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"Jeder potenzielle Hundebesitzer sollte auf seine Eignung geprüft werden"

In Großbritannien kommen zu den üblichen ferienzeitbedingt ausgesetzten Hunden noch andere Tierheimbewohner: Pitbulls oder Staffordshire Terrier: sogenannte Kampfhunde, von ihren Besitzern als Waffe angeschafft und als solche nicht mehr beherrschbar.

Von Ruth Rach |
    "Die vier Hunde heulen um ihr Leben. Sie sitzen in einem Lieferwagen des britischen Tierschutzverbandes. Dies ist ihre letzte Reise. Der Tierarzt gibt ihnen eine Spritze, sie zucken kurz, und sacken in sich zusammen. Dem Tierarzt kommen fast die Tränen. Das waren junge gesunde Hunde sagt er. Aber wir haben keine Wahl."

    Diese Szene wurde vor Kurzem in der BBC ausgestrahlt. Der Dokumentarfilm hat die britische Öffentlichkeit schockiert. Das Battersea Cats and Dogs Home hatte das Team eingeladen. Das berühmteste Tierheim Groβbritanniens feiert dieses Jahr seinen 150. Geburtstag. Aber zu feiern gibt es wenig. Battersea Mitarbeiter Scott Craddock:

    "1996 haben wir 380 Staffordshire BullTerriers aufgenommen, im vergangenen Jahr waren es 3 600, ein Anstieg um 850 Prozent. Viele dieser 'Staffies' sind so aggressiv, dass man sie in Einzelzwinger stecken muss. Niemand will sie adoptieren. Unser Tierheim ist voll."

    8000 Tiere wurden allein im vergangenen Jahr im Battersea Tierheim abgeliefert. Die meisten waren Staffies oder Staffie-Mischungen. Jeder dritte wurde eingeschläfert. Charlie, Tierliebhaber und langjähriger Hundehalter, ist nicht überrascht.

    "Staffies gelten in bestimmten Kreisen als Statussymbole. Sie werden als Kampfhunde eingesetzt, oder um rivalisierende Gangmitglieder einzuschüchtern. Wenn sie zu nichts mehr taugen, werden sie davongejagt. Neulich wurde ein Staffie sogar von einem Hausdach auf die Straβe geworfen. Den Züchtern geht es nicht darum, eine gute Bleibe für sie zu finden. Sondern sie für möglichst viel Geld zu verkaufen. Ein Welpe bringt ihnen bis zu 1000 Euro."

    Tierschutzorganisationen sagen, der Missstand betreffe das ganze Land. Sie schätzen die Zahl der jährlich ausgesetzten Vierbeiner auf rund 100.000. Inzwischen müssten britische Tierärzte praktisch im Stundentakt einen Hund töten.

    Im Grunde handelt es sich um ein gesellschaftliches Problem. Seit Kampfhunde wie Pitbulls auf der Insel verboten wurden, haben Staffies und illegale Pitbullmischlinge die Nachfolge angetreten. Sie verschaffen ihrem Eigentümer nicht nur Status sondern vor allem auch Schutz, wie zum Beispiel OG, einem Rapper mit Knasterfahrung aus Hackney, Ostlondon.

    "Das ist Blood, mein Pitbull, ein treues Tier: Er geht nur auf Leute los, wenn ich es befehle. In meinem Kiez hat jeder einen Pitbull. Ich hab drei Verteidigungslinien: das Eisengitter vor meiner Wohnungstür, mich selbst, und meinen Hund."

    Blood ist ein idealer Waffenersatz, sagt OG: Wenn er mit einem Messer oder einer Handfeuerwaffe erwischt würde, könnte man ihn verknacken. Bloods ist Tag und Nacht in OG's winziger Sozialwohnung eingesperrt. Auslauf bekommt er kaum. Schlieβlich soll er scharf bleiben.

    "Außerdem befürchtet OG, dass ihm der Tierschutz den Hund wegnehmen könnte. Oder dass Blood ein Kind anfallen könnte. Erst kürzlich hat schon wieder ein Pitbull ein kleines Kind zerrissen."

    Aber was tun? Früher gabs eine Hundelizenz, sie kostete umgerechnet 50 Cent im Jahr und war ziemlich sinnlos, erinnert sich Charlie, der Tierschutzaktivist. Auch ein Staffie-Verbot würde nichts bringen.

    "Dann werden die Leute einfach auf Schäferhunde oder Rottweiler umsteigen. Ich finde, jeder potenzielle Hundebesitzer sollte auf seine Eignung geprüft werden, man sollte schauen, ob er vorbestraft ist, und eine Referenz verlangen."

    Es sei viel zu leicht Hunde zu züchten und mit ihnen Handel zu treiben, sagen auch britische Tierschützer. Jeder Hund sollte mit einem Mikrochip versehen werden, damit man seinen Besitzer identifizieren und zur Rechenschaft ziehen könne. Leichter gesagt als getan. In Groβbritannien gibt es nicht einmal für Menschen eine gesetzliche Meldepflicht. Hundehalter können nur allzuleicht verschwinden.