Langsam fallen weiße Kirschblüten, man sieht ein paar kostbare, zu künstlicher Zierlichkeit hochgezüchtete Goldfische in Großaufnahme. Die zwei ersten Bilder; Japan-Klischees, wenn man so will.
Dann sieht man eine junge Frau rauchen, hört moderne Musik. Die Farbe, die dominiert, ist Rot. Nicht an Rob Marshalls Hollywoodschmalzfilm "Die Geisha" sollte man denken, sondern eher an "Rote Laternen", Zhang Yimous Klassiker über eine streng regulierte Welt, in der die Frauen zugleich Sklavinnen sind, und Herrinnen. Oder gleich an Sofia Coppolas "Marie Antoinette". Denn "Sakuran" erzählt, in prächtigen Farben, an der Grenze zur Pop-Knalligkeit, von einer Glamour-Queen des japanischen Rokoko:
Kiyoha ist eine "Oiran", also weder Geisha noch gemeine Prostituierte, sondern die höchstmögliche Stufe einer Kurtisane der Tokugawa-Zeit, jenem japanischen Ancien Regime, das vom Barock bis zur Öffnung Japans zum Westen im Jahr 1868 dauerte.
Nicht allein körperliche Schönheit - die war selbstverständlich -, sondern vor allem Bildung, Manieren und Anmut, also ein Kulturvorsprung, zeichneten seinerzeit diese Oiran aus.
Zwar boten auch sie Sex für Geld, allerdings nicht nur für ungemein viel Geld, sondern vor allem nach strengen Ritualen, die sie den Männern, mit denen sie verkehrten, gleich stellten, ihnen eine autonome, freilich sehr prekäre Machtposition gaben. Dieses Machtspiel und die Ökonomie der Anmut sind Haupt-Themen von "Sakuran". Der Film stellt seine Figuren nicht als Handwerkerinnen, sondern als Künstlergenies der Liebe vor
" Ich kann nicht erklären, warum, aber ich weiß genau, was ich tun muss."
bringt Kiyoha es einmal auf den Punkt.
Mit dieser Kunst wurden sie zu Mega-Stars ihrer Zeit, Vorbildern für Mode und Manieren der damaligen Oberschicht.
Je länger der Film dauert, um so deutlicher wird, dass die historischen Kulissen täuschen: Regisseurin Mika Ninagawa benutzt sie um eine verfremdende Wirkung zu erzielen. Denn tatsächlich ist "Sakuran" ganz und gar ein bissiger Kommentar über unsere Gegenwart: Über eine Gegenwart, die ebenso von einem neuen Klassensystem geprägt ist, wie von der Macht der Unterhaltungsindustrie. Auch heute haben wir es mit Traumfabriken zu tun, die künstliche Paradiese, ihre eigenen Helden und eine scheinbare, verlogene Gleichheit produzieren.
Formal wird der historische Rahmen schon früh gebrochen: So ausgefeilt die glamourösen Kimonos und die übrigen Kostüme sind, sind sie doch historisch kaum exakt. Der Schnitt der Bilder wechselt ständig den Rhythmus, die Kamera fließt und hält doch immer wieder in kurzen Ansichten unmittelbarer Schönheit inne.
Die zentrale Stil-Entscheidung dieses hochstilisierten Films liegt aber vor allem in der Wahl der Musik:
Shiina Ringos vibrierender, in dieser Form nie gehörter Misch aus Pop-Elementen, Jazz und moderner Klassik bricht nicht nur mit allen denkbaren Klischees, er wird zum eigenen - ironisierenden - Kommentar des Films.
Ninagawas Ansatz ist dem Versuch vergleichbar, den Sofia Coppola in "Marie Antoinette" unternahm: Intelligentes Kino als optischer Genuss im Schwebezustand zwischen Kitsch und Cleverness. Und voll erkennbarem Widerwillen gegen platten Naturalismus.
"Sakuran" ist ein virtuoses, gut gelauntes, und einfallsreiches Stil-Feuerwerk voll zarter Melancholie, ein Spiel mit dem diskreten Charme der Dekadenz, das dem Zuschauer Vergnügen nicht weniger bereiten will, als Erkenntnis, und das auf die Neugier des Betrachters setzt, seine Lust am Ausbruch aus dem gewohnten Kino-Biedermeier.
Einmal erklärt die Hauptfigur:
" So zu tun, als sei nichts dahinter, wenn etwas dahinter ist - das nennt man Stil."
Dies ist auch das künstlerische Credo von "Sakuran". Wie ein Besuch bei einer Oiran ist auch dieser Film: Eine Lektion in Stil-Bewusstsein, ein ästhetischer Ausnahmezustand.
Dann sieht man eine junge Frau rauchen, hört moderne Musik. Die Farbe, die dominiert, ist Rot. Nicht an Rob Marshalls Hollywoodschmalzfilm "Die Geisha" sollte man denken, sondern eher an "Rote Laternen", Zhang Yimous Klassiker über eine streng regulierte Welt, in der die Frauen zugleich Sklavinnen sind, und Herrinnen. Oder gleich an Sofia Coppolas "Marie Antoinette". Denn "Sakuran" erzählt, in prächtigen Farben, an der Grenze zur Pop-Knalligkeit, von einer Glamour-Queen des japanischen Rokoko:
Kiyoha ist eine "Oiran", also weder Geisha noch gemeine Prostituierte, sondern die höchstmögliche Stufe einer Kurtisane der Tokugawa-Zeit, jenem japanischen Ancien Regime, das vom Barock bis zur Öffnung Japans zum Westen im Jahr 1868 dauerte.
Nicht allein körperliche Schönheit - die war selbstverständlich -, sondern vor allem Bildung, Manieren und Anmut, also ein Kulturvorsprung, zeichneten seinerzeit diese Oiran aus.
Zwar boten auch sie Sex für Geld, allerdings nicht nur für ungemein viel Geld, sondern vor allem nach strengen Ritualen, die sie den Männern, mit denen sie verkehrten, gleich stellten, ihnen eine autonome, freilich sehr prekäre Machtposition gaben. Dieses Machtspiel und die Ökonomie der Anmut sind Haupt-Themen von "Sakuran". Der Film stellt seine Figuren nicht als Handwerkerinnen, sondern als Künstlergenies der Liebe vor
" Ich kann nicht erklären, warum, aber ich weiß genau, was ich tun muss."
bringt Kiyoha es einmal auf den Punkt.
Mit dieser Kunst wurden sie zu Mega-Stars ihrer Zeit, Vorbildern für Mode und Manieren der damaligen Oberschicht.
Je länger der Film dauert, um so deutlicher wird, dass die historischen Kulissen täuschen: Regisseurin Mika Ninagawa benutzt sie um eine verfremdende Wirkung zu erzielen. Denn tatsächlich ist "Sakuran" ganz und gar ein bissiger Kommentar über unsere Gegenwart: Über eine Gegenwart, die ebenso von einem neuen Klassensystem geprägt ist, wie von der Macht der Unterhaltungsindustrie. Auch heute haben wir es mit Traumfabriken zu tun, die künstliche Paradiese, ihre eigenen Helden und eine scheinbare, verlogene Gleichheit produzieren.
Formal wird der historische Rahmen schon früh gebrochen: So ausgefeilt die glamourösen Kimonos und die übrigen Kostüme sind, sind sie doch historisch kaum exakt. Der Schnitt der Bilder wechselt ständig den Rhythmus, die Kamera fließt und hält doch immer wieder in kurzen Ansichten unmittelbarer Schönheit inne.
Die zentrale Stil-Entscheidung dieses hochstilisierten Films liegt aber vor allem in der Wahl der Musik:
Shiina Ringos vibrierender, in dieser Form nie gehörter Misch aus Pop-Elementen, Jazz und moderner Klassik bricht nicht nur mit allen denkbaren Klischees, er wird zum eigenen - ironisierenden - Kommentar des Films.
Ninagawas Ansatz ist dem Versuch vergleichbar, den Sofia Coppola in "Marie Antoinette" unternahm: Intelligentes Kino als optischer Genuss im Schwebezustand zwischen Kitsch und Cleverness. Und voll erkennbarem Widerwillen gegen platten Naturalismus.
"Sakuran" ist ein virtuoses, gut gelauntes, und einfallsreiches Stil-Feuerwerk voll zarter Melancholie, ein Spiel mit dem diskreten Charme der Dekadenz, das dem Zuschauer Vergnügen nicht weniger bereiten will, als Erkenntnis, und das auf die Neugier des Betrachters setzt, seine Lust am Ausbruch aus dem gewohnten Kino-Biedermeier.
Einmal erklärt die Hauptfigur:
" So zu tun, als sei nichts dahinter, wenn etwas dahinter ist - das nennt man Stil."
Dies ist auch das künstlerische Credo von "Sakuran". Wie ein Besuch bei einer Oiran ist auch dieser Film: Eine Lektion in Stil-Bewusstsein, ein ästhetischer Ausnahmezustand.