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"Je kürzer ich im Amt bin, desto besser habe ich gearbeitet"

Knapp zwei Monate nach der staatlichen Wiedervereinigung am 21. November 1990 wurde in der Leipziger Oper der Zusammenschluss des deutschen Fußballs vollzogen. Verbandsfunktionäre aus Ost und West atmet auf, Denn der Weg von der Demokratisierung des DDR-Fußballverbandes zur Fußball-Einheit war von vielen Hindernissen geprägt.

Von Michael Barsuhn | 05.04.2010
    Strausberg bei Berlin. Auf dem ersten demokratischen Verbandstag in der Geschichte des DDR-Fußballs, am 31. März 1990, stellt sich der Magdeburger Ex-Torhüter Hans Georg Moldenhauer zur Wahl für das Präsidentenamt des Deutschen Fußball-Verbandes (DFV) der DDR. Gegenkandidat ist Günther Schneider, ein Repräsentant der alten Verbandsführung.

    Unter den Journalisten in Strausberg befindet sich auch der aus dem Westen angereiste Herausgeber des Kicker-Sportmagazins, Karl-Heinz Heimann:

    "Es wurden die Berichte glaube ich nicht verlesen, die lagen schriftlich vor. Es wurde drüber diskutiert. Und es wurde also sehr engagiert diskutiert und am meisten beeindruckt war ich da vom Krügel, dem Magdeburger Trainer. Der also eine scharfe Abrechnung mit dem DFV, mit Günther Schneider als Person vornahm. Das gipfelte dann in der Schilderung, das vor einem Europapokalspiel gegen den FC Bayern München ein Stasioffizier gekommen sei und ihm angeboten hat, sie können in der Pause mithören, was da in der Bayern Kabine gesprochen wird, was Krügel - und das nehme ich ihm ab - mit Empörung zurückgewiesen hat."

    Nicht nur über dieses unmoralische Angebot der Staatsorgane beschwert sich Trainer-Legende Heinz Krügel in seiner scharfen Abrechnung mit der alten DFV-Verbandsführung. In der Abstimmung unterliegt schließlich Altfunktionär Günter Schneider, Moldenhauer wird mit 55 Prozent Ja-Stimmen gewählt. Der neue Präsident gehört zu den Reformern der Wendezeit, als Vertreter der Fußball-Basis hat er sich über Monate hinweg für mehr Mitbestimmung in Verbandsfragen eingesetzt. Nun ist er der mächtigste Mann eines untergehenden Verbandes:

    "Es ist, glaube ich, auch absolut logisch, dass der einzige Weg sofort nur in die Vereinigung führen konnte und dass wir also so schnell wie möglich handeln müssen. Und da habe ich also den Satz gesagt, der dann in der Zeitung stand: Je kürzer ich im Amt bin, desto besser habe ich gearbeitet."

    Denn die Politik gibt den Weg vor. Die ostdeutsche Bevölkerung hat bei den Volkskammerwahlen vom 18. März eindeutig für eine schnelle Vereinigung nach Artikel 23 Grundgesetz votiert. Moldenhauer hat die Zeichen der Zeit erkannt. Anders der mächtige DFB. Sein Präsident Hermann Neuberger ist noch nicht in der realpolitischen Wirklichkeit angekommen. Er will an zwei deutschen Länderspiel-Mannschaften aus Ost und West festhalten, mindestens bis zur Europameisterschaft 1992 in Schweden. Denn die Auslosung liegt bereits vor. Sie hat neben Belgien und Schottland die Bundesrepublik und die DDR in einer Gruppe zusammengeführt. Erstmals seit dem Hamburger 1:0-Sieg der DDR in der Weltmeisterschaftsvorrunde 1974 würde es wieder deutsch-deutsche Länderspiele geben. Für das Hinspiel ist Leipzig, für das Rückspiel München vorgesehen:

    "Neuberger hat dann zu mir gesagt: Lassen Sie die Vereinigung bis nach '92 nach der Europameisterschaft, lassen Sie die Verbände bis dahin autonom, sicherlich aus vorrangig wirtschaftlichen Interessen. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste - ein viertel Jahr später dann detailliert hatte, dass die Spiele alle schon sehr vermarktet waren und insbesondere die beiden Spiele der beiden deutschen Mannschaften. Da ging es inzwischen schon um Millionenbeträge damals und natürlich auch das Interesse der Durchführung dieser Spiele."

    Bis in den Juli 1990 hinein beharrte der DFB auf seiner Position, es werde keine Vereinigung vor 1992 geben. Kritik hagelt es nun von allen Seiten: Die Presse attackiert Neuberger als "Bremser" der Einheit. Am Rande der Fußball-Weltmeisterschaft in Italien kommt es dann doch zur entscheidenden Annäherung zwischen Moldenhauer und DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt:

    "Und da habe ich ihm gesagt. Wissen Sie Herr Schmidt, die Mauer ist gefallen, ganze Systeme sind, Armeen sind zusammengebrochen und ich kann Ihnen nur so viel sagen: Ich habe '92 keinen Fußballverband mehr der unter der Rubrik DDR spielt. Da muss ich wahrscheinlich im Olympiastadion in München alleine spielen mit ein paar Freunden. Also da wird es keine DDR mehr geben im Fußball."

    Am 19. Juli 1990 beschließen der DFV der DDR und der DFB in Frankfurt am Main die Vordatierung der Fußball-Einheit von 1992 auf 1991. In einem anderen Punkt kann sich Moldenhauer jedoch nicht durchsetzen: Lediglich acht der 14 DDR-Oberligisten werden im gesamtdeutschen Profifußball spielen, der Rest verschwindet in der Amateur-Oberliga. Unterdessen überschlagen sich die politischen Entwicklungen. Im August legt sich Bonn auf den 2. Dezember 1990 als Wahltermin zum ersten gesamtdeutschen Bundestag fest. Auch der Fußball muss nun dass Tempo weiter erhöhen. Bereits am 21. November 1990 wird die Fußball-Einheit feierlich vollzogen. An die Überwindung der Teilung im Sport will der DFB 20 Jahre später, im November dieses Jahres, mit einem großen Festakt in Leipzig erinnern.