Donnerstag, 25. April 2024

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Jazzklassiker
Im Dschungel der Töne

1974 erschien die zweite Sammlung von Carla Bleys Kompositionen zu Gedichten von Paul Haines, "Tropic Appetites". Die Texte: voll psychedelisch-bizarrer Urwaldbilder. Die Musik: ein wilder, wagemutiger Ritt durch Stile und Genres.

Am Mikrofon: Michael Frank | 15.01.2021
    Eine ältere Frau, scharz gekleidet, sitzt lachend am Klavier. Sie ist halb seitlich zu sehen, im Hintergrund schimmert ein Bühnenaufbau.
    In ihrer Musik beweist sie häufig einen Sinn für trockenen Humor: Carla Bley (imago stock&people / Ivan Prokop)
    Obwohl nur eine einzelne LP, ist das von einem Oktett eingespielte Album „Tropic Appetites“ alles andere als ein Anti-Klimax zu Carla Bleys Debüt als Bandleaderin, dem epochalen Dreifach-Album „Escalator over the hill". Auch mit dieser "Jazz-Oper" hatte Bley Texte von Paul Haines vertont. Inspirationsquelle der surrealen Gedicht-Vorlagen waren diesmal längere Aufenthalte des Autors in Indien und Südostasien. In Bleys komplexen, mehrteiligen Kompositionen dazu gibt es Anklänge an Songs von Brecht/Weill und fernöstliche Tönungen. Zu hören sind auch Jazz-Rock-typische Bass-Riffs und feurige Soli von Tenorsaxofonist Gato Barbieri - und ein ganz besonderes Kinderlied, gesungen u.a. von Bleys damals sechsjähriger Tochter Karen Mantler. Ein weiteres Highlight des Albums ist die Stimme von Julie Tippetts, die nur wenige Jahre zuvor unter ihrem Mädchennamen Julie Driscoll Erfolge in der Popwelt gefeiert hatte. In exklusiven Interviewausschnitten dazu erzählt Carla Bley von der Faszination unverständlicher Texte, einer Meinungsverschiedenheit mit Julie Tippetts und davon, wie es war, mit Gato Barbieri in einer WG zu leben.