Nächtliche Solidaritätskundgebung vor dem Redaktionsgebäude von "Cumhuriyet", der führenden Oppositionszeitung der Türkei. "Ilhan Selcuk, wir stehen hinter dir!", skandieren die Demonstranten. Ilhan Selcuk, so heißt der 83jährige Chefkolumnist der kemalistisch ausgerichteten Zeitung - er wurde am Karfreitag morgens um halb fünf von der Polizei abgeholt und zwei Tage lang von der Staatsanwaltschaft verhört. Die türkischen Kemalisten sind außer sich, wie Hakki Süha Olay von der Kemalistenpartei CHP sagt:
"Wenn ein türkischer Chefkolumnist, an dessen Treue zum Kemalismus, zu Atatürk und zur Republik nicht der geringste Zweifel besteht, wenn so ein Mann Nachts aus seinem Haus geholt und dann fast 48 Stunden lang verhört wird, dann ist das Misshandlung - das ist Folter. "
Inzwischen ist Selcuk wieder auf freiem Fuß, darf aber das Land nicht verlassen. Der sonst so wortgewaltige Journalist äußert sich selbst vor seinen jubelnden Anhängern nicht zu den Hintergründen seiner Festnahme.
Offiziell bekannt ist deshalb nur, dass Selcuk im Rahmen der Ergenekon-Ermittlungen verhört wurde - einem seit Monaten andauernden Ermittlungsverfahren gegen einen ultranationalistischen Verschwörerkreis, der einen Militärputsch gegen die Regierung von Ministerpräsident Erdogan provozieren wollte. Aufwiegelung zum bewaffneten Aufstand gegen die Regierung, Gründung einer terroristischen Vereinigung und unerlaubter Waffenbesitz - so lauten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen mehrere mutmaßliche Ergenekon-Verschwörer, die bereits in Untersuchungshaft sitzen: Kemal Kerincsiz zählt dazu - der nationalistische Anwalt, der den Schriftsteller Orhan Pamuk und den Journalisten Hrant Dink wegen Beleidigung des Türkentums vor Gericht brachte. Dogu Perincek - ein ultranationalistischer Politiker, der die christlichen Minderheiten im Land bekämpft. Veli Kücük - ein Ex-General, der in einen Anschlag auf den Verwaltungsgerichtshof vor zwei Jahren verwickelt gewesen sein soll. Und mehrere andere prominente Nationalisten und Kemalisten, die vor allem eines gemeinsam haben: den Hass auf Ministerpräsident Erdogan und seine AKP. Daran mangelt es zwar auch dem Cumhuriyet-Kolumnisten Ilhan Selcuk nicht, doch alle anderen Vorwürfe seien haltlos, sagt Cumhuriyet-Chefredakteur Ibrahim Yildiz:
"Die Regierung und ihre Gesinnungsgenossen wollen mit dieser Festnahme nur vom Verbotsverfahren gegen ihre Partei ablenken. Sie lassen die Ergenekon-Ermittlungen jetzt hochkochen, weil sie unsere Zeitung damit zum Schweigen bringen wollen."
Das sieht die Staatsanwaltschaft anders. Die Ergenekon-Ermittlungen hätten nichts mit dem AKP-Verbotsverfahren zu tun, betont der federführende Oberstaatsanwalt Aykut Cengiz Engin und verweist darauf, dass gegen die Ergenekon-Bande schon seit letztem Juni ermittelt wird. Die Entdeckung eines Waffenlagers in Istanbul hatte die Ermittler damals auf die Spur der Verschwörer gebracht. Was gegen den Journalisten Selcuk vorliegt, will der Staatsanwalt zwar nicht sagen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.
In den türkischen Medien sickerte aber durch, dass die Ermittler den 83jährigen Kemalisten für den geistigen Führer von Ergenekon halten. In abgehörten Telefongesprächen mit anderen Verschwörern soll er Anschläge und blutige Aktionen gefordert haben, um die Regierungspartei AKP zu diskreditieren und ihr Verbot zu beschleunigen. Bei ihrer nächtlichen Razzia fanden die Ermittler demnach nicht nur elektronische Kopien der Anklageschrift für das Verbotsverfahren gegen die AKP, die mehrere Tage vor Erhebung der Anklage abgespeichert waren. Auch Skizzen sollen dort gefunden worden sein, die auf ein geplantes Attentat auf den für das Verbotsverfahren zuständigen Generalstaatsanwalt hindeuten - ein Attentat, das dann offenbar der AKP angelastet werden sollte.
Was an diesen und weiteren Vorwürfen gegen die mutmaßlichen Verschwörer dran ist, wird erst die Anklage zeigen, mit der in einigen Wochen gerechnet wird. Dass es sich bei dem Ergenekon-Komplott nur um eine Erfindung der AKP handelt, ist allerdings unwahrscheinlich. Denn gerade auf die Justiz als eine der letzten Machtbastionen der Kemalisten hat die AKP noch keinen Zugriff, wie Ministerpräsident Erdogan anmerkt:
"Wenn das so wäre, warum kann ich dann nicht das Verbotsverfahren gegen meine Partei verhindern? Wenn ich tatsächlich so viel Einfluss auf die Justiz hätte, dann hätte ich doch wohl das Verbotsverfahren gegen meine Partei verhindert."
"Wenn ein türkischer Chefkolumnist, an dessen Treue zum Kemalismus, zu Atatürk und zur Republik nicht der geringste Zweifel besteht, wenn so ein Mann Nachts aus seinem Haus geholt und dann fast 48 Stunden lang verhört wird, dann ist das Misshandlung - das ist Folter. "
Inzwischen ist Selcuk wieder auf freiem Fuß, darf aber das Land nicht verlassen. Der sonst so wortgewaltige Journalist äußert sich selbst vor seinen jubelnden Anhängern nicht zu den Hintergründen seiner Festnahme.
Offiziell bekannt ist deshalb nur, dass Selcuk im Rahmen der Ergenekon-Ermittlungen verhört wurde - einem seit Monaten andauernden Ermittlungsverfahren gegen einen ultranationalistischen Verschwörerkreis, der einen Militärputsch gegen die Regierung von Ministerpräsident Erdogan provozieren wollte. Aufwiegelung zum bewaffneten Aufstand gegen die Regierung, Gründung einer terroristischen Vereinigung und unerlaubter Waffenbesitz - so lauten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen mehrere mutmaßliche Ergenekon-Verschwörer, die bereits in Untersuchungshaft sitzen: Kemal Kerincsiz zählt dazu - der nationalistische Anwalt, der den Schriftsteller Orhan Pamuk und den Journalisten Hrant Dink wegen Beleidigung des Türkentums vor Gericht brachte. Dogu Perincek - ein ultranationalistischer Politiker, der die christlichen Minderheiten im Land bekämpft. Veli Kücük - ein Ex-General, der in einen Anschlag auf den Verwaltungsgerichtshof vor zwei Jahren verwickelt gewesen sein soll. Und mehrere andere prominente Nationalisten und Kemalisten, die vor allem eines gemeinsam haben: den Hass auf Ministerpräsident Erdogan und seine AKP. Daran mangelt es zwar auch dem Cumhuriyet-Kolumnisten Ilhan Selcuk nicht, doch alle anderen Vorwürfe seien haltlos, sagt Cumhuriyet-Chefredakteur Ibrahim Yildiz:
"Die Regierung und ihre Gesinnungsgenossen wollen mit dieser Festnahme nur vom Verbotsverfahren gegen ihre Partei ablenken. Sie lassen die Ergenekon-Ermittlungen jetzt hochkochen, weil sie unsere Zeitung damit zum Schweigen bringen wollen."
Das sieht die Staatsanwaltschaft anders. Die Ergenekon-Ermittlungen hätten nichts mit dem AKP-Verbotsverfahren zu tun, betont der federführende Oberstaatsanwalt Aykut Cengiz Engin und verweist darauf, dass gegen die Ergenekon-Bande schon seit letztem Juni ermittelt wird. Die Entdeckung eines Waffenlagers in Istanbul hatte die Ermittler damals auf die Spur der Verschwörer gebracht. Was gegen den Journalisten Selcuk vorliegt, will der Staatsanwalt zwar nicht sagen, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.
In den türkischen Medien sickerte aber durch, dass die Ermittler den 83jährigen Kemalisten für den geistigen Führer von Ergenekon halten. In abgehörten Telefongesprächen mit anderen Verschwörern soll er Anschläge und blutige Aktionen gefordert haben, um die Regierungspartei AKP zu diskreditieren und ihr Verbot zu beschleunigen. Bei ihrer nächtlichen Razzia fanden die Ermittler demnach nicht nur elektronische Kopien der Anklageschrift für das Verbotsverfahren gegen die AKP, die mehrere Tage vor Erhebung der Anklage abgespeichert waren. Auch Skizzen sollen dort gefunden worden sein, die auf ein geplantes Attentat auf den für das Verbotsverfahren zuständigen Generalstaatsanwalt hindeuten - ein Attentat, das dann offenbar der AKP angelastet werden sollte.
Was an diesen und weiteren Vorwürfen gegen die mutmaßlichen Verschwörer dran ist, wird erst die Anklage zeigen, mit der in einigen Wochen gerechnet wird. Dass es sich bei dem Ergenekon-Komplott nur um eine Erfindung der AKP handelt, ist allerdings unwahrscheinlich. Denn gerade auf die Justiz als eine der letzten Machtbastionen der Kemalisten hat die AKP noch keinen Zugriff, wie Ministerpräsident Erdogan anmerkt:
"Wenn das so wäre, warum kann ich dann nicht das Verbotsverfahren gegen meine Partei verhindern? Wenn ich tatsächlich so viel Einfluss auf die Justiz hätte, dann hätte ich doch wohl das Verbotsverfahren gegen meine Partei verhindert."