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Japans Walfang-Pläne
Warum Wale unseren Schutz brauchen

Hinter Japans Wiedereinstieg in den kommerziellen Walfang stünden "Scheinargumente", sagte die WWF-Walexpertin Heike Vesper im Dlf. So sei angeführt worden, dass einige Walpopulationen sich durch das Fang-Moratorium wieder erholt hätten. Von einer Entwarnung zu sprechen, sei aber nicht gerechtfertigt.

Heike Vesper im Gespräch mit Georg Ehring | 27.12.2018
    Ein Zwergwal gleitet durch das blaue Wasser des Meeres.
    Tierschützer fürchten, dass vor allem Zwergwale von den Japanern gejagt werden (dpa/picture-alliance/)
    Georg Ehring: Japan ist seit Jahrzehnten eine Walfangnation, vorgeblich zu wissenschaftlichen Zwecken. Allerdings klingt diese Begründung wenig glaubhaft. Das Fleisch wird im Supermarkt und im Restaurant verkauft, Proteste aus dem Ausland haben die Japaner bisher nicht vom Walfang abhalten können. Jetzt will die Regierung den kommerziellen Walfang ganz offiziell wiederaufnehmen, und darüber spreche ich jetzt mit Heike Vesper. Sie kümmert sich beim WWF um das Thema. Guten Tag, Frau Vesper!
    Heike Vesper: Guten Tag!
    Ehring: Frau Vesper, in welchem Umfang wird Japan Wale fangen, und was ändert sich in der Praxis?
    Vesper: Wie viele Wale genau geschossen werden, das wissen wir noch nicht. Das hat Japan noch nicht verkündet. Was sich aber geändert hat, ist, dass sie der internationalen Walfangkommission den Rücken gekehrt haben, die ja versucht hat, international den Walfang zu regeln und die Wale auch zu schützen. Sie werden nicht mehr in internationalen Gewässern fangen, das haben sie verkündet, aber sie wollen dafür in ihren Küstengewässern und in ihrem Hoheitsgebiet verstärkt Wale zu kommerziellen Zwecken wieder fangen.
    Walfleisch-Konsum stagniert
    Ehring: Und welche Wale kommen da vor, was können Sie sich vorstellen, was das für einen Umfang annehmen wird?
    Vesper: Es sind ganz unterschiedliche Wale, die dort vorkommen, von Grauwalen über Seiwale über Zwergwale. Und ich könnte mir vorstellen, dass vor allen Dingen Zwergwale die sind, auf die die Japaner die Jagd wieder erhöhen werden, denn das war ja in den letzten Jahren immer vor allen Dingen ein Streitpunkt.
    Ehring: Und für die Antarktis bedeutet das dann sogar eine Entlastung?
    Vesper: Das hoffen wir, dass das nicht nur eine Ankündigung ist, sondern dann tatsächlich auch so umgesetzt wird, denn in der Antarktis ist ja von der IWC, dieser Internationalen Walfangkommission, ein Schutzgebiet ausgerufen worden vor vielen Jahren schon. Und die Japaner waren dann die einzige Nation, die sich nicht daran gehalten haben, sondern dort weiterhin gejagt haben.
    Die Biologin Heike Vesper, Leiterin des Fachbereichs Meeressschutz beim WWF, zu Gast in der ARD Talkshow "Hart aber Fair" am 12.03.2018 in Köln. Foto: Horst Galuschka Foto: Horst Galuschka/dpa | Verwendung weltweit
    Die Biologin Heike Vesper ist Leiterin Meeressschutz bei der Naturschutzorganisation WWF (picture alliance / Horst Galuschka/dpa)
    Ehring: Was vermuten Sie denn als Gründe dahinter? Ist Walfleisch in Japan so beliebt als Essen?
    Vesper: Nein, so beliebt ist es nicht. Die Menge an Walfleisch, die konsumiert wird, stagniert tatsächlich über die letzten Jahre. Man sagt, es sind, ich sag mal in Anführungszeichen, nur 5.000 Tonnen, die konsumiert worden sind. Und es musste tatsächlich direkt Werbung auch betrieben werden, um diesen Konsum überhaupt anzutreiben.
    Ehring: Das heißt, kommerzielle Gründe sind auch vermutlich gar nicht der Hintergrund, oder wie sehen Sie das?
    Vesper: Wir glauben, dass es daran liegt, Japan hat sehr lange jetzt versucht, mit den Nationen eine Einigung darüber zu finden, dass man den kommerziellen Walfang wiederaufnimmt. Das Argument, das sie angeführt haben, ist, dass einige Walpopulationen sich ja durch das Moratorium wieder erholt haben. Das ist aber auch jetzt im Sommer wieder abgelehnt worden, und wir gehen davon aus, dass das der Grund ist, warum Japan der IWC jetzt den Rücken gekehrt hat.
    Ehring: Hat Japan möglicherweise recht mit seiner Einschätzung, dass Wale gar nicht mehr so bedroht sind?
    Vesper: Sie haben recht, für einige Populationen von Walen. Wir wissen, dass Buckelwale und der ostpazifische Grauwal, da haben sich die Bestände erholt. Das heißt aber nur, dass sie außerhalb des Bedrohungsstatus gekommen sind. Das heißt überhaupt nicht, dass die Walpopulationen wieder so groß geworden sind, wie sie zum Beispiel vor der Walfangzeit gewesen sind. Und dann von einer Entwarnung zu sprechen oder zu sagen, wir haben jetzt wieder genügend Wale, um auch kommerziellen Walfang zu betreiben, das halten wir für überhaupt nicht gerechtfertigt, denn die Meere stehen stark unter Druck. Wir haben eine starke Verschmutzung mit Plastikmüll, wir haben eine enorme Fischerei, in der viele Wale als Beifang anfallen. Und das sind alles Gründe, warum Wale unseren Schutz brauchen.
    "Es ist wirklich schlimm"
    Ehring: Was heißt denn dieser Schritt jetzt für andere Walfangnationen möglicherweise? Können Sie sich vorstellen, dass andere Walfangnationen diesem Schritt folgen.
    Vesper: Das hoffen wir tatsächlich nicht, dass das so ist, und dass die internationale Gemeinschaft stark genug ist, diesen Willen, die Wale weiterhin zu schützen, auch aufrechtzuerhalten. Und wir hoffen nicht, dass Japan hier als Beispiel vorangeht und man diese internationale Staatengemeinschaft verlässt. Das wäre wirklich eine Katastrophe.
    Ehring: Kann man diesen Schritt Japans auch als Rückschlag sehen für den Artenschutz insgesamt? Der basiert ja sehr stark auf internationalen Verträgen.
    Vesper: Das ist es ganz bestimmt. Dass wir dieses Walfangverbot hatten und dass der Schutz der Wale gekommen war, das ist eine der größten Errungenschaften, die wir hatten im Bereich Meeresschutz und für Meeresarten. Und dass das jetzt wieder angekratzt wird in einer solchen Art und Weise, mit solchen Scheinargumenten, das ist wirklich - ich kann es nicht anders sagen -, es ist wirklich schlimm.
    Ehring: Heike Vesper vom WWF war das über Japan. Japan will den kommerziellen Walfang wiederaufnehmen. Herzlichen Dank für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.