Archiv


Jenseits der Burgenromantik

Auf der Veste Heldburg im Süden Thüringens soll das Deutsche Burgenmuseum entstehen. Sie hat selbst eine eindrucksvolle Geschichte. Ein kurzes, aber düsteres Kapitel sind die 1970er- und 80er-Jahre. Damals wurden Kinder im dort untergebrachten Heim misshandelt.

Von Blanka Weber |
    Wenn sich heute ehemalige DDR-Heimkinder an ihre Kindheit erinnern, dann kann das so klingen:

    "Man kann sich das nicht vorstellen, dass Menschen vergewaltigt werden und Kinder vergewaltigt werden, wo der Mensch wieder wegguckt."

    Der Name des Mannes soll bewusst nicht genannt werden, die Wunden seien zu tief und die staatlichen DDR-Pädagogen von einst heute meist nicht an einer Aufarbeitung interessiert, heißt es. Auch jene, die das düstere Kapitel der Veste Heldburg zu verantworten haben:

    "Man wird immer wieder dran erinnert, der Ekel kommt immer wieder hoch, wo man dann automatisch wieder dran erinnert wird. Und wenn’s nur Träume sind."

    Unsere Kindheit auf der Veste Heldburg – inmitten staatlicher Obhut – hatte mit Burgenromantik nichts zu tun, sagt jener Mann.


    Wer heute den Weg zur Veste Heldburg nimmt, sieht bereits am Fuße der Burg den Hinweis, dass hier der Lutherweg zwischen Coburg und Heldburg entlangführt und dass die Burgengeschichte bis weit in das 16. Jahrhundert reicht. Steht man oben im Innenhof, so reicht der Blick bis ins Fränkische, erklärt Christa Rose vom Förderverein:

    "Man sieht zunächst hier im Vordergrund diese Anhöhe, der Straufhain, auch eine alte Burg der Grafen von Henneberg, dieses Geschlecht besaß ursprünglich auch diese Veste Heldburg, deren Besitzungen gingen im Grunde genommen bis in den Raum Coburg hinein."

    Christa Rose erzählt gern von der Region und der Verbundenheit der Menschen:

    "Ich bin in Heldburg geboren, hier aufgewachsen, war zwischenzeitlich mal weg von Heldburg und bin aber wieder zurückgekommen und ja, bin sehr glücklich und froh hier."

    Nur eines scheint ein schweres Thema zu sein: das ehemalige bis zu einem Brand im Jahr 1982 existierende DDR-Kinderheim. Hier soll jetzt – in farbenfrische Renaissance gehüllt - das Deutschen Burgenmuseum.

    Dass es ein Kinderheim war, soll an einer Tafel erklärt werden. Mit der künftigen Ausstellung habe dies nichts zu tun, zudem habe man – auch als Förderverein – keinerlei Unterlagen, schon gar nicht über Missbrauch und Gewalt:

    "Die sind nicht hier, man muss ja bedenken, es war 1982 der Brand und damit hat das Kinderheim aufgehört zu existieren, wo Unterlagen da hingekommen sind, das entzieht sich meiner Kenntnis."

    Der Förderverein existiert seit 23 Jahren. Doch man habe bislang lediglich Heimkinder mit guter Erfahrung – die in den 50er-Jahren – hier auf der Burg waren, kennengelernt, betont Christa Rose. Auch die Bürgermeisterin des Ortes kann nur berichten, dass sie selbst noch als Kind in der Dorfschule neben den Kindern des Heimes auf der Veste Heldburg saß, man habe sich gut verstanden damals:

    "Für mich oder für die Bevölkerung war das Thema oder das Wort Kinderheim auf der Heldburg nicht negativ besetzt, das war ein Kinderheim, das war da, da waren Arbeitsplätze oben, das war auch aus wirtschaftlicher Sicht ein wichtiger Arbeitgeber, also negativ besetzt – das könnte ich überhaupt nicht sehen."

    Das düstere Kapitel der Burg bewerten die ehemaligen Heimkinder, die in den70er- und frühen 80er-Jahren dort gelebt haben, völlig anders als jene, die heute ein Museum schaffen wollen. In einzelnen Stasi-Akten ist von Repressalien die Rede, von Schutzbefohlenen, die quälten – ohne dass sie selbst jemals zur Verantwortung gezogen worden sind. Ein ehemaliges Heimkind bestätigt dies:

    "Es waren aus allen Berufsschichten, von Armee, Jugendwerkhof, da entlassen, Vorfälle vorgefallen, da sind sie ein halbes Jahr entlassen worden und nach einem halben Jahr standen sie wieder da und konnten ihre Arbeit wieder verrichten und die Menschen wieder quälen, erniedrigen und sich vergehen an denen."

    Im Innenhof ist an einer Fachwerkfassade das großflächige Bild des Heiligen Georg im Kampf mit dem Drachen zu sehen - das Gute gegen das Böse, erklärt Christa Rose vom Förderverein. Und: Vielleicht wird sich der Verein nun doch etwas mehr mit dem dunklen Kapitel beschäftigen, bevor man das Deutsche Burgenmuseum an diesem Ort mit Glanz eröffnet.