Jan Dismas Zelenka: "Missa Dei Patris"
Heute möchte ich Ihnen eine Neuerscheinung aus dem Bereich der Vokalmusik vorstellen, die Missa Dei Patris des tschechischen Komponisten Jan Dismas Zelenka, eines etwas jüngeren Zeitgenossen von Johann Sebastian Bach. * Musikbeispiel: Jan Dismas Zelenka - Kyrie II aus: Missa Dei Patris Geboren in Böhmen, war Zelenka Jesuitenschüler in Prag und bis 1710 dort in Diensten von Graf Hartig, der ein Faible für italienische Musik und da vor allem für die Werke Antonio Lottis hatte. 1710 wechselte Zelenka als Kontrabassist an die Hofkapelle nach Dresden, wo August der Starke und später dann Friedrich August II. regierte. Mit einem Stipendium seines weltoffenen Königs ausgestattet hielt er sich 1715 in Wien auf, wo er wahrscheinlich Schüler von Johann Joseph Fux war. 1716 reiste er zu Antonio Lotti nach Venedig, ein Jahr später war er wieder in Wien und unterrichtete den uns vor allem als Flöte-Spezialisten bekannten Quantz im Kontrapunkt. Nach seiner Rückkehr nach Dresden wurde Zelenka 1721 zum Vizekapellmeister der Kirchenmusik ernannt. In Dresden stand er als Komponist im Schatten seiner Vorgesetzten Johann David Heinichen und vor allem von Johann Adolf Hasse, der damals mit seiner Musik absolut "in" war. Zelenkas Werk ist nicht allzu groß, aber von hoher kompositorischer Qualität. Im Zentrum stehen an die 20 Messen, das großartige Requiem D-Dur, ein Magnificat, von dem auch Johann Sebastian Bach eine Abschrift besaß, Lamentationen für die Karwoche und beeindruckende Responsorienvertonungen. Das alles ist dem heutigen Musikliebhaber noch nicht allzu lange bekannt; erst seit Ende der 70er Jahre werden Zelenkas kirchenmusikalische Werke nach und nach herausgegeben, wobei die wichtigste Quelle die Sächsische Landesbibliothek Dresden ist. * Musikbeispiel: Jan Dismas Zelenka - aus: Domine Deus (Gloria) Missa Dei Patris Zelenkas Messen sind "Nummernmessen in gemischtem Stil", das heißt, er unterteilt den Text in kleinere Einheiten und vertont diese als äußerst abwechslungsreich gestaltete und unterschiedlich besetzte Einzelnummern. Dabei findet man mit Motetten und Fugen Ausdrucksmittel der damals eher "älteren" Musik, aber auch für diese Zeit "moderne" Formen, wie sie in der zeitgenössischen Oper vorkommen, also virtuose oder empfindsame Arien, Solisten-Ensembles, Ritornelle und Chorkonzerte. Zelenkas musikalische Textausdeutung ist effektvoll und schon beim ersten Hören gut nachzuvollziehen, ob es nun die verzweifelt suchende Chromatik im "Cruzifixus" ist, das blitzschnelle Orchesterspiel für die Auferstehung von den Toten oder das geradezu gespenstische Pianissimo für die "vivos et mortuos", die Lebenden und die Toten. Aus heutiger Sicht fast schon ironisch wirkt die Vertonung der Credo-Stelle, mit der so mancher Komponist seine liebe Not hatte, wo es um den Glauben an die "eine, heilige, katholische und apostolische Kirche" geht: Zelenka schildert die repräsentative Macht der Institution und die Unumstößlichkeit der reinen Lehre durch auffallende Wiederholungen des immer selben Tons... * Musikbeispiel: Jan Dismas Zelenka - Et resurrexit (Credo) aus: Missa Dei Patris Die neue Aufnahme dieser "Missa Dei Patris" von Jan Dismas Zelenka stammt von Frieder Bernius und seinem nunmehr seit Jahrzehnten Spitzenleistungen hervorbringenden Stuttgarter Kammerchor. Schon 1990 hatte er bei der "deutschen harmonia mundi" Zelenkas "Missa Dei Filii" und 1998 bei Sony die "Missa Omnium Sanctorum" herausgebracht, so dass jetzt mit dieser beim Stuttgarter Carus-Verlag erschienenen "Missa Dei Patris" das Trio der wichtigsten letzten Messen des tschechischen Komponisten komplett vorliegt. Mit traumwandlerischer Sicherheit bewegt sich der Stuttgarter Kammerchor durch das an vielen Stellen mit komplizierter Chromatik geradezu verminte Gelände, kostet Dissonanzen und Auflösungen gleichermaßen aus, vermittelt mit großer dynamischer Breite, höchster Klangkultur und mitreißender Musikalität jede Nuance der Partitur, solide unterstützt vom Barockorchester Stuttgart, wobei eine gute Aufnahmetechnik den immer schwierigen Balance-Akt zwischen Textverständlichkeit und gutem Chor- und Orchesterklang bravourös meistert. Auch die Solisten-Auswahl ist überaus glücklich: wie schon bei der "Missa Omnium Sanctorum" singen auch diesmal wieder Mechthild Bach, Sopran, Markus Brutscher, Tenor, Gotthold Schwarz, Baß und der sehr bewegliche und vielseitige Countertenor Daniel Taylor, der als einziger eine Soloarie singen darf. * Musikbeispiel: Jan Dismas Zelenka - Domine fili (Gloria) aus: Missa Dei Patris Die Neue Platte - heute mit der "Missa Dei Patris" von Jan Dismas Zelenka in einer rundum empfehlenswerten Neuaufnahme durch den Kammerchor Stuttgart und das Barockorchester Stuttgart unter der Leitung von Frieder Bernius. Mit den Klängen der Friedensbitte aus dieser Messe geht unsere Sendung zu Ende. * Musikbeispiel: Jan Dismas Zelenka - Dona nobis pacem (Agnus Dei) - Ende aus: Missa Dei Patris