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"Jeder Verbraucher kann heute seinen Stromanbieter ganz leicht wechseln"

Auch nach der geplanten Verschärfung des Kartellrechts rechnet das Bundeskartellamt mit weiterhin hohen Strompreisen in Deutschland. Auch künftig könnten bei Preiserhöhungen nur extreme Ausreißer verfolgt werden, sagte der Präsident der Behörde, Bernhard Heitzer. Eine flächendeckende Kontrolle könne es nicht geben.

Moderation: Theo Geers |
    Geers: Herr Heitzer, Sie sind heute etwa 100 Tage im Amt, gut 100 Tage – 119, ich habe einmal nachgerechnet – seit dem 1. April, und die Schonfrist, wenn es denn eine gegeben haben sollte, die ist damit dann seit gut 14 Tagen abgelaufen. Nun sind Sie Präsident des Kartellamtes, und genau diese Behörde hat sich ja in den letzten Jahren – kann man fast sagen – auch verstärkt um Gas- und Strompreise gekümmert, sie ist damit auch etwas bürgernäher vielleicht geworden. Und Ihr Vorgänger hat sich auch in dieser Rolle, glaube ich, ganz gut gefallen. Machen Sie da jetzt weiter, wo der Herr Böge aufgehört hat?

    Heitzer: Also, ich habe keine besonderen Präferenzen für bestimmte Themen, die hier im Hause behandelt werden. Aber ich muss einfach sehen, was da an Themen ansteht. Und wenn Sie mich so fragen – also ganz wichtig für die Zukunft auch werden für uns weiter sein die früher staatlich determinierten Märkte, also Energie, Verkehr, Post, Telekom, aber auch Krankenhausmärkte. Insoweit kann ich da gar keine Präferenzen haben, das kommt wie es kommt, und es muss bearbeitet werden.

    Geers: Kurzfristig wird aber das Kartellamt derzeit eher mit dem Kampf gegen hohe Energiepreise, und da vor allem mit dem Kampf gegen höhere Strompreise vom Bürger in Verbindung gebracht. Nun ist es ja so, dass das Kartellamt ja auch bewusst ins Spiel gebracht wird. Es gibt eine Kartellrechtsnovelle, die im Herbst voraussichtlich in Kraft treten wird. Was dürfen Sie denn demnächst, was Sie bisher nicht konnten?

    Heitzer: Es sind im Wesentlichen vier Punkte. Das ist einmal der Punkt in dieser vorgesehenen Stromwettbewerbsnovelle. Das ist der Punkt, dass wir ein verbessertes Vergleichsmarktkonzept haben. Das heißt, dass wir jetzt auch – ich sage mal – Unternehmen aus dem Energiesektor mit Unternehmen aus anderen Versorgungsbereichen in einer Marktsituation, im schlimmsten Fall auch in einer Monopolsituation, vergleichen können. Das ist schon besser als das, was wir bislang da konnten. Der zweite Punkt ist auch ganz wesentlich. Das ist die sogenannte Beweislastumkehr. Das heißt: Jetzt liegt es, wenn ein Missbrauchsverdacht vorliegt, an den Unternehmen im wesentlichen, uns nachzuweisen, dass sie eben keinen Missbrauch betreiben. Das ist schon etwas ganz Wichtiges. Dann der dritte Punkt, der da auch eine ganz wesentliche Rolle spielt, das ist eine bessere kostenbasierte Kontrolle. Das heißt, es geht da letztlich um die Frage, ob der Abstand zwischen Preisen und Kosten angemessen ist. Und das Vierte, das ist ganz wesentlich –, das Vierte ist, dass wir die Möglichkeit haben werden des sofortigen Vollzugs. Das heißt, es wird dann nicht mehr möglich sein, dass man als Unternehmen gegen die Entscheidung des Kartellamtes Einspruch einlegt und dann wartet, bis die gerichtlichen Verfahren ablaufen. Es wird sofort vollzogen. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

    Geers: Das hört sich auf den ersten Blick so an, als ob sich die Stromversorger jetzt auf eine härtere Gangart des Kartellamtes einstellen müssen. Ist das so?

    Heitzer: Ich weiß es nicht, das ist eine Qualifizierung, die kann man vielleicht anstellen. Aber wir wollen, dass sich mittelfristig bis längerfristig auf den entsprechenden Energiemärkten ein besserer Wettbewerb einstellt. Das ist das, was wir wollen. Das will die Bundesregierung, das wollen wir, und ich glaube, das wollen auch die Verbraucher.

    Geers: Können sich denn die Verbraucher von dieser Novelle etwas erwarten, und wenn ja, was? Wird der Strompreis dadurch sinken oder wird er nicht mehr so stark steigen?

    Heitzer: Also, da muss ich schon auch – ich sage mal – ein bisschen an die Eigenverantwortung der Verbraucher auch appellieren. Jeder Verbraucher kann heute seinen Stromanbieter ganz leicht wechseln. Und das ist ganz wichtig bei der Frage, die Sie stellen. Es ist also im Strombereich ganz leicht, noch heute den Versorger zu wechseln. Was man nicht erwarten kann von dieser Verschärfung der Missbrauchsaufsicht, was man also von uns nicht erwarten kann, ist, dass es eine flächendeckende Preiskontrolle von uns geben wird. Das kann nicht erwartet werden, das wird auch nicht erwartet. Wir werden sozusagen extreme Ausreißer aufgreifen können. Es ist ganz klar, dass natürlich in dieser Frage auch eine ganz wesentliche Rolle die Landeskartellbehörden spielen werden, denn das meiste, was so den Verbrauchern auffallen wird, sind natürlich die Preisgestaltungen ihrer örtlichen kommunalen oder regionalen Versorger. Also in dieser Frage sind natürlich in erheblicher Weise auch die Landeskartellbehörden zuständig. Und was in dem Kontext natürlich auch eine ganz wesentliche Rolle spielt ist, dass wir mehr Anbieter auf der Erzeugungsstufe bekommen werden, also dass der Marktzutritt erleichtert wird. Das sind aber alles mittelfristige Zeiträume, da kann man nicht erwarten, dass wir heute Instrumente haben und morgen ändert sich alles sofort zum Besseren. Das braucht Zeit.

    Geers: Bleiben wir noch einmal bei den Ausreißern, die Sie gerade angesprochen haben. Sie sprachen davon, es gibt keine flächendeckende Preiskontrolle, sondern Sie werden sich überwiegend um Ausreißer kümmern müssen. Nun werden die Verbraucher ja auch bei Strompreisen wieder zur Kasse gebeten bzw. sie wurden zur Kasse gebeten. Wir haben am 1. Juli eine Strompreisrunde gehabt hierzulande mit hundert Versorgern, die so im Schnitt über sieben Prozent angehoben haben, einige darunter hatten sogar 34 Prozent für angemessen gefunden. Jetzt, in wenigen Tagen am 1. August gibt es wieder eine Strompreisrunde mit anderen Versorgern. Da ist der bisher ermittelte Spitzenwert fast 18 Prozent. Da fragt sich doch der normale Haushaltskunde: Was kann ich denn erwarten, wenn das Kartellamt solche Preissprünge unter die Lupe nimmt, denn um die wird es ja dann gehen, oder nicht?

    Heitzer: Es geht sicherlich darum, und der Verbraucher kann sich natürlich, wie ich eben auch schon sagte, unmittelbar an die vor Ort oder im Land zuständigen Behörden wenden. Aber, wie ich eben auch schon sagte: Es liegt natürlich auch ein Teil in der Verantwortung der Verbraucher selber. Sie haben heute wirklich die Möglichkeit, schnell den Versorger zu wechseln. Das kann ja auch durchaus nachhaltige Wirkungen haben. Mir fällt, wo Sie die Frage mir eben stellen, zum Beispiel plötzlich das Verhalten der Berliner Verbraucher ein, als Vattenfall in diesem Kontext auch Preiserhöhungen versuchte, am Markt durchzusetzen. Das ist für Vattenfall nicht gut ausgegangen. Und für die Berliner Verbraucher, die gewechselt haben, war es, glaube ich, ein guter Erfolg.

    Geers: Trotzdem nochmal die Frage: Wenn Sie jetzt solche Preisbeispiele, wie ich sie gerade nannte, wären das Fälle, wo Sie dann als Wettbewerbshüter, als Bundeskartellamt, demnächst mit der Kartellrechtsnovelle im Rücken einschreiten können und sagen: Ja genau, das sind die Ausreißer, auf die wir uns dann konzentrieren können?

    Heitzer: Das ist sicherlich eine ganz wichtige Frage und wird die Verbraucher auch interessieren. Aber das Entscheidende ist für uns nicht das Ausmaß der Erhöhung an sich, sondern das Kriterium ist die Höhe des Gesamtpreises im Vergleich zu einem Preis, der sich im Wettbewerb bilden würde. Das ist das Kriterium, und das müssen wir halt nachweisen.

    Geers: Gibt es denn Kriterien, wo man sagen könnte: Dieser Strompreis ist ab einer bestimmten Höhe überhöht? Wo liegt denn da die Eingriffsschwelle für Sie, wo Sie sagen können: Also, hier ist jetzt irgendwie das Ende der Fahnenstange erreicht?

    Heitzer: Also, wenn ich Ihnen jetzt eine Zahl nennen würde, Herr Geers, dann wäre doch klar, dass alle Energieversorger knapp unter dieser Zahl bleiben würden, und dann wäre also alles, was wir an Möglichkeiten haben, natürlich obsolet. Nein, das kann ich Ihnen natürlich nicht sagen. Das ist eine Norm, die Norm heißt angemessen und sie muss sozusagen in der Praxis der Fälle, die wir aufgreifen, ausgefüllt werden.

    Geers: Wenn diese Kartellrechtsnovelle sich überwiegend nur auf Einzelfälle wird stürzen können, drängt sich der Eindruck auf, dass diese Kartellrechtsnovelle relativ wirkungslos sein wird.

    Heitzer: Das würde ich so nicht sagen. Aber sie hat jetzt sozusagen auch schon, das ist mein Eindruck, eine erhebliche Vorfeldwirkung. Ich stelle zum Beispiel fest, dass bei den Preiserhöhungen, die jetzt von einzelnen Unternehmen oder von vielen Unternehmen angekündigt werden, das jedenfalls keine Preiserhöhungsorgie ist, die flächendeckend über das Land geht. Ich stelle fest, da sind einige nicht dabei, die vielleicht sonst dabei gewesen wären. Also, ich kann mich nicht erinnern, dass RWE jetzt Preiserhöhungen angekündigt hat, und ich bin jetzt nicht sicher, habe aber die Wahrnehmung, dass EON auch nicht dabei ist und viele andere mehr. Und Sie haben gesehen: Vattenfall hat sich da – ich sage mal – einen kleinen Lapsus erlaubt, und Vattenfall hat, um es mal salopp zu sagen, von den Berlinern ordentlich was auf die Nase bekommen.

    Geers: Das heißt also: Die Kartellrechtsnovelle wirkt?

    Heitzer: Sie wirkt jetzt schon sozusagen als drohendes Instrument im Vorfeld, und ich glaube, wenn ich das richtig einschätze in Gesprächen mit Leuten aus der Energiebranche, sie sind auch deshalb so echauffiert über das aus ihrer Sicht unsägliche Instrument, weil sie eben eine große Gefahr sehen, dass es ihr Unternehmen mal trifft und dass das dann auch eine wirklich sehr nachhaltige Präjudizwirkung für das ganze Unternehmen haben kann. Das ist, glaube ich, heute für mich schon sehr deutlich zu verspüren.

    Geers: Dann kehren wir nochmal zum Verfahren zurück. Sie werden ja ausdrücklich als Bundeskartellamt durch diese Novelle an die Front geschickt, um Strompreise zu kontrollieren. Wenn diese Novelle in Kraft getreten sein wird, wie werden Sie dann vorgehen? Werden Sie dann von sich aus aktiv werden, wenn Sie zum Beispiel solche Strompreiserhöhungen angekündigt bekommen, wenn Sie davon durch die Medien erfahren oder brauchen Sie konkrete Hinweise, brauchen Sie Beschwerden von Unternehmen, von Verbrauchern? Wie muss man sich das dann vorstellen?

    Heitzer: Also, wir werden von uns aus aktiv, wir werden sozusagen qua Amt aktiv werden und werden auch nicht auf Eingaben, von wem auch immer, warten. Natürlich können Bürger bei uns auch Eingaben machen, Unternehmen können Eingaben machen, aber sie müssen es nicht. Wenn die Bürger vor Ort Probleme sehen bzw. Verdachtsmomente für sie bestehen, sind natürlich in erster Linie die am Geschehen näher befindlichen Landeskartellbehörden die Ansprechpartner, die die Bürger ansprechen sollten.

    Geers: Wenn man das jetzt so hört, Herr Heitzer, dann bekommt man fast den Eindruck, als ob sich die Stromversorger doch etwas entspannt zurücklehnen können bei dieser Kartellrechtsnovelle. Sie sagen, Sie können nicht so richtig sagen, was ist ein unangemessen hoher Preis oder was ist eine unangemessen hohe Preiserhöhung. Sie sagen, Sie werden selbsttätig aktiv, aber zunächst mal sind die Landeskartellbehörden die Ansprechpartner und auch zuständig. Wenn ich das höre und gleichzeitig mir vor Augen halte, was die Stromversorger, als Herr Glos diese Kartellrechtsnovelle ankündigte, als Schreckgespenst an die Wand gemalt haben, nämlich hier würde eine allgemeine Preiskontrolle installiert, das sei das Ende der freien Preisbildung usw., dann muss ich ganz ehrlich sagen: Das Ganze wirkt so ein bisschen wie ein zahnloser Tiger, das heißt, hier wird eine Gesetzesnovelle gemacht, dem Bürger wird auch versprochen, wir kümmern uns um Deine Sorgen, wir kümmern uns um das Problem Strompreise – und jetzt ist die Novelle fast da, und dann stellt man fest: Also, viel passieren wird da eigentlich nicht.


    Heitzer: Das kann man so bestimmt nicht sagen. Die Missbrauchsnovelle, die uns als Kartellamt in die Hand gegeben wird, ist eine verhaltensorientierte Maßnahme. Die Bundesregierung und wir haben immer auch ganz klar artikuliert, dass das alleine nicht ausreichen wird, um mehr Wettbewerb und damit auch wettbewerbsfähigere Preise auf den Strommärkten, auf den Energiemärkten allgemein herzustellen. Die Bundesregierung und wir haben immer ganz deutlich darauf hingewiesen, dass natürlich auch die strukturellen Maßnahmen im Vordergrund stehen. Die strukturellen Maßnahmen, da nenne ich nur als Beispiel die Netzzugangsverordnung. Das, was in Zukunft auch eine ganz wichtige Rolle spielen wird, ist die Anreizregulierung. Und andere Maßnahmen wie zum Beispiel ein Ausbau der Grenzkuppelstellen, ein verbesserter europäischer Handelsmarkt, all dies sind strukturelle Maßnahmen, die brauchen aber natürlich eine bestimmte Zeit. Die wirken nicht sofort, sondern sie brauchen mindestens eine mittlere Frist, bis sie wirken. Das sind die entscheidenden Dinge. Und das, was wir als Kartellrechtsnovelle bezeichnen und was wir, Gott sei Dank, an die Hand bekommen werden, das ist eine vorübergehende Maßnahme, die diese strukturellen Maßnahmen begleiten soll. Und im übrigen ist es ja auch so, dass diese Kartellrechtsnovelle ein zeitliches Verfallsdatum hat. Sie wird nämlich nur bis 2012 laufen. Und das ist die Zeit, von der wir, aber auch die Bundesregierung erwartet, dass bis dahin die von mir so bezeichneten strukturellen Maßnahmen nachhaltig wirken können. Also ist es ein flankierendes Instrument, und es wäre falsch, hier vom Kartellamt mit dieser singulären Maßnahme das zu erwarten, was sich die Bürger erhoffen, nämlich bald wettbewerbsfähige und am Markt sich bildende Strom- und Gaspreise.

    Geers: Bleiben wir noch einmal kurz bei dem Thema, Herr Heitzer. Wenn ich mir den Strompreis anschaue in seiner Zusammensetzung: Wir haben etwa 40 Prozent Steuern und Abgaben. Das ist dann ein Kostenblock, der ist staatlich festgesetzt. Da können Sie als Kartellamt beim Strompreis, wenn Sie den unter die Lupe nehmen, eigentlich gar nichts mehr prüfen, denn das ist ein Kostenblock, der ist einfach da. Ein zweiter Kostenblock, ebenfalls knapp 40 Prozent, sind die Netzkosten. Die werde von der Bundesnetzagentur überprüft, und da kann das Kartellamt auch nicht mehr viel machen. Das heißt, da, wo Sie wirklich noch etwas machen können als Kartellamt, wenn Sie den Strompreis eines Versorgers unter die Lupe nehmen, dann ist das im Prinzip nur der ganze Aspekt Strombeschaffung oder Stromerzeugung plus Gewinnmarge. Und da werden dann die Stromversorger im Zweifel auf die Leipziger Strombörse verweisen und sagen, ja, unser Preis bildet sich auf Grund von Angebot und Nachfrage. Wie wollen Sie vor diesem Hintergrund - also zwei Kostenblöcke, Netzkosten und Steuer, im Prinzip fix beziehungsweise schon von anderer Behörde abgesegnet - und der dritte Kostenblock Beschaffung, da ist dann die Leipziger Strombörse als Preisbildungsmechanismus das entscheidende Instrument – wie wollen Sie da noch groß etwas prüfen?

    Heitzer: Also, der erste Kostenblock, Herr Geers, den Sie nennen, Steuern und Abgaben, dagegen können wir natürlich als Kartellamt nicht einschreiten. Der zweite Kostenblock, die Netzkosten, da ist natürlich schon ganz wichtig, dass die Anreizregulierung auch die Netzkosten senken wird. Das ist ja der ganze Zweck der Anreizregulierung. Und das Dritte, um sozusagen in Ihrer Aufzählung voran zu gehen, die Leipziger Strombörse, ist ein ganz wichtiger Faktor für die Strompreisbildung. Aber es gibt darüber hinaus noch eine ganze Menge von Determinanten, die in die Strompreisbildung eingehen. Das ist nicht nur die Leipziger Strombörse.

    Geers: Was können Sie denn unter die Lupe nehmen?

    Heitzer: Wir sind dabei, eine Determinante der Strompreisbildung, nämlich die Einpreisung von sogenannten Co2-Zertifikaten, ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Das ist so ein Beispiel.

    Geers: Bleiben wir gleich dabei, denn hier läuft ja ein Verfahren, das seit Dezember gegen RWE läuft. Das Verfahren wurde, wie gesagt, im Dezember eingeleitet. Seitdem ist es relativ ruhig geblieben. Wann ist denn da mit einer Entscheidung zu rechnen?

    Heitzer: Es ist nicht ruhig geblieben. Wenn Sie hier gewesen wären, bei mir im Amt, hätten sie dann schon sehen können, dass nichts ruhig war. Aber für die Öffentlichkeit, das ist richtig, hat sich da vielleicht nicht so sehr viel getan. Um es noch mal sozusagen von der Entwicklung her zu sagen, Ende des letzten Jahres hat das Kartellamt eine Abmahnung an RWE geschickt. Dann sind natürlich im Verfahren eine ganze Menge von Verfahrensbeteiligten zu hören und es ist mit ihnen zu diskutieren. Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende war, dass wir bei diesem Co2-Verfahren eine Annahme gemacht haben, nämlich die Annahme, dass RWE und EON auf den bundesweiten Strommärkten ein Duopol bilden. Und da gab es ein Verfahren, ich will es nur kurz erwähnen, das war EON/Eschwege, und dieses Verfahren war sozusagen eine ganz wichtige Größe auch in den Verfahren Co2-Verfahren Einpreisung RWE-Verfahren. Da hat das Oberlandesgericht Düsseldorf jetzt gerade zum 6. Juni dieses Jahres die Entscheidung getroffen und wir haben jetzt praktisch die gerichtliche Bestätigung, wir haben auf diesen bundesweiten Strommärkten ein Duopol. Und das ist auch eine ganz entscheidende Voraussetzung für das Co2-Verfahren gegen RWE. Ich glaube, Sie hatten auch gefragt, wann die Entscheidung kommt. Also, ich kann Ihnen heute sagen, dass die Entscheidung noch in diesem Sommer fallen wird, das heißt relativ kurzfristig.

    Geers: Was werden Sie entscheiden? Werden Sie entscheiden, dass dieses Einpreisen von Co2-Zertifikaten, die ja den Stromunternehmen umsonst zur Verfügung gestellt wurden, dass dieses Einpreisen in den Strompreis nicht zulässig war?

    Heitzer: Also, ich kann natürlich heute Ihnen die Entscheidung hier nicht vorweg erläutern. Wir sind noch im Verfahren, da bitte ich um Verständnis. Aber das, was wir in diesem Verfahren gesagt haben, ist, dass maximal 25 Prozent durchaus berechtigt eingepreist werden, aber der Rest von 75 Prozent war sozusagen nicht einpreisungsfähig.

    Geers: Das würde bedeuten, dass die Stromkonzerne einen Teil ihres Strompreises senken müssten, weil er überhöht war?

    Heitzer: Das ist jedenfalls die Vorstellung, die dahinter steht. Aber ich muss noch einmal davor warnen. Das Verfahren gegen RWE bezieht sich nur auf das Jahr 2005, auf die damaligen Bedingungen und ist insoweit nicht unbedingt extrapolierbar für die Zukunft.

    Geers: Trotzdem möchte ich den Blick in die Zukunft einmal wagen, Herr Heitzer, denn das Thema Co2-Rechte wird uns ja weiter beschäftigen. Von 2008 bis 2012 gibt es eine neue Periode, in der die Stromkonzerne auch Emissionsrechte wieder zugeteilt bekommen. Der Pfiff an der Geschichte: Ab 2008 wird ja so sein, dass a) die Menge an Co2-Zertifikaten zurückgehen wird, und zwar drastisch, und zum zweiten wird es so sein, dass die Stromunternehmen auch einen Teil dieser Zertifikate werden kaufen müssen über eine Versteigerung. Das heißt, diese Zertifikate werden nicht mehr umsonst zur Verfügung gestellt.

    Heitzer: Richtig.

    Geers: Wenn man das so nimmt, dann liest sich das wie eine Steilvorlage, um dem Verbraucher gegenüber zu begründen, der Strompreis muss steigen. Was werden Sie dem Stromkonzern entgegenhalten? Dürfen die das?

    Heitzer: Der neue Allokationsplan mit dem Zeitraum 2008 bis 2012 schafft völlig andere Bedingungen, als das beim Nationalen Allokationsplan Nr. 1, sage ich mal, oder dem bisherigen Allokationsplan war. Das heißt, es gibt völlig neue emissionsrechtliche Bedingungen, die wir zu beachten haben, es gibt völlig neue energiepolitische Rahmenbedingungen, die wir zu beachten haben, es gibt völlig neue umweltrechtliche Bedingungen. Das heißt, für uns stellt sich dann auch in solchen Co2-Verfahren, die wir sicherlich weiterhin betreiben werden, eine völlig neue Sachlage dar. Und das ist einfach der Punkt, der zu beachten ist.

    Geers: Das heißt also, Sie würden jetzt nicht so weit gehen, dass Sie jetzt zum Beispiel die Stromkonzerne schon warnen würden nach dem Motto: Fangt jetzt bloß nicht an, diese Co2-Zertifikate einzupreisen?

    Heitzer: Nein, nein, wie ich eben schon sagte: Natürlich werden die Stromkonzerne zumindest im Umfang ihrer Opportunitätskosten das Recht haben, solche Dinge einzupreisen. Aber was den Punkt angeht, wie das zu beurteilen ist aus kartellrechtlicher Sicht, da habe ich Ihnen ja auch schon gesagt, es gibt für uns mit NAP II eine völlig neue Sachlage. Und insoweit ist das bisherige Co2-Verfahren nicht unbedingt wegleitend für die Zukunft.

    Geers: Bleiben wir noch mal beim Kartellrecht und dem Kampf gegen hohe Strompreise. Wir haben jetzt zwei Instrumente angesprochen. Wir haben einerseits die neue Kartellrechtsnovelle angesprochen, wir haben zum zweiten das Verfahren mit den Co2-Zertifikaten angesprochen und dieses bahnbrechende Urteil aus Düsseldorf von Anfang Juni, das Ihnen im Prinzip eine relativ scharfe Waffe in die Hand gibt, weil sie sagen können, RWE und EON allein haben auf dem deutschen Markt schon ein Duopol, das den Markt zu einem Großteil beherrscht. Grundsätzlich gefragt: Reichen damit die Instrumente eigentlich aus, die sie als Kartellbehörde brauchen im Kampf gegen hohe Energiepreise?

    Heitzer: Nein. Ich würde sagen, im Augenblick ist das okay und auch für die nächste Zukunft okay. Aber worauf ich einfach noch einmal hinweisen möchte: Das Kartellamt hat mit der verschärften Missbrauchsaufsicht, ich habe es ja vorhin auch schon gesagt, ein verhaltensorientiertes Instrument an der Hand für den Zeitraum 2008 bis 2012. Und das soll flankieren die eher strukturell orientierten Maßnahmen. Und das ist das Entscheidende, das Zusammenwirken von verhaltensorientierten Maßnahmen, wie wir das mit der verschärften Missbrauchsaufsicht haben, mit den genannten strukturellen Maßnahmen der Bundesnetzagentur, aber auch jenen, die sich noch entwickeln müssen und werden, Verbesserung der Grenzkuppelstellen, bessere Investition ins Netz, Herausbilden eines europäischen Handelsmarktes. Das sind die entscheidenden Dinge, die strukturellen Maßnahmen. Und das, was sozusagen als kartellrechtliche Flankierung uns an die Hand gegeben ist, ist halt eine vorübergehende Maßnahme bis 2012.

    Geers: Das heißt also, wenn Sie sagen, unsere Instrumente reichen bis 2012 erst einmal aus, um politische Entwicklungen, die wir auch auf den Weg gebracht haben, zu flankieren, stellt sich trotzdem die Frage: Wenn Sie gute Waffen haben oder ausreichende Waffen, haben Sie denn auch genug Soldaten? Sie brauchen ja Experten, die im Prinzip so eine Strompreiskalkulation von RWE oder EON auseinander nehmen können. Haben Sie genug Personal dafür?

    Heitzer: Also der militärische Begriff ist eigentlich in dem Kontext zum ersten Mal gesagt worden. Aber eine militärische Einrichtung sind wir nicht. Nein, im Ernst, dahinter steht natürlich die Frage, ob wir personell und ressourcenmäßig gut gerüstet sind. Also, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, wir haben eine zu üppige Personalausstattung. Die ist nicht zu üppig. Und ich muss auch fairerweise hinzusagen, dass der Gesetzgeber mit Blick auf die Preismissbrauchsnovelle auch vorgesehen hat, dass wir eine bessere Personal- und Ressourcenausstattung, sage ich mal, bekommen. Ich hoffe, am Ende, wenn das Gesetzgebungsverfahren im Parlament letztlich verabschiedet sein wird, das dürfte so Mitte bis Ende November dieses Jahres sein, dass dann auch noch drin stehen wird, das Bundeskartellamt erhält für die Aufgabe der Preismissbrauchsnovelle neun Stellen. Das steht drin.

    Geers: Neun Stellen, ist das viel oder ist das wenig?

    Heitzer: Es ist jedenfalls besser als das, was wir haben.

    Geers: Das heißt also, der Eindruck, dass die Politik sonntags den Kampf gegen Strompreiserhöhungen ankündigt und dann die zuständigen Behörden von montags bis freitags personell im Regen stehen lässt, der Eindruck wäre falsch?

    Heitzer: Der Eindruck ist falsch. Nein, nein, also ich bin wirklich dankbar für das, was bislang im Regierungsentwurf drin steht. Und sollte es am Ende auch so sein, dann bin ich sehr glücklich.