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"Jeder kann steuern, was andere zu Gesicht bekommen"

Datenschutz. - Heute wurde bekannt, dass die Schufa und das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam eine Forschungskooperation eingegangen sind. Das Ziel dieses Projekts, so die Beteiligten, sei die Analyse und Erforschung von Daten aus dem Web. Der Norddeutsche Rundfunk berichtet dagegen, es gehe darum, die Kreditwürdigkeit anhand von Facebook-Daten besser zu urteilen. Der Wissenschaftsjournalist Jan Rähm berichtet im Gespräch mit Monika Seynsche.

Monika Seynsche im Gespräch mit Jan Rähm |
    Seynsche: Herr Rähm, was haben das Forschungsinstitut und die Schufa jetzt eigentlich vor?

    Rähm: Ja, die beiden wollen in erster Linie Grundlagenforschung betreiben und sie wollen herausbekommen, welche Informationen können denn überhaupt aus dem Web gewonnen werden und wie kann man die weiterverarbeiten. Ich habe dazu mit dem Projektleiter, Professor Felix Naumann gesprochen, und er betont, es gehe ihm deutlich weniger um die personenbezogenen Daten als es jetzt scheint. Vielmehr wolle man Daten aus Textquellen wie Wikipedia oder aus Nachrichtenportalen fördern und analysieren und daraus dann Informationen gewinnen. Professor Naumann sagt außerdem, die Ergebnisse, die sollen nachher publiziert werden und mit diesen Ergebnissen will er dann auch warnen, was man alles mit öffentlich zugänglichen Daten machen kann, was möglich ist. Und man muss auch anmerken bei der ganzen Aufregung: Die wichtigsten Daten, die erhoben werden können, spricht das Finanzgebaren derer, die registriert sind, darauf hat die Schufa schon lange Zugriff.

    Seynsche: Was können denn die Unternehmen mit solchen Daten überhaupt machen?

    Rähm: Ja, eine ganze Menge. Die Verfahren dazu, die fasst man zusammen unter dem Begriff data mining, und das heißt übersetzt soviel wie nach Informationen schürfen. Dahinter verbergen sich ganz viele Verfahren zur Mustererkennung mit mathematischen und statistischen Methoden. Und, ja, man hat dazu relativ große Datenberge und wenn man die entsprechend verarbeitet, können bestimmte Erkenntnisse gewonnen werden. Zum Beispiel im Handel. Dort gibt es oftmals einen Zusammenhang beim Verkauf von verschiedenen Produkten. Ich nehme mal zwei Produkte und werden die am gleichen Tag besonders oft verkauft, dann lässt sich unter Umständen der Umsatz steigern, wenn man beide einfach nebeneinander platziert. Untersuchungen haben das bewiesen, dass das so stimmt. Außerdem können über diese Datenberge Anomalien erkannt werden. Denn bei falscher Auswertung von Daten können Ausreißer verborgen bleiben. Das ist zum Beispiel passiert beim Ozonloch. Da hat man jahrelang Messwerte gesammelt und hat die aber fehlinterpretiert und dadurch die ganze Tragweite verkannt, die das Ozonloch mit sich trägt. Außerdem kann man mit dem data mining Ähnlichkeiten zusammenstellen und Gruppen bilden, Objektklassen bilden, Assoziationen bilden, daher Daten einfach in Beziehung zueinander setzen und daraus dann seine Schlüsse ziehen.

    Seynsche: Geht das denn beliebig weit, diese Analyse von Datenbergen, oder gibt es da irgendwo eine Grenze?

    Rähm: Nein. Da gibt es ganz klar eine Grenze. Einfach schon die Datenmenge an sich. Die sind irgendwo ein ganz großes Problem, weil es gibt so viele Daten, dass man bisher noch gar nicht die richtigen Verfahren hat, um all diese Daten sinnvoll auszuwerten. Und, wenn man die gesammelt hat, dann liegen diese Daten erst einmal unstrukturiert vor, und diese Forscher haben nun wirklich ein Problem, Struktur rein zubringen, um daraus dann Schlüsse zu ziehen. Und die technische Interpretation des Ganzen, die ist dann manchmal ein bisschen bedenklich, weil, der Computer mit seinen Algorithmen zieht die falschen Schlüsse. Im Fall der Schufa könnte man jetzt sagen: Es wird ein Mensch eingeordnet in eine Gruppe aufgrund seines Wohnorts. Wenn man jetzt aber die Daten desjenigen genau betrachten würde, dann würde man sehen, dass der Wohnort zwar richtig ist, aber seine Bonität trotzdem ganz anders, einfach weil der Mensch einfach nicht umziehen wollte, vor wenigen Jahren. Deswegen gilt, letztendlich muss der Mensch diese Schlüsse ziehen aus dem, was dort analysiert wird.

    Seynsche: Was sagen denn die Projektbeteiligten, welche Informationen sie gewinnen wollen aus diesen Daten?

    Rähm: Ja, soweit ich das verstanden habe, geht es vor allen Dingen darum, eine Analyse im Unternehmenskontext zu machen. Das heißt, man will schauen, inwiefern sind Unternehmen oder auch Nachrichten im Netz zu sehen, wie ist die Stimmung in Bezug auf dieses Unternehmen und Nachrichten im Netz, und dann möchte man eine Datensammlung machen, um daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Die Analyse von Verbrauchern, die hat das HPI heute ganz stark zurückgewiesen.

    Seynsche: Sagen Sie mal, ganz unabhängig davon was das HPI oder die Schufa sagen, was sie tun oder auch nicht tun wollen. Wäre es denn überhaupt möglich aus diesen Netzdaten Rückschlüsse über die Kreditwürdigkeit von Privatpersonen zu schließen?

    Rähm: Ja, also technisch ist das sicher denkbar und machbar. Die Verfahren und Techniken, die gibt es durchaus schon. Und die Frage ist aber, welche Daten sind wie zugänglich, denn es gilt ganz klar: Nur die Daten, die auch irgendwo frei sind, können für solche Sammlungen benutzt werden. Also das gilt auch für die sozialen Netzwerke. Nur das, was ich dort wirklich freigebe, kann auch von jedem gesehen werden. Und ich kann mein Benutzerkonto einfach einstellen, wie viel ich von mir preisgeben möchte und wem. Und wenn ich da etwas verstecke und sage: Das soll nicht öffentlich sein, dann dürfen auch diese Sammlungen nicht darauf zugreifen und dürfen das nicht in die Sammlung mit einbeziehen. Das heißt aber auch andersrum, jeder Anwender kann theoretisch ganz allein steuern, was jemand anderes zu Gesicht bekommt und solche sensiblen Daten, wie Einkaufsliste, Finanzdaten, die sollten doch bitte immer verschlossen bleiben, die gehen niemand etwas an.

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