Hannes Heer: Aus dem 20. Juli kann man zwei Lehren ziehen. Das eine ist: Je früher Widerstand organisiert wird, desto geringer sind wahrscheinlich die Opfer. Wenn der Widerstand innerhalb der Wehrmacht im Januar 1933, Februar, oder dann noch mal 1934 aus Anlass der Morde an der SA-Führung konservativen Gegnern erfolgt wäre, dann hätte man die ganze Kette von Schauprozessen und Ermordungen später 1944, die hätte man sich sparen können. Das ist, glaube ich, eine Lehre, und die andere Lehre ist, dass sich natürlich Gesellschaften sehr schwer damit tun, eine Institution wie die Wehrmacht als eine saubere und anständige hochgehalten haben, wenn plötzlich durch ein solches Attentat die Frage nach der Moral dieser Institution aufgeworfen wird. Und daraus erklärt sich, dass auch nach dem Krieg Stauffenberg und seine Kameraden eigentlich zwei Jahrzehnte haben warten müssen, bis sie posthum dann auch von der Gesellschaft als Helden akzeptiert worden sind.
Lückert: Lässt sich denn die Rolle, die Leistung eines Soldaten nicht häufig erst im historischen Nachhinein bewerten? Wie es in dem Zusammenhang etwa die Diskussion um die Rehabilitierung von sogenannten Kriegsverrätern der Nazizeit zu bewerten?
Heer: Wenn es um eine militärische Institution, ob sie Bundeswehr oder wie immer sie heißt, geht, die nach demokratischen Prinzipien strukturiert ist, dann gibt es ja auch Kontrolle durch das Parlament zum Beispiel, inwieweit diese demokratischen Vorgaben von der Truppe eingehalten werden, dann muss es im Rahmen einer solchen demokratischen Gesellschaft möglich sein, auch Abweichungen festzustellen und dann auch zu ahnden. Das ist bei militärischen Einheiten wie der Wehrmacht, die zwar als Reichswehr im Rahmen einer Republik gegründet wurde, aber die jenseits von jedem Einverständnis mit dieser Republik existiert hat, erst recht dann also nach 1933 auf der Grundlage also von völkerrechtswidrigen Befehlen und Anweisungen agiert hat, dann wird es innerhalb dieser Institution unmöglich sein, tatsächlich mit ethischen Maßstäben Fehlverhalten zu kritisieren. Das, was an Kriegsschauplätzen heute passiert, ob es Afghanistan ist, in der Ära Obama, da kann man das sehr schön dran feststellen zum Beispiel, also, das ist sicherlich innerhalb, in der Jetzt-Zeit ist dann zu beurteilen, in der Ära Bush ist es schon sehr viel schwieriger gewesen. Das geschieht also jetzt erst dann, nachdem sich die politischen Verhältnisse geändert haben.
Lückert: Wo Sie schon Afghanistan ansprechen, im Fall des Einsatzes der deutschen Soldaten beginnt ja nun im Moment auch eine Art Neudefinition der Lage. Es ist nicht mehr nur von Konflikt und Krise, sondern mehr und mehr auch von Krieg die Rede. Bundesverteidigungsminister sprach unlängst von deutschen Gefallenen. Andererseits: Kann man nicht nur ein Gefallener, ein Held sein, der etwa mit dem neuen Ehrenkreuz für Tapferkeit ausgezeichnet werden könnte?
Heer: Nach meinem Dafürhalten ist das, was in Afghanistan passiert, ist ein Krieg, den man nicht hätte beginnen dürfen und den ich auch solange und je länger er läuft umso mehr als einen falschen, gefährlichen politischen Akt verstehe, genauso wie die Intervention damals der Sowjetunion in den Afghanistankonflikt. Ich finde es also unverantwortlich, nicht klar zu benennen, was dort passiert: Das ist ein Krieg, das ist nicht irgendeine "peacekeeping mission" oder so was, selbst wenn also dort parallel und synchron Aufbau von demokratischen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Strukturen versucht wird. Innerhalb des jetzt laufenden Kriegseinsatzes weiß ich nicht, wieweit der Begriff des Helden da passend ist. Das hat was mit meiner Einschätzung, der Einschätzung von vielen ja auch dieses Krieges zu tun. Was sich dort auszeichnen lässt, ist bestenfalls eine besondere militärische Professionalität, besonderer soldatischer Einsatzwillen, und, und, und. Aber diese Diskussion hat unsere Gesellschaft überhaupt noch gar nicht erreicht. Und das hängt damit zusammen, dass über den Charakter dieses Krieges Unklarheit herrscht. Leistet man nur Wiederaufbau von Polizei und von Armee und ist das, was militärisch dort passiert, bestenfalls eine Abwehr, die diesen zivilgesellschaftlich-demokratischen, friedlichen Aufbau stört? Oder ist es wirklich Teil eines Kriegseinsatzes? Solange dies nicht geklärt ist, kann man über Helden und kann man über Moralität, finde ich, ...
Lückert: Lässt sich denn die Rolle, die Leistung eines Soldaten nicht häufig erst im historischen Nachhinein bewerten? Wie es in dem Zusammenhang etwa die Diskussion um die Rehabilitierung von sogenannten Kriegsverrätern der Nazizeit zu bewerten?
Heer: Wenn es um eine militärische Institution, ob sie Bundeswehr oder wie immer sie heißt, geht, die nach demokratischen Prinzipien strukturiert ist, dann gibt es ja auch Kontrolle durch das Parlament zum Beispiel, inwieweit diese demokratischen Vorgaben von der Truppe eingehalten werden, dann muss es im Rahmen einer solchen demokratischen Gesellschaft möglich sein, auch Abweichungen festzustellen und dann auch zu ahnden. Das ist bei militärischen Einheiten wie der Wehrmacht, die zwar als Reichswehr im Rahmen einer Republik gegründet wurde, aber die jenseits von jedem Einverständnis mit dieser Republik existiert hat, erst recht dann also nach 1933 auf der Grundlage also von völkerrechtswidrigen Befehlen und Anweisungen agiert hat, dann wird es innerhalb dieser Institution unmöglich sein, tatsächlich mit ethischen Maßstäben Fehlverhalten zu kritisieren. Das, was an Kriegsschauplätzen heute passiert, ob es Afghanistan ist, in der Ära Obama, da kann man das sehr schön dran feststellen zum Beispiel, also, das ist sicherlich innerhalb, in der Jetzt-Zeit ist dann zu beurteilen, in der Ära Bush ist es schon sehr viel schwieriger gewesen. Das geschieht also jetzt erst dann, nachdem sich die politischen Verhältnisse geändert haben.
Lückert: Wo Sie schon Afghanistan ansprechen, im Fall des Einsatzes der deutschen Soldaten beginnt ja nun im Moment auch eine Art Neudefinition der Lage. Es ist nicht mehr nur von Konflikt und Krise, sondern mehr und mehr auch von Krieg die Rede. Bundesverteidigungsminister sprach unlängst von deutschen Gefallenen. Andererseits: Kann man nicht nur ein Gefallener, ein Held sein, der etwa mit dem neuen Ehrenkreuz für Tapferkeit ausgezeichnet werden könnte?
Heer: Nach meinem Dafürhalten ist das, was in Afghanistan passiert, ist ein Krieg, den man nicht hätte beginnen dürfen und den ich auch solange und je länger er läuft umso mehr als einen falschen, gefährlichen politischen Akt verstehe, genauso wie die Intervention damals der Sowjetunion in den Afghanistankonflikt. Ich finde es also unverantwortlich, nicht klar zu benennen, was dort passiert: Das ist ein Krieg, das ist nicht irgendeine "peacekeeping mission" oder so was, selbst wenn also dort parallel und synchron Aufbau von demokratischen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Strukturen versucht wird. Innerhalb des jetzt laufenden Kriegseinsatzes weiß ich nicht, wieweit der Begriff des Helden da passend ist. Das hat was mit meiner Einschätzung, der Einschätzung von vielen ja auch dieses Krieges zu tun. Was sich dort auszeichnen lässt, ist bestenfalls eine besondere militärische Professionalität, besonderer soldatischer Einsatzwillen, und, und, und. Aber diese Diskussion hat unsere Gesellschaft überhaupt noch gar nicht erreicht. Und das hängt damit zusammen, dass über den Charakter dieses Krieges Unklarheit herrscht. Leistet man nur Wiederaufbau von Polizei und von Armee und ist das, was militärisch dort passiert, bestenfalls eine Abwehr, die diesen zivilgesellschaftlich-demokratischen, friedlichen Aufbau stört? Oder ist es wirklich Teil eines Kriegseinsatzes? Solange dies nicht geklärt ist, kann man über Helden und kann man über Moralität, finde ich, ...