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Jean-Baptiste Lully: 'Persée – Tragédie lyrique en un prologue et cinq actes sur un livret de Quinault d'après 'Les métamorphoses’ d'Ovide'

Heute mit: "Persée" von Jean-Baptiste Lully, eine Tragédie lyrique in einem Prolog und 5 Akten auf ein Libretto von Quinault nach den "Metamorphosen" des Ovid. Dieser Mitschnitt einer Live-Aufnahme vom September 2001 mit "Les Talens lyriques" unter der Leitung von Christophe Rousset erschien jetzt beim Label Naïve Auvidis im Vertrieb von Helikon. * Musikbeispiel: J.B.Lully - Ouvertüre aus Persée Jean-Baptiste Lully, gebürtiger Italiener, galt schon zu Lebzeiten als der führende Komponist Frankreichs. Mit der "Tragédie lyrique", die er zusammen mit dem Textdichter Philippe Quinault in Anlehnung an das klassische französische Drama Corneilles und Racines entwickelte, schuf er einen nationalen französischen Opernstil und hatte damit an seiner Pariser "Accadémie royale de musique" wie am Hofe gleichermaßen große Erfolge . Er hinterließ 16 Tragédie lyriques und 15 Comédies Ballets, von denen allerdings nur ein Bruchteil auf Schallplatte veröffentlicht wurde. Nun hat Philippe Rousset mit seinem Ensemble "Les talens lyriques" die Oper "Persée" wieder ins Leben gerufen, und das grandiose Ergebnis dieser Produktion lässt hoffen, dass dies nicht seine letzte Ausgrabung von Lully bleibt.

Dr. Christiane Lehnigk |
    Die Geschichte von Perseus, einem der berühmtesten Helden des Altertums, erhielt, - inspiriert von den Metamorphosen Ovids-, zunächst 1650 durch Corneilles "Andromède" Eingang in die französische Kulturgeschichte. 1682 vertonte dann Lully den Stoff auf ein Libretto von Quinault und verlieh der Vorlage Subtilität wie musikalische Größe. Ludwig der XIV. hatte das Sujet von dem unbesiegbaren Helden selbst ausgesucht. Lully vermerkte in der Widmung des Partiturdrucks , er habe kein Werk mit mehr Leidenschaft und Hingabe komponiert als Persée, da ihn das Thema besonders angesprochen habe und er in Perseus das Abbild des Königs sehe. Seine wunderbare göttliche Geburt bezeuge sein Auserwältsein, seine Fähigkeiten und Eigenschaften, die über jene aller anderen Sterblichen erhaben sein. Zeichen dafür wie auch für seine besondere Macht seien das von den Göttern geschenkte Schwert, die Fersenflügel, der Schild Pallas', sowie der Helm Plutos. Alle seine Handlungen dienten dem Wohl der Menschen.

    Diese Widmung ist ein bedeutsames Zeugnis für die damalige Abhängigkeit der Oper vom politischen System und für ihre Funktion als Instrument der Herrscherverehrung. In "Persée" kommt all' das vor, was die Attraktivität der "Tragédie lyrique" ausmacht: Accompagnato-Rezitative im Wechsel mit Airs, Tanz, Ballett, Ensembles und Chöre sowie selbstständige Instrumentalsätze. Alle Personen, von Andromède bis Phinée sind Helden, sie nehmen an Schlachten teil, kämpfen mit Monstern und trotzen Stürmen. Jede Rolle ist musikalisch charakterisiert und stellt an die Sänger, die hier die erforderliche sprachliche Diktion perfekt beherrschen, erhebliche Anforderungen. Die Titelpartie des Perseus singt der Tenor Paul Agnew, doch wenn sich das ganze Werk auch nur um ihn dreht, so tritt er selbst wenig in Erscheinung. Und wenn er auftritt, dann ist er maßvoll, scheint eine stille unaufdringliche Kraft zu sein, die hinter der ganzen Handlung steht. Er bleibt auch in den gefährlichsten Situationen beherrscht und ist völlig frei von inneren Konflikten und Selbstzweifeln . Seine Aufgabe ist es in dieser Tragödie, die Äthioper von der Medusa, die ihre Feinde in Stein verwandeln kann, und durch Pallas' Eifersucht zu einer hässlichen Gestalt mit Schlangenhaar mutierte, zu befreien.

    Zum Lohn soll er Andromeda als Gattin erhalten. Nach dem Bestehen zahlreicher Gefahren und verschiedener Liebesverwicklungen, gelingt ihm dies mit Hilfe der Götter auch. Seinen ersten Auftritt hat Perseus im 2.Akt in der Begegnung mit Andromède, hier gesungen von Anna Maria Panzella, doch es ist eine Erscheinung ohne Pauken und Trompeten. * Musikbeispiel: J.B.Lully - aus: Persée Die großen Orchester-begleiteten Auftritte, von denen es in dieser Oper eine ganze Anzahl gibt, sind dann für die Zyklopen und die kriegerischen Nymphen reserviert. * Musikbeispiel: J.B.Lully - aus: Persée Wenn Persée in die Handlung eingreift, dann in seiner Rolle als König. Und da die Handlung aber keiner Worte bedarf, wird sie, wie in der Szene mit Medusa, durch eine beschreibende, hier geradezu minimalistische Sinfonie wiedergegeben. "Perseus hält das Schild vor seine Augen, nähert sich Medusa, schlägt ihr den Kopf ab und wickelt ihn in ein Leinentuch um ihn mitzunehmen", so der Inhalt . * Musikbeispiel: J.B.Lully - aus: Persée Den anderen Charakteren in Lullys Oper sind, anders als dem Protagonisten Perseus, musikalisch keine Beschränkungen auferlegt. So wird zum Beispiel die Klage der Medusa um ihre verlorene Schönheit, die hier von einem Tenor, Laurent Slaars, gesungen wird, vom 5-stimmigen Orchestersatz begleitet. * Musikbeispiel: J.B.Lully - aus: Persée Das Orchester ist in Lullys "Persée" durchgehend an der Handlung beteiligt, es beschreibt und kommentiert Szenen, stimuliert oder beruhigt die "Helden", bestreitet die Tanzeinlagen und begleitet die Chöre. Als der Chor im 5.Akt in der Szene mit Andromeda und Cassiopeia in die Handlung eingreift, "Weiche unseren Kräften/ Du wirst dem Tod nicht entrinnen", lässt Lully originellerweise den Chor und das Continuo in den Dialog mit dem Orchester treten. Die Partie des Cephée singt Vincent Billier. * Musikbeispiel: J.B.Lully - aus: Persée Dem Chor kommt in der "Tragédie lyrique" – "Persée" eine besondere Bedeutung zu, in keiner anderen Oper hat Lully so viel mit dem Chor experimentiert, hat er auf so vielfältige Weise versucht, den Chor möglichst an der zentralen Handlung zu beteiligen. Christophe Rousset hat dafür ein Ensemble eingesetzt, das speziell für solche Musik geschaffen wurde und einen in Europa einmaligen Klang entwickelt hat. Die "maîtrise du centre de musique baroque de versailles "les chantres de la chapelle"". Dieser in Kinder- und Erwachsenen –Stimmen unterteilte Chor unter der Leitung von Leitung Olivier Schneebeli ist dem 1987 gegründeten "Centre de musique" angegliedert und singt in der gleichen Besetzung wie zur Zeit der Regentschaft von Louis XIV. Christophe Rousset leitet die Opern-Aufnahme, deren Einrichtung er Material des "Opern-Ateliers" von Toronto zugrundelegte , vom Cembalo aus. Der vielfach ausgezeichnete Cembalist hatte, nach der Zusammenarbeit mit "Les Arts Florissants" und "Il Seminario Musicale" 1991 mit "Les Talens lyriques" sein eigenes Instrumental- und Vokalensemble gegründet, dessen Schwerpunkt im Repertoire auf der französischen und italienischen Musik des 18.Jahrhunderts liegt. Mit dieser stilgerechten, fulminant dargebotenen, akribisch ausgearbeiteten Wiederaufnahme von Lullys "Persée" ist es ihm mit seinen Sängern und Musikern gelungen, eine höfische Tragödie auf lebendige Art wiederzubeleben, ohne dass man den Geruch verstaubter Perücken zu verspüren vermag. Die vorliegende Einspielung verblüfft in ihrer Perfektion um so mehr, als dass es sich um einen Live-Mitschnitt handelt, aufgenommen am 16.September 2001 in der "Cité de la musique" in Paris. In Auftrag gegeben wurde das Werk von der "Accademia Musicale Chigiana" in Siena. Hören Sie hier zum Abschluss die abschließende Air , "Perseus ist gekrönt von Ruhm und Liebe, was sollte einen Triumph noch süßer machen?" * Musikbeispiel: J.B.Lully - Schluss (Air) aus: Persée DIE NEUE PLATTE im Deutschlandfunk. Wir stellten Ihnen heute die erste Einspielung der "Tragédie lyrique" - "Persée" auf ein Libretto von Quinault nach den "Metamorphosen" von Ovid von Jean Philippe Rameau vor. Dieser Mitschnitt einer Live-Aufnahme vom September 2001 mit den "Talens lyriques" unter der Leitung von Christophe Rousset erschien beim Label Naïve Auvidis im Vertrieb von Helikon.