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Jedes Kind soll singen

Musik ist wichtig für die Entwicklung eines Kindes. Guter Musikunterricht ist jedoch rar an deutschen Grundschulen. Primacanta ist eine Initiative aus Frankfurt am Main: Das Projekt will den Musikunterricht an der Grundschule verbessern.

Von Benno Müchler | 13.12.2011
    Gabriel Heun steht in einem Kreis von Erst- und Zweitklässern. Die Knirpse schauen gespannt zu ihm hoch und horchen, was er mit seiner Stimme macht. Es ist Musikstunde in der August-Jaspert-Grundschule im Frankfurter Stadteil Bonames. Herr Heun ist der Lehrer und jetzt nach den aufwärmenden Stimmübungen spielt er ein Lied.

    "Heute ist Dienstag, der sechste Dezember. Heute ist Dienstag, der sechste Dezember. Heute sagen wir dem Mohammed etwas Gutes."

    Das klappt noch nicht so gut. Aber sie üben das Lied ja heute auch zum ersten Mal. Herr Heun ist ein ausgebildeter Musiklehrer. An der Schule arbeitet er im Namen der Initiative "Primacanta – Jedem Kind seine Stimme." Das Projekt der Frankfurter Hochschule für Darstellende Musik und Kunst und der Crespo Foundation will den Musikunterricht an der Grundschule verbessern. Über zwei Jahre lang schulen Fachtrainer die interessierten Lehrer: Es gibt Fortbildungen. Auch kommen die Trainer in den Unterricht. Dort sollen die Kinder übers Singen ein Gefühl für Musik entwickeln und darüber später Noten lesen und schreiben lernen.

    "Dieses Aufbauende ist einfach, was ich einfach gut finde. Also, dass es eben nicht heißt, die Klasse muss dann und dann das erreicht haben, sondern es wäre schön, wenn…" – "Nö, nö, was ist das Bild, was ist das Ziel? Also, das darf man in der Pädagogik so gar nicht sagen."

    Nach der Stunde unterhält sich Herr Heun mit Birgit Walter. Frau Walter ist Vorstandsmitglied der Stiftung "Jedem Kind ein Instrument", ein Projekt, das den Instrumentalunterricht in Schulen fördert und eigentlich im Ruhrgebiet zu Hause ist. Doch dort entwickelt man sich gerade weiter und will nun auch Gesang aufnehmen. So reist Frau Walter durch die Republik und schaut sich verschiedene Programme an.

    "Speziell im Bereich des Instrumentalunterrichts stoßen wir immer wieder auf das Problem, dass es viele Kinder gibt, die wir mit der Musikschularbeit, der herkömmlichen, nicht erreichen. Und da ist es ganz wichtig, dass wir mit den Musikschulen in die Grundschulen gehen, das ist also auch das Programm von jedem Kind ein Instrument, also in der ersten Klasse bekommen alle Kinder flächendeckend im Klassenverband Unterricht. Das heißt, wir erreichen jedes Kind, unabhängig davon, ob es vielleicht vom Elternhause aus selbst in die Musikschule gefunden hätte."

    Schlechter Musikunterricht an Schulen, das ist ein bundesweites Problem, das die Kultusministerkonferenz schon 1998 feststellte. Es gibt zu wenig ausgebildete Fachlehrer, zu wenig Stunden und die fachfremden Lehrer, die Musik unterrichten, besitzen oft nicht die Techniken, Kinder langfristig musikalisch fit zu machen. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Was sich geändert hat: Wegen des Mangels haben sich in den vergangenen Jahren deutschlandweit zahlreiche Initiativen gegründet, die den Schulen helfen wollen. Primacanta und Jedem Kind ein Instrument sind Beispiele. Bei "MuBiKin" in Nürnberg will man sogar einmal allen Kindern und Jugendlichen der Stadt guten Musikunterricht vom Kindergarten bis zum Ende der weiterführenden Schule ermöglichen.

    "Heute ist Dienstag, der Sechste Dezember. Heute sagen wir dem Mohammed etwas Gutes. Etwas das gut ist, und jeder sagen kann."

    Primacanta hat seit seiner Gründung 2008 an rund 70 Frankfurter Grundschulen 170 Lehrer ausgebildet. Ein Erfolgsrezept: Das Programm ist für die Lehrer keine zusätzliche Baustelle, sondern findet in ihrer Arbeitszeit statt. Die Initiative ersetzt die Fehlstunden. Gabriel Heun ist noch bis zum Schuljahresende an der August-Jaspert-Schule. Er gehört nicht fest zum Kollegium. Trotz seiner Ausbildung und einem Lehramtsschnitt von 1,8 fand er in Hessen keinen Referendariatsplatz. Primacanta vermittelte ihn.

    "Und gleich und gleich. Und gleich und gleich. Gehen wir aus der Tür. Gehen wir aus der Tür. Und haben unseren Mund. Und haben unseren Mund: zu."