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Japan und seine Nachbarn
Neue Verteidigungsstrategien in unsicheren Zeiten

Gute diplomatische Beziehungen sind Japans Regierungschef Shinzo Abe wichtig - das zeigte er auch beim jüngsten Treffen mit Bundespräsident Gauck. Daneben schlägt Abe aber auch andere Töne an. Mit einer Verfassungsreform will er Japans Verpflichtung zum Pazifismus aushebeln.

Von Johanna Herzing | 19.11.2016
    Japans Premierminister Shinzo Abe begrüßt im November 2016 Bundespräsident Gauck in Japan.
    Japans Premierminister Shinzo Abe begrüßt im November 2016 Bundespräsident Joachim Gauck. (dpa/ picture alliance / Hidetaka Ando)
    Die Säbel der Ehrenformation sind nach unten gerichtet, die Schneide in dieser Haltung untauglich zum Angriff. Japan präsentierte sich dem deutschen Staatsoberhaupt in der zu Ende gehenden Woche friedfertig und wehrhaft zugleich, ganz wie es das Protokoll für den Besuch hoher Staatsgäste vorsieht. Doch auch abgesehen vom Zeremoniellen steht die Frage nach der Wehrhaftigkeit in Japan derzeit recht weit oben auf der Tagesordnung. Die Wahl Donald Trumps zum nächsten US-Präsidenten hat für große Verunsicherung gesorgt und so werden gute Beziehungen wie etwa zu Deutschland in diesen Tagen besonders betont und gepflegt. Premierminister Shinzo Abe:
    "Japan und Deutschland spielen als Großmächte im asiatisch-pazifischen beziehungsweise im europäischen Raum eine unentbehrliche Rolle für den Weltfrieden und Wohlstand. Ich freue mich, dass unsere beiden Länder darin einig sind, dass eine gewaltsame Änderung des Status quo inakzeptabel ist. Wir haben uns darauf verständigt, unsere Zusammenarbeit fortzusetzen und für die Aufrechterhaltung der internationalen Ordnung auf rechtstaatlicher Basis einzustehen."
    Grund zur Sorge
    Bundespräsident Joachim Gauck wiederum bezeichnet Japan als wichtigen Wertepartner in Asien; Demokratie, Wohlstand und ein hochentwickeltes Bildungs- und Wissenschaftssystem – das alles seien Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Ländern. Und dennoch gebe es auch Grund zur Sorge, so Gauck:
    "Wir haben auch über belastende Themen gesprochen, zum Beispiel über die schwierige sicherheitspolitische Lage in Ostasien. Wir verfolgen die Situation im Ost- und Südchinesischen Meer mit Sorge und begrüßen alle Schritte, die zur Deeskalation beitragen. Dabei unterstützen wir Lösungen, die im Rahmen des Völkerrechts gefunden werden. Gerade Deutschland und Japan sind daran interessiert, die Durchsetzung des Völkerrechts zu fördern."
    Deshalb, so Gauck, müssten beide Staaten bereit sein, mehr Verantwortung zu übernehmen. Diplomatie habe zwar Vorrang, sei aber in Notfällen und bei schweren Menschenrechtsverletzungen nicht immer ausreichend. Er wünsche sich einen noch engeren sicherheitspolitischen Dialog zwischen den zwei Ländern.
    Grund zu beständiger Sorge
    Tatsächlich ist die Region rund um Japan alles andere als spannungsfrei. Neben dem Inselstreit zwischen Japan, China und anderen Anrainerstaaten, bei dem es nicht zuletzt auch um das Abstecken wirtschaftlicher Interessen geht, ist der Konflikt mit Nordkorea Grund zu beständiger Sorge. Dass Japan und Südkorea deshalb verstärkt auf Dialog setzen, hob der Bundespräsident anerkennend hervor:
    "Denn jeder Schritt einer Annäherung und Versöhnung ist angesichts der gemeinsamen Bedrohung, die von Nordkorea ausgeht, ein sehr wichtiger Schritt. Und darum war es mir auch wichtig zu würdigen, dass der Premierminister das Verhältnis zu Korea im vergangenen Jahr deutlich gefördert hat und verbessert hat und dass eine neue Ära von Vertrauen damit möglich ist."
    Doch die Regierung Abe versucht Japans Sicherheitslage nicht nur auf diplomatischem Weg abzusichern. Langfristig strebt der Premierminister eine Verfassungsreform an. Er möchte die Verpflichtung Japans zum Pazifismus, wie sie in Artikel 9 der Verfassung festgeschrieben ist, gerne aushebeln. Ein Vorhaben, das allerdings in der Bevölkerung auf große Skepsis trifft, so Takeshi Kawasaki von der Sophia-Universität in Tokio:
    "Da kommen natürlich große Probleme, dass wir Japaner sehr nervös sind gegenüber der Änderung von Artikel 9. Deswegen muss Abe das auch sehr vorsichtig machen. Das heißt, man muss das Regierungssystem von Japan überlegen und zuerst muss man das ändern in der Verfassung, sodass man später möglicherweise Artikel 9 verändern könnte, aber das kommt viel später."
    Ein langwieriger Prozess
    Zum jetzigen Zeitpunkt, so der Politikwissenschaftler, würde ein entsprechendes Referendum in der Bevölkerung wohl durchfallen. In jedem Fall aber wäre die Verfassungsreform wohl ein äußerst langwieriger Prozess. Umso entscheidender die Frage, wie sich die künftige Zusammenarbeit mit dem bisherigen Sicherheitsgaranten Japans, den USA, in Zukunft gestalten wird. Zwar sprach Premierminister Abe nach einem ersten Zusammentreffen mit Donald Trump davon, dass er diesem vertrauen könne. Er betonte auch die warme Atmosphäre, in der das Gespräch stattgefunden habe. Doch ob Trump als Präsident auf eine weiterhin starke US-Militärpräsenz in Japan setzen wird, ist nach wie vor offen. Ebenso wie die Frage, wie Japan das Vakuum füllen könnte, sollten die USA sich in der Region tatsächlich zurückziehen.