen! Nach einem Unfall, bei dem er mitsamt seinem Cadillac in einem Swimming Pool gelandet ist, steckt Designer Charles Swan III endgültig in der Sinnkrise. Flankiert wird diese auch noch durch Todesfantasien. Gerade erst verlassen von seiner Freundin und lange schon von guten Ideen für seinen Job, zieht Charles Bilanz. Die fällt ernüchternd aus:

    "Kannst du dir vorstellen, dass ich mich noch mal verlieben kann, mit meinen alten Geschichten noch mal durchkomme, mich noch mal auf jemanden einlasse? Nein. Ich werde einsam und allein sterben."

    "A Glimpse Inside the Mind of Charles Swan III" heißt diese larmoyante Selbstbespiegelung eines Endvierzigers in der Midlife-Crisis im Original. Die von Roman Coppola – Sohn von Francis Ford – geschriebene und inszenierte Geschichte weckt sofort Erinnerungen an den filmischen Kosmos eines Woody Allen. Während es dem New Yorker bis heute aber immer wieder gelingt, der elenden Existenz des intellektuellen Künstlers ihre absurd-komischen Seiten abzugewinnen, entwickelt Roman Coppolas Geschichte keinerlei Eigenleben. Sein "flüchtiger Blick in das Innere von Charles Swan III" ist eine reine Kopfgeburt, in der Szenen lose, beliebig und belanglos aneinander geheftet werden. Keine davon ist witzig. Zu offensichtlich hat Coppola allein auf die Zugkraft seines Hauptdarstellers Charlie Sheen gesetzt, der in den letzten Jahren immer wieder durch Eskapaden auffiel. Der deutsche Verleih macht daraus schon im Titel "Charlies Welt – Wirklich nichts ist wirklich" keinen Hehl. Und bei Sätzen wie ...

    "Ich muss mich wieder in Form bringen. Ich bin ein absolutes Wrack."

    ... möchte man uns wohl glauben machen: Hier handele es sich um eine fiktionalisierte Version seines eigenen Lebens.

    "Charlies Welt – Wirklich nichts ist wirklich": Enttäuschend.

    Wie es sich anfühlt, ganz unten angekommen zu sein – davon kann auch Robert Downey Jr. berichten. Der Schauspieler – gleicher Jahrgang übrigens wie Sheen – hat nach seinen Drogenexzessen jahrelang keinen Job bekommen. Mittlerweile aber ist er – gleich dank der beiden Filmreihen "Iron Man" und "Sherlock Holmes" – einer der begehrtesten Stars in Hollywood. Und so verkörpert Downey Jr. jetzt erneut den zynischen und selbstverliebten Industriellen und Playboy Tony Stark, der in seiner Hightech-Rüstung gegen die Bösen in der Welt zu Felde ziehen muss.

    "Hier geht es nicht um Politik, sondern um die gute, alte Rache. Vergiss das Pentagon! Nur du und ich. Also falls du mutig genug bist, dann komm doch einfach zu mir: 10880 Malibu Point. Kannst ruhig dein Navi benutzen."

    So unbesiegbar Tony Stark alias Iron Man hier auch klingt – der Held steckt ebenfalls mitten in der Krise. Panikattacken befallen ihn. Ständig die Welt retten zu müssen und auf der Abschussliste fieser Schurken zu stehen – wer würde da nicht schlaflose Nächte haben?! Es sind genau diese Momente, die "Iron Man 3" von den meisten anderen Comicverfilmungen unterscheiden. Denn hier ist zur Abwechslung auch der Superheld eine interessant gezeichnete Figur. Und die verkörpert Downey Jr. gewohnt humorvoll und charismatisch. Der Rest ist das übliche, schon unzählige Male gesehene Effekte-Feuerwerk – immerhin gewürzt mit der einen oder anderen Überraschung, zu der auch Ben Kingsley in der Rolle des Bösewichts seinen Beitrag leistet.

    "Iron Man 3": Akzeptabel.

    "Sie sind Allegra? Ich bin ... Kevin? Ich glaube, wir haben uns schon irgendwo getroffen. – Ach ja? – Ich habe einen guten Blick für Gesichter."

    Er hat sie vor Kurzem in der Lobby jenes Hochhauses gesehen, in dem ein Mord geschehen ist. Seitdem kommt Polizist Bernie von Anna nicht mehr los. Er hat sich in die rätselhafte Frau, die den Toten gekannt hat, verliebt. Es ist nicht das erste Mal, dass der Roman "I, Anna" von Elsa Lewin verfilmt worden ist. Schon 1998 hat Produzent Nico Hoffman in seiner vorerst letzten Regiearbeit den Stoff unter dem Titel "Solo für Klarinette" verfilmt. Das Ergebnis war ein wenig überzeugender Psychothriller. Kaum besser jetzt die englische Version mit Charlotte Rampling und Gabriel Byrne in den Rollen von Harfouch und George. In bläulich-kalten Bildern wird hier eine Kriminalgeschichte erzählt, die auf Atmosphäre setzt und auf eine vermeintlich geheimnisvolle Frauenfigur, dabei aber Handlung und Spannungsmomente völlig vernachlässigt.

    "I, Anna" von Barnaby Southcombe: zwiespältig.

    "Ich warne dich, Benoît! Wenn du hier ... Hey! NOT. Ich heiße nicht Benoît. Ich heiße NOT. Darauf lege ich wert. – Wenn du hier randalierst, Bruder ... rufe ich die Security."

    Zwei Brüder, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Eine – Benoît – trägt einen Irokesenhaarschnitt und das Wort "Not" auf seiner Stirn geschrieben, der Andere – Jean-Pierre – ist Familienvater und verkauft Tag für Tag Matratzen. Beide gehen sie auf die 50 zu. Der Punker und der Spießer. Doch das Schicksal wird die Zwei sich einander annähern lassen. Denn als Jean-Pierre seinen Job verliert und sein Leben völlig aus der Bahn gerät, findet er Halt bei seinem Bruder, der sich von der Gesellschaft niemals hat verbiegen lassen.

    Vor dem Hintergrund von Finanz- und Wirtschaftskrise hat das französische Regie-Duo Gustave Kervern und Benoît Delépine eine charmante Anarcho-Komödie gedreht um zwei Aussteiger aus der Gesellschaft. Er ist durchaus gewöhnungsbedürftig – dieser absurd-verrückte Film, dessen Humor manchmal an die Marx-Brothers erinnert und der selbst als Statement zu all den angepassten Filmproduktionen verstanden werden kann.

    "Der Tag wird kommen": Akzeptabel.