Freitag, 19. April 2024

Archiv


Jedes Bild eine Entdeckung

"Sein Leben in Bildern" - so schlicht heißt dieser mit über 600 großenteils bis dato unbekannten Fotos und Dokumenten reich ausgestattete Bildband. Ein wunderbares Buch mit Schwarz-Weiß-Fotos aus dem Privatarchiv, bunten Familienfotos, ersten Briefen im Faksimile, hingekritzelten Textfragmenten, wild redigierten Manuskriptseiten, Zeichnungen und Gemälden aus eigener Hand, schwarz-weiß oder kräftig in den Farben.

Von Hajo Steinert | 26.10.2011
    Man sieht Dürrenmatt im Kreise von befreundeten Komponisten, Schauspielern, Schriftstellern, schönen Frauen, er hat oft die Pfeife im Mundwinkel oder ein Zigarillo in den Fingern. Man sieht ihn mit prüfendem Blick, eine ganz bestimmte Flasche im Visier, inmitten seines prächtig bestellten Weinkellers. Man sieht ihn vor dem Bücherregal, auf Partys, bei Theaterproben, vollkommen relaxed im Liegestuhl, am extrem langen Schreibtisch, in Rückenansicht. Natürlich auch zusammen mit Max Frisch und Dürrenmatts wunderbarem Verleger Daniel Keel, der kürzlich verstorben ist - diese drei auf einem besonders ausgelassenen Foto. - "Der Richter und sein Henker" - ein Vorabdruck in der Zeitschrift "Der Schweizerische Beobachter" ab dem 15. Dezember 1950. 3000 Franken bekam Dürrenmatt dafür. Und was man auch sieht: die Illustration zu seinem letzten Kriminalroman "Justiz" . Sie war im "Stern". Der spitzbärtige Besoffene, eher hängend als sitzend am runden Bistrotisch, der Kopf im Teller gelandet, die rechte Hand noch am Rotweinglas, stammt von keinem anderen als dem Zeichner Tomi Ungerer, der noch in diesem Jahr 80 Jahre alt wird. Dürrenmatt, Frisch, Keel, Ungerer - hier sind sie wieder alle zusammen, die Toten und der Lebende. Und so schmökert und liest und betrachtet man weiter und weiter, jedes Bild eine Entdeckung, und kennt am Ende Friedrich Dürrenmatt besser als man ihn zuvor zu kennen geglaubt hat. Großes Kino!

    "Dürrenmatt. Sein Leben in Bildern". Diogenes, 500 Abbildungen auf 370 großformatigen Seiten, 49 Euro.